Neue Literatur aus Österreich

Incentives - Neue Literatur aus Österreich

readme.cc eröffnet einen mehrsprachigen Zugang zur neuesten österreichischen Literatur. In Kooperation mit dem Literaturhaus in Wien bietet die Leseplattform Einblick in das aktuelle literarische Geschehen des Landes.

LiteraturjournalistInnen und WissenschaftlerInnen stellen aktuelle Neuerscheinungen vor, Leseproben vermitteln kurze Einblicke in die jeweiligen Texte, Kurzporträts der Autorinnen und Autoren ergänzen das Bild.

Das Informationsangebot steht derzeit in fünf Sprachen zur Verfügung: Deutsch, Englisch, Französisch, Tschechisch und Ungarisch.

Das Projekt will zur Internationalisierung österreichischer Literatur beitragen bzw. zur Übersetzung aktueller Texte anregen.

Durchführung: Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur (Rezensionen, Autorenporträts) – Übersetzergemeinschaft (Übersetzungen) – readme.cc (Infrastruktur).

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Die ganze Wahrheit

Gstrein, Norbert

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[ Buchtipp von Incentives ]
"Wahrheit ist etwas Relatives.
Und die ganze Wahrheit erst recht.
Es gibt eine ganze Menge Versionen davon.
Manche von ihnen werden von Anwälten beschützt, andere von Priestern."

Norbert Gstreins jüngster Roman "Die ganze Wahrheit" ist fest in der Wirklichkeit verankerte Fiktion. Es geht um Wahrheitsversionen und Weltinterpretationen, religiöse wie profane, und die Handlung hat zahlreiche Parallelen in der außerliterarischen Realität des Literaturbetriebs: Der ältere Verleger Heinrich Glück heiratet in zweiter Ehe die junge hübsche Dagmar, die nach seinem Tod ein gelinde gesagt eigenwilliges Buch darüber schreibt. Schon im Grundmotiv – und ebenso in zahllosen Details – spiegeln sich Fakten, Mythen und Gerüchte rund um den früheren Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld und seine zweite Frau Ulla Berkéwicz, die einige Jahre nach dem Tod ihres Mannes ihr Trauerbuch "Überlebnis" veröffentlichte.
"Die ganze Wahrheit" einfach nur als Schlüsselroman zu lesen greift aber zu kurz. Norbert Gestrein treibt vielmehr ein raffiniertes Spiel auf mehreren Ebenen. Als Ich-Erzähler fungiert ein ehemaliger Verlagslektor, der sich wegen ihres "Sterbebuchs" mit seiner Verlegerin entzweit hat. Statt dem Tod will er nun das Leben des Verlegers Heinrich Glück verewigen. Allerdings geht es dabei kaum um den Verleger selbst, sondern vielmehr um seine Witwe, ihren Lebenswandel, ihre Obsessionen, ihren Umgang mit dem Verlag und seinen Angestellten und ihre Weltsichten und Lebensein-stellungen.
Die Figur Dagmar ist nicht eben sympathisch, aber durchaus facettenreich. Femme fatale mit esoterischem Einschlag und intriganten Machtallüren, aber doch auch eine, mit der man sich unterhaltsam Nächte um die Ohren schlagen kann.
Erzähler und Autor dürfen wir nicht gleichsetzen, das wissen wir, und so kann der Autor seinen Ich-Erzähler allerhand anstellen und sagen lassen, was er mit eigenem Namen vielleicht nicht unterschreiben würde. Vielleicht aber doch. Und das ist ja das Schöne an diesem Spiel. Die Membranen sind durchlässig. So etwa, wenn schon auf den ersten Seiten der gefürchtete Anwalt des Verlagshauses thematisiert wird und der schreibende Lektor überlegt, Schauplätze und Umstände des Geschehens zu verändern, schließlich aber den Verlag in Wien "belässt" und selbstsicher meint, er habe sich schon abgesichert.
Was tun mit dem Roman?
Ganz einfach: Lesen!

Kurzfassung der Rezension von Sabine Dengscherz, 9. September 2010
Originalversion: http://www.literaturhaus.at/index.php?id=7683

[ Info ] Gstrein, Norbert: Die ganze Wahrheit. (original language: Deutsch) Hanser Verlag, München, 2010 . ISBN: 978-3-446-23549-6.


Dieses Buch ist ...

Genre: Roman
Sprachen (Buchtipp): Englisch, Deutsch, Französisch, Tschechisch, Ungarisch


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