Neue Literatur aus Österreich
Incentives - Neue Literatur aus Österreich
readme.cc eröffnet einen mehrsprachigen Zugang zur neuesten österreichischen Literatur. In Kooperation mit dem Literaturhaus in Wien bietet die Leseplattform Einblick in das aktuelle literarische Geschehen des Landes.
LiteraturjournalistInnen und WissenschaftlerInnen stellen aktuelle Neuerscheinungen vor, Leseproben vermitteln kurze Einblicke in die jeweiligen Texte, Kurzporträts der Autorinnen und Autoren ergänzen das Bild.
Das Informationsangebot steht derzeit in fünf Sprachen zur Verfügung: Deutsch, Englisch, Französisch, Tschechisch und Ungarisch.
Das Projekt will zur Internationalisierung österreichischer Literatur beitragen bzw. zur Übersetzung aktueller Texte anregen.
Durchführung: Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur (Rezensionen, Autorenporträts) – Übersetzergemeinschaft (Übersetzungen) – readme.cc (Infrastruktur).

Neue Literatur aus Österreich drucken
[ Buchtipp von Incentives ] 99 Briefe an einen namentlich nicht genannten Adressaten umfasst Friederike Mayröckers jüngste Buchpublikation mit dem verheißungsvollen Titel Paloma. Der hier als „lieber Freund“ präsentierte Empfänger ist Eingeweihten allerdings kein Unbekannter. Dem Lebensmenschen und dichtenden Alter Ego, dem zu früh verstorbenen und doch nicht abwesenden Ernst Jandl ist dieser literarische Liebesmonolog gewidmet, der freilich stets dialogisch zu denken ist.
Freimütig berichtet die Verfasserin von der alltäglichen Furcht, den Verstand zu verlieren oder gar die Schaffenskraft einzubüßen. Paloma handelt vom mühevollen Prozess des Alterns und Abschiednehmens, ohne indes nach beschönigenden Floskeln zu suchen. Es gibt, wenn der so genannte Lebensabend in die Lebensnacht übergeht, viel Erinnerung, doch wenig Trost, und es bleibt, wenn wir – wie Mayröcker – Glück haben, eine Leidenschaft, in der sich Leben und Schaffen auf ewig miteinander verbündet haben. Nichts könnte diesen Hunger eindrücklicher vor Augen führen als die pointierte Antithese „es geht zu Ende, es ist ein lieblicher Frühling“.
Ein elegischer Unterton begleitet fraglos diese Briefe, auf die nur eine Antwort zu erwarten ist, nämlich die eines Publikums, das nicht nach kurzweiliger Lektüre lechzt, sondern bereit ist, sich auf Krankheit, Einsamkeit und Verlust wenigstens literarisch einzulassen. Denn die Autorin übt sich nicht in diskreter Zurückhaltung, vielmehr wagt sie es, ihren Ängsten und Gebrechen einen Namen zu geben.
Das Schwere und Leichte scheinen sich in diesem Band die Waage zu halten. Menschen und Bücher fallen dabei maßgeblich ins Gewicht, allen voran der Freund, der zugleich der liebste und teuerste ist. Wenn Mayröcker in ihrem schemenhaften Erzählgestus auf André Bretons Briefe an Gala oder Petrarcas Liebesgedichte an Laura verweist, dann deutet sie damit an, was wir längst ahnen: dass die anrührende, zarte Prosa von Paloma Zeugnis ablegt von einer Zuneigung, deren Ausschließlichkeit schlichter nicht umschrieben werden könnte: „[...] Niemand wird je SEINE Stelle einnehmen können und dürfen.“
Rezension von Walter Wagner, Februar 2009
Originalversion: http://www.literaturhaus.at/index.php?id=2027
[ Info ] Mayröcker, Friederike: Paloma.
(original language: Deutsch)
Suhrkamp Verlag,
Frankfurt/Main, 2008
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ISBN: 978-3-518-41956-4.
Dieses Buch ist ...
Genre: Anderes
Sprachen (Buchtipp): Deutsch, Französisch, Tschechisch, Ungarisch, Englisch