Irene Kabanyi
Ex tas. Y!© 1997 by Irene Kabanyi and gangan books australia
Stoßen Sie fester!, sagt sie.
Das Kinn in beide Hände gestützt, hat sie ganz nah den Stoff der Bettbespannung vor Augen. Sie kniet, wie eine Katze sich streckt. Er hat sich ihren Arsch als Altar gewünscht, auf dem er nun de Sade als Bibel liegen hat. Sie preßt ihre Scheidenmuskel zusammen und wartet, ob ihn das aus der Zeile wirft. Mit fröhlich getragener Stimme liest er die langweiligste Stelle des Buches.
Die Straße ist sehr dunkel. Der Fahrer hält sich meist auf der falschen Seite. Kurven scheinen ihn zu überraschen. Ein Fußgänger trägt eine kleine, sehr helle Lampe mit hängender Hand.
Lieben Sie mich?, fragt er.
Wieso?
Sie sind sehr gütig zu mir.
Sie schaut ihn an und fragt sich, in wie weit die leichte Hebung der Unterlippe, die sie minutiös spürt, nach außen sichtbar wird. Wahrscheinlich eine Berufskrankheit, antwortet sie ihm.
Manchmal leuchten auf den Hinweistafeln die Straßennummern heller als der andere Text. Durch die Dunkelheit der hohen Bäume läuft das Bild der schwankenden Hochhäuser nach. Eine Flut riesiger Häuser auf papierübersäten Feldern. Wie ein Leuchtturm die digitale Zeitansage, rot, am Dach des ersten Hauses.
Wenn ich mich nach Ihnen sehnen würde, würde ich es nicht sagen. Sehr vernünftig, sagt er.
Schlägt den Mantel eng über seine schmalen Hüften. Geht, ohne daß sie es beobachtet. Geht.
Wie eine Rauchsäule steigt der abgehackte Frauenkörper. Die Geburt der Venus pin up.
Sie sieht in seine Augen und schnell wieder weg. Bedauert, was sie jetzt weiß: Auch Sie werden unter mir leiden. Wieder keine Möglichkeit der Erlösung. Was bleibt:
Bei Ihnen habe ich ausschließlich Lust, so zu sprechen, daß es auch als Zwischentitel für Stummfilme verwendet werden könnte. Die Kastration ist Vorbedingung der männlichen Sexualität, so, wie der Gottesglaube Vorbedingung der weiblichen ist, sagt er.
Das Grün der Ampel läßt eine Flut von Menschen auf sie los. Sie bemüht sich, aufrecht zu gehen, und den Kopf nicht zu senken. Den Daumen der linken Hand um den Griff der Tasche geschlungen, die rechte zur Faust gelegt in der Manteltasche. Der Straßenrand ist kein rettendes Ufer. Der Fotoapparat vor Teilen des Gesichts garantiert für die Dauer, in der er in dieser Position gehalten wird, Niemandsland.
Für Sie scheint Sexualität eine physische Angelegenheit zu sein, sagt er (nachdem er den Schwanz wieder in die Unterhose gesteckt hat), wahrhaftig: Sie stöhnen.
Die Scham, Fotos zu machen, die Dokumente unausweichlichen Leidens sind. Rückzug auf historische Gebäude und die Sehnsucht, die Mentalität einer Fotoreporterin, in chic ausgebeulten Khakihosen, zu haben. Einschließlich der Fähigkeit, alles in drei Minuten sagen zu können.
Er fragt: Warum verbringen Sie Ihre Zeit mit mir? Sie schweigt.
Sie ist fasziniert von der klinischen Sterilität. Das Eindringen wie ein chirurgischer Eingriff. Zumindest müßte der Mann vorher eine Verbeugung machen und seinen Hut ziehen. Um die Form zu wahren.
In diesem Land zu dieser Zeit. Die Erde ist aufgeweicht dunkel und frißt sich in das Leder der Stiefel. Der Himmel ist undurchdrungen blau. Schritte in die fremde Geschichte.
Wir verstehen uns nicht, sagt er.
Unser Mißverständnis ist so offensichtlich, daß ihm die Möglichkeit von Schmerz nicht offensteht, erwidert sie.
Er küßt ihr Haar. Sie entzieht ihm die Stirn. Er ergreift ihre Schultern. Sie läßt sich in seinen Schoß fallen. Er greift unter ihr Kleid. Sie verbietet derart demütigende Handlungen. Er streichelt ihren Nacken. Sie zieht die Beine an sich.
Ich halte viel von Ihnen, sagt er.
Lassen Sie das, sagt sie.
Die Dunkelheit kommt früh und sie schläft lang. So bleiben ihr täglich etwa fünf Stunden Tageslicht. Sie spürt das in einer Müdigkeit, die bald auch chemisch nicht mehr aufzuhalten ist. Der Lebensmut weiß nicht, woran er sich halten soll. Verschwindet unbemerkt.
Ihre Melancholie scheint größer zu sein, als es die Ästhetik fordert, sagt er.
Seien Sie nicht idiotisch!, fordert sie. Ihn entzückt die männliche Derbheit des Ausdrucks. Sie verbietet ihm weitere Fragen nach ihrem Empfinden mit der Begründung zu großer Intimität.
Die festen Regenschnüre entziehen dem Himmel das Blau. Machen Brei aus dem Boden. Guten, griffigen, saftigen Brei, der zum wälzen einlädt, und zum sich vergessen.
Manchmal brauchen die Gedanken eine stabile alte Steinmauer, weiß gekalkt, an der sie Halt finden. Die nimmt nicht nur die Schultern auf, sondern auch die Stirn.
Ich habe Angst zu ersticken, sagt er (als sie auf ihm liegt), bitte tun Sie das nicht. Ich habe Angst, daß ich Sie nicht mehr mögen könnte. Sie lacht ihn aus. Rollt von ihm herunter. Sie dreht ihm den Rücken zu und läßt ihr Fleisch an seinen Knochen. Sie spürt, daß sie ihn fängt damit. Sie hat keinen Platz für Beute. Sie greift nach seinem Schwanz, der erfreulich schnell hart wird. Bringt sich in günstige Relation zu dem großen Stück. Er legt mit Hand an. Ein kurzer Ruck, und drin ist er.
Langsam setzt sie den Stiefel, mit dem Absatz voran, tief in den Bodenbrei. Verstärkt den Druck. Sieht die Lehmwülste sich das Leder entlang winden. Läßt den ganzen Fuß verschwinden, ganz langsam, als würde sie die Sekunden zählen, die das dauert. Sucht nach größtmöglicher Verzögerung. Denn jede Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe, Ewigkeit.
Von hinten greift er nach ihren Brüsten. Fester soll er zugreifen. Nur gute, feste Griffe. Nur Bewegungen ohne Fragen. Sie umschließt seine Hände, die sich in ihr Schamhaar vergraben haben. Sie wölbt den Rücken. Andächtig läßt sie sich am Körper des Mannes entlanggleiten.
Ihre Augen gehen den Zweigen des Baumes nach. Ein hoher, schmaler, glattgewaschener Baum. Fein modelliert. Die Jahreszeit hat sich erfüllt an ihm. Er hat alles zu bieten, was Natur und Kultur ihm getan haben.
Sie schließt ihre Finger fest ineinander und zieht die Hände nach oben. Ein Brett für ihren Nacken. Irgendwohin mit dem Kopf. Aufgespießt will sie sein. Preßt ihre Schultern hart gegen die Schultern des Mannes. Greift in seine Oberarme. Bohrt sich in seine Brust. Schlägt ihren Hals seinen Hals entlang. Drückt ihr Kinn in seine Schultergrube. Umspannt mit ihren Armen seine Taille und drückt fest zu.
Gehen Schritt für Schritt. Der Lehm trocknet an den Stiefeln. Unbeachtet. Wenn er ganz hart ist, wird er zerfallen. Sich auflösen in winzig kleine Staubpartikel. Die kleinste Bewegung genügt, sie zu entfernen. Sie hält die Stiefel über die Waschmuschel. Stößt mit dem spitzen Ende der Bürste gegen die besonders großen Wülste. Die fallen in großen Brocken, die das Wasser, das sie darauf rinnen läßt, wieder geschmeidig machen. Ein kleines Rinnsal von Sand, das sich dem Abfluß zuwindet.
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