gangway #10

Peter Giacomuzzi
großstadt männlich

© 1998 by Peter Giacomuzzi and gangan books australia


großstadt männlich


die betuchten arschlöcher
kneifen ihre backen zusammen
lassen aus lauter scheu an bewegung
die besten plätze
in der vollsten bahn
leer
und denken was weiß ich
an die größe des reichs


an händen sind leichter
die menschen zu erkennen
das alter die jugend der tod
im frühmorgen der fleischwölfe
im weg zu der arbeit
sind alle so unscheinbar gleich
mit tausend verschiedenen händen


würde dein weißer saum
würde das naß deiner lippen
setz dich komm lieb mich
und laß mich dich spüren
zusammengefallen
verschlossen die mäßig
bedeckten beine
den arm spür ich
in manchen kurven


noch immer kotzt ihr mich an
firmengewichste lakaien
mit billigen pornos
aus sportmagazinen
die säcke füllen sich erst
wenn ihr besoffen seid
und ausgebeutet im tod


vorhänge sacken herununter
schließen die eigne
erbärmliche welt
ab von der anderen
die kaum auszuhalten
und doch blinzelt
neugierig die seele auf meine
lange nase


und nur mehr fähig
kartoffel zu sehen und zu
beschimpfungen


menschen der raumgewinnung
keinen platz zuhaus
und doppelt breite
beine und schultern
in halbleeren zügen


in den comics
die ganze bildung
einer nation
männlich und eigen
bis mit ins grab
die illusion des sieges


fünfzigjährige weiber
ein graus in dem zug
hemmungslos ausgelebt
wird nun das geld
das die säcke in
sturer dummheit erleben
in die schlitze ihrer weiber
stecken sie scheine
so lebt sichs ganz gut


so liest der abgeschlaffte
mann am morgen schon
wichsgeschichten
so spielt das dumme häschen
am morgen schon
die unberührte sau


so lebt ihr vor euch hin
in diesem zug zu blöd
für euch daß ihr euch
nicht vermehrt und
konsumiert
was euch befohlen


und besoffen
wie die letzten schweine
und schamlos
sitzt ihr geilen säcke
verwichst und mit dreckigen
spielen im kopf
und unfähig was sinnvolles
zu fühlen
so fahrt ihr nach hause zu
und glaubt noch immer
der welt und euch selbst
was zu beweisen


so müd macht der sommer
die bilder zu ende
es schwitzt sich der letzte
frust in den leib
bald fallen die blätter
auf modriges gras
es wird um einiges
leichter noch sein


der flaum unterm faltenrock
wippt durch das jahr
haarscharf gemähte
schenkelbahnhöfe
stoßen noch letzte
züge voll neugier aus
die kälte deckt bald alles zu
der schnee darüber
beruhigt


die schönste zeit in dem jahr
kurz vor dem langen sterben
es freuen sich alle
mit mächtiger ruhe
und denken nicht


warum legst du dich zu mir
ich werd dich übriglassen
irgendwann
alleine muß ich warten
auf dem großen platz
wie lange noch
willst du dich vergeuden
ein loch an meiner seite
ist noch frei
es muß das deine sehr bald sein


anstatt im kopf
der ordnung des tages zu dienen
rinnt dir der ganze lebenssaft
in der dämmerung
zwischen die beine


wär dein hirn
so einfach zu bedienen
wie deine fotze
du wärst zufrieden


zwischen deinen beinen
fällt noch kein laub ab
es ist frühling
die äste aber haben ihre blätter verloren
und lassen dich träumen
die wenigen jahre noch


an den angebißnen
bis knapp vor dem roten fleisch
an den abgebißnen
bis ganz tief und eingerissen
deine teuren kleider täuschen nicht
die sprache deiner finger nicht


alle mit den köpfen nach unten
und vor mit geballter kraft
so seid ihr in den krieg durch die länder gezogen
so fährt ihr im zug ohne saft


und drückt nur fest die augen zu
das leben wird nicht besser
und drückt auch fest das arschloch zu
ihr sitzt genug im dreck


in der langen pause
zwischen morgenstreß und
abendlicher entblätterung
trauen sich leute in die züge
kinder alte mütter müßiggänger
die bahn wirft ihren transportpanzer ab
und kleine lücken für höflichkeiten
tun sich unvermutet auf


die arbeitslosen hausfrauen
kreischen konsumneuigkeiten
durchs abteil
unausstehlich wie ihre männer


am sonntagabend trägt
die schiene alle ins bett
millionen die kurzfristg
lebensluft atmeten
vorbereitet für stressige tage


der sonntagsausflug
ein paar stunden im zug
zwei stunden in gruppe gewandert
die heimfahrt
stehend kaputt


die augenwinkel sichten
verstohlen ein andres gesicht
und blöde in dieser stadt
reimt sich ein jeder
seine exotik


unmögliche weiber
kämpfen um geisterplätze
ungeniert lassen sie jeden
anstand
hinter sich


heimatlos sein
euch nur zum teil verstehen
und kämpfen meist gegen
gespenster die freundlich
dir lanzen ins fleisch treiben
manchmal der wunsch
in einem fleisch von euch
endgültig schlafen


herbst auch ihr
werdet sterben
ich seh es besser
kein mitleid mit euch


den stumpfsinn kann niemand
wohlwollend übersehen
auch bei herbstlaub nicht


manchmal möcht auch ich
verfaulen können in dem
herbstlichen plapperlaub
verblühender weiber


jetzt spinnt ihr alle
und ohne hoffnung
dem ende der tage entgegen
je lauter die stimmen
je breiter die beine
die angst rückt ganz nah


in kalter konzentration
verweigert der blick rundherum
nur breite beine
nur könig sein für sich selbst
im krieg haben die alten hier
gemetzelt wie schweine
die jungen scheinen schon wieder
dumm genug
dafür


und soll man sich verbieten
die lust mit halb so alten
man soll und kann ja nicht
und wird so älter drüber


nur in deinem minirock
trinken und schlafen
zu wenig für dich
zu viel für mich


sieht man genauer hin
eure sauberen hemden
sind angetrenzt und
zum kotzen


nicht glauben die weiber
daß kurzberockt sie
auf die schwänze wirken
und blöcken wie schafe
wenn steife männer
winseln


im eilzug
langsame betrachtungen
der äußere putz ist
bei näherem hinsehen
kaputt die schuhsohle
schmutzig das leder
ein faden am saum
wie plötzlich verschwunden


einer der möchte
das leben hier wie
in den bildern davon
könige spreizen die beine
die sklaven gepeinigt im dreck
die zeit dreht sich
und kommt nicht voran
dasselbe auf schienen
aussteigen einsteigen
grins du nur
arschloch der vergänglichkeit
engel des gleichmuts
nach zehn minuten
fällt euch der kopf ins nichts


deinen hauch möcht ich
unbezahlt
und ohne dich zu kennen


irgendwann gehörst du dazu
bist eins geworden mit dem zug
die schiene in den kopf
der rhythmus der gleisnähte
bestimmt deinen gang
jahre sausen an dir vorbei
schicksale sehen
kurze heftigkeiten
von fensterscheiben ferngehalten
lächerlichkeiten in stahl
nachtens rollen stockbesoffene schädel
durch den zug
füße suchen nach den händen
untertags nur fleischtransport
an den endstationen warten ungeduldig
nasse seelen
durchgelegtes fleisch nach schlachtbahnhöfen


wenn ich geil bin
ist es angenehm
von andren körpern
zerquetscht zu werden
wann aber werd ich
jemals im zug


draußen vor mir
der blaue dezember
menschen bewegen sich träge
am sonntag dem abend hin
blüten lange noch keine
liebe in stoischen larven gebannt
zeichen zu viel ohne zweck
ich bin wieder zuhause
neumarkt am bahnhof
wenige leute am zug
sie verstecken bauernhände
in missoni handschuhen
die geschlechter in seide
daran erkennbar
seltsame zeichen
sind ganz normal
einsteigen
abteile unmäßig leer
mangel an menschen
seltsam schwer
stimmenkulissen
neumarkt und mitakadai
punkte am selben meer


ein kind in den wärmenden
hautschutzgeflechten
ein mann spuckt
rotz auf das gleis
bahnhof transitideen
der neue hügel ist in mir
ob das verstehen
ob was wir sehen
ob je ein ort
dort zu sein hat


zuggeilheiten
ein arm drückt sich heran
die nase zieht sich den rotz
ein leben in fotze
nächste station
aussteigen


peitsche mich und schlag
mit den stöckeln ein loch
in den arsch
stülp deine blase
über mich aus
dein dreck auf silberteller
als abendmahl serviert
die löcher blumenvasen
jetzt peitsche mich und schlag
mir solche bilder aus den augen
fallen laß mich und wimmern
ich leck deinen speichel auf
peitsche mich und


die falschen worte zerspringen
in den eiswürfeln im glas
kein gefühl
das in eine ordnung kommt
das grinsen stört
der ernst ein witz


bis eines in sich zusammenfällt
einhundert stockwerke auf ebner erde
bis dahin wird höhe ein lustgewinn sein
fast mögliche spitzen
milchstraßensamen
am ende auf ebner erde
zerdrückte träume
mit einigem fleisch


schulkinder in bildung getaucht
tonnenweis schrott erlernt
schon falln die kirschblüten
wieder ab
der hitze des sommers mit träger
notwendigkeit entgegen


am morgen
häßlich
die ungewaschenen
im mief der nacht noch
einem zu frischen tag
zu


in windeseile
aus dem gestank
der müdigkeit
in den lärm
des wachseins
und gleich schon
kaputt


mit geschlossenen augen
schlafen zu träumen
die qualen des alltags
verschwömmen im raum
doch nur ein augenblick
das licht in der pupille
ihr seid gefangen


warum sind
mittältrige frauen
so grau so gleich so kurzbeschnitten
gleichtönige dauerwellen
das herz auf den kopf gestülpt


nicht lang
währt die lust
von den geilen stöckelschuhen
langsam und zart die naht empor
heimat des feuchten
im saum erspähend
arsch in zwei hälften
geteilt und bereit
brust von armani
dann weiter oben
das aus


zugunfälle
einer hat mich angespuckt
einer hat mich angekotzt
einer hat sich selbst
die lebenssäfte rausgeholt
in all den jahren
nicht grad viel
und wann wird eine


ansonsten seid ihr vollgewichst
und anstandslos im zug
erschütterungen kneten
den saft bis tief ins fleisch


die röcke bis kurz
unter die scham
schamloses fleisch
die säfte in blicke eingesperrt
es fickt sich sehr trocken
im zug


wenn deine lippen
gleichbemalt
wie deine lippen wären
der schwanz bräucht nachher auch
fettstoffentfernertücher
feuchte


im grunde spricht mein haß
nur neid
und ist ein ruhiger see
der meere freiheit träumte mir
ein zug fährt hin und her


so keusch du auch sitzt
im schlaf fällt dein schoß
auseinander
haltung bewahren
mühsame zuckungen
verraten alles
und mehr


die kravatte zu lange
gebunden
bis fast an den schwanz
du hund
lockere sitten im grauen büro


da einer nicht ficken kann
wichst er die automatik
des regenschirms
bis es ihm kommt
es kommt nie
zu blöd zu öd


als spinne am see
kurz wie gedichte die zeit
löchrige leere


deine augen fallen
in das rot deiner lippen
niemand in sicht
der sie rettet


fick tief du fick tief
fick tief du fiktive sau
fiktiv du
fiktiv


die vielen kravattenknoten
tummeln sich unter
den adamsäpfeln
einige schlampig
andere suchen und wissen
nicht was


mit dreißig schon
den frauen schreiben
ringe in die haut
ungelebte lieben
und pressen alle freuden
zu leidenden fratzen


die pflege des faulenden fleisches
hat auch auf den häuten der männer
jetzt reißenden absatz gefunden
wie bin ich nicht gut
gärendes scheißendes pissendes fleisch
verkittet mit edelstem dreck
freiheit der einen
für dummheit der andren
und meinen sack
noch schnell parfümiert


um einmal eine frau
um einmal eine sau
um einmal eine haut
ganz ohne geld und alkohol
da setzt sich ein versklavter schwanz
mit gut trainierter arroganz
so nahe an das mädchen
eijakuliert ein bißchen
in seinem hinterkopf
und hohl


ein arschloch mit telefon
mit den wellen
mit den schienen
doppelt nach hause
ich komm jetzt ich komm jetzt
ich bin schon bald da
kein schmerz in dem
liebesgeflüster
mehr


um 6 uhr am morgen
im november
kalte sonne holt die menschen
aus ihren stickigen
nachtmusiken
atemgestank kleidermief
rot blendet die sonne
gleichgültig alles aus
bis zur nächsten röte
unzählige leben


zwischen nase und lied
in dieser kurzen breite
eine warze erbsengroß
überpudert überludert
die lust das ding
schnell abzureißen
so schnell am morgen
noch vor dem tag


E-mail peter@boz.c.u-tokyo.ac.jp