Renate Weis

gangway #28

Der Uhrturm und sein Schatten

© 2003 by Renate Weis and gangan books australia

 

War der von mir sehr geliebte und oft in der Mittagspause besuchte Uhrturm (die meisten Menschen sagen ohnehin “Schloßberg” zu ihm) einsam? Mag sein, dass man so dachte, ihm helfen wollte und ihm einen Schatten zur Seite stellte. Ich denke, er stand zwar immer allein auf dem Schloßberg, aber von Einsamkeit war keine Rede – sicher kann er gar nicht die Frage beantworten, wie viele Menschen ihn besucht haben, wieviele immer wieder erstaunt sind, dass gerade bei seinem Ziffernblatt der große Zeiger der Stundenzeiger ist ... und wenn auch schon, falls wirklich an Tagen mit Glatteis und Kälte nur der eine oder andere Schloßbergbesucher bei ihm vorbeischaute, was solls, Alleinsein kann manchmal sehr guttun. Von der Ferne betrachtet, ob nun von der Burgruine Gösting, ob von St. Veit, von der Bahnhofgegend, von der Hauptbrücke, dieses Viereckerl gehört zu dem Herzstück der Steiermark – ist seine Seele.

Diese Gedanken waren ganz stark in mir als ich irgendwann gelesen habe, dass der Uhrturm einen Schatten bekommen soll. Häufige Besuche bei ihm haben mir dann ein schwarzes Trumm “Irgendwas” beschert und ich war sehr skeptisch, ob nicht der Schatten mächtiger werden würde, als der Uhrturm selbst.

Alles falsch gedacht. Uhrturm und Schatten sind eins geworden. Angeblich soll der Schatten nach dem Kulturhauptstadt-Jahr nach Seiersberg “überführt” werden. Könnte ich, wie ich wollte, ich würde um ihm kämpfen. Was soll der Uhrturm ohne seinen Schatten? Er wird wie nackt dastehen. Seine wahre Schönheit ist erst durch diesen Schatten zutagegekommen. Ich denke aber auch an den Schatten: es wird ein nichtssagender dunkler Fleck im Süden von Graz sein, der sicherlich an der großen Sehnsucht nach seinem Uhrturm seelisch zugrundegehen wird.

So ist das: da soll sich einer auskennen bei uns Frauen. Zuerst skeptisch. Schatten stellt eine Bedrohung für den Uhrturm dar und dann der Versuch, ihn unter allen Umständen für den Uhrturm zu behalten. Mag sein, dass die Wankelmütigkeit der weiblichen Gedanken eine Rolle spielt – es könnte allerdings auch gut sein, dass “frau”, wenn sie erst mal von einem “Schatten” überzeugt wird, ihn unter keinen Umständen mehr loslassen möchte.

 

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