Neue Literatur aus Österreich

Incentives - Neue Literatur aus Österreich

readme.cc eröffnet einen mehrsprachigen Zugang zur neuesten österreichischen Literatur. In Kooperation mit dem Literaturhaus in Wien bietet die Leseplattform Einblick in das aktuelle literarische Geschehen des Landes.

LiteraturjournalistInnen und WissenschaftlerInnen stellen aktuelle Neuerscheinungen vor, Leseproben vermitteln kurze Einblicke in die jeweiligen Texte, Kurzporträts der Autorinnen und Autoren ergänzen das Bild.

Das Informationsangebot steht derzeit in fünf Sprachen zur Verfügung: Deutsch, Englisch, Französisch, Tschechisch und Ungarisch.

Das Projekt will zur Internationalisierung österreichischer Literatur beitragen bzw. zur Übersetzung aktueller Texte anregen.

Durchführung: Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur (Rezensionen, Autorenporträts) – Übersetzergemeinschaft (Übersetzungen) – readme.cc (Infrastruktur).

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Fütter mich

Travnicek, Cornelia

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[ Buchtipp von Incentives ] Sie dachte an das Erstaunen der Kinder, dass es ausreichte, einen der großen Granitsteine mit einem Finger zu berühren. Mit einer Kinderhand. Und schon kam alles ins Wanken.

Die Welt der Figuren in Cornelia Travniceks neuem Erzählband Fütter mich ist aus dem Lot geraten. Der Schleier ist zerrissen, die glatte Fassade zerbrochen, sie stehen vor dem Abgrund. Sie kämpfen, um das Gleichgewicht wieder zu gewinnen, doch kommt die Bedrohung nicht von außerhalb, sie sind es selbst. Das Schlachtfeld ist der Körper, der eigene oder der des Anderen. Mit erschreckender Unschuld quälen sie ihn, grausam wie Kinder beim Spiel, jenseits von Gut und Böse.

Die so beklemmende wie faszinierende Atmosphäre der Verunsicherung, des Unheimlichen, ist Travniceks Sprache geschuldet. Sie schreibt eine minimalistische Prosa, klar und lakonisch, doch zugleich geheimnisvoll, in der das Ausgesparte, das Unsagbare mächtiger wird als das geschriebene Wort. Sie zielt nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Verborgene.
Das Vage, das Tastende, das Rätselhafte wird nicht aufgelöst, sondern bleibt dem Leser aufgegeben. Auch nach wiederholter Lektüre bewahren die Erzählungen ihr Geheimnis, geben sich nicht preis. Und der Leser stellt keine Fragen, er will lieber nicht - er muss auch nicht alles wissen, denn Travnicek zwingt ihn nicht in die Position eines Voyeurs wider Willen. Travnicek rückt ihren Figuren nicht zu Leibe, sondern wahrt Distanz. Die Sparsamkeit ihres Stils hat nicht mit Wortkargheit zu tun, sondern mit Taktgefühl.

So bedrohlich und makaber Travniceks Erzählungen auch sind, sie haben dabei etwas Tröstliches und Ergreifendes. Denn in dem „Verbergen der Geschichte liegt auch Geborgenheit“, so schreibt Judith Hermann über Raymond Carvers Erzählungen, und für Travniceks gilt dasselbe. Es ist die Liebe zu den Wörtern, die den Schrecken, der in den Erzählungen lauert, einschließt und bewahrt – weit über die Lektüre hinaus. Wer liest, um kurzweilig unterhalten zu werden, um von sich abzusehen, der sollte Fütter mich daher ungeöffnet beiseite legen. Wer aber liest, um nachhaltig aufgestört und in  Bann gezogen zu werden, dem seien diese Erzählungen besonders empfohlen.

Kurzrezension von Martina Wunderer, 16. Sep. 2009
Originalversion: http://www.literaturhaus.at/index.php?id=7204

[ Info ] Travnicek, Cornelia: Fütter mich. (original language: Deutsch) Skarabaeus, Innsbruck, Wien, Bozen, 2009 (ja). ISBN: 978-3-7082-3272-0.


Dieses Buch ist ...

Genre: Roman
Sprachen (Buchtipp): Deutsch, Englisch, Französisch, Tschechisch, Ungarisch


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