Neue Literatur aus Österreich
Incentives - Neue Literatur aus Österreich
readme.cc eröffnet einen mehrsprachigen Zugang zur neuesten österreichischen Literatur. In Kooperation mit dem Literaturhaus in Wien bietet die Leseplattform Einblick in das aktuelle literarische Geschehen des Landes.
LiteraturjournalistInnen und WissenschaftlerInnen stellen aktuelle Neuerscheinungen vor, Leseproben vermitteln kurze Einblicke in die jeweiligen Texte, Kurzporträts der Autorinnen und Autoren ergänzen das Bild.
Das Informationsangebot steht derzeit in fünf Sprachen zur Verfügung: Deutsch, Englisch, Französisch, Tschechisch und Ungarisch.
Das Projekt will zur Internationalisierung österreichischer Literatur beitragen bzw. zur Übersetzung aktueller Texte anregen.
Durchführung: Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur (Rezensionen, Autorenporträts) – Übersetzergemeinschaft (Übersetzungen) – readme.cc (Infrastruktur).

Neue Literatur aus Österreich drucken
[ Buchtipp von Incentives ]
Das österreichische Biotop scheint immer die richtige Feuchte für unheilvolle Symbiosen zu haben. Wer sich für einige Ansichten inzestuöser Hasslieben den Blick in die Politik- und Medienlandschaft ersparen will, für den gibt alternativ die Literatur einiges her: Das Geschwisterpaar Nähe und Enge spielt aktuell in Linda Stifts neuem Roman „Kein einziger Tag“ eine Hauptrolle.
Um Geschwister im eigentlichen Sinn geht es auch: Paul und Paco waren sogar einmal zusammengewachsen. Als siamesische Zwillinge geboren, war der zurückhaltende Paul heilfroh, dem Bruder durch die trennende Operation entkommen zu sein. Paco hingegen, eine ausufernde, laute Persönlichkeit, hat das nie ganz verkraftet. Ihr Erwachsenendasein gestaltet sich als ständiges Räuber-und-Gendarm-Spiel: Paul baut sich fern seines Bruders eine Existenz auf, bloß um dann, wenn dieser ihn wieder einmal aufgestöbert hat, panisch die Zelte abzubrechen. Und jetzt ist es wieder einmal so weit. Dabei hatte Paul es sich gerade gemütlich eingerichtet – ein kleines Geschäft, sogar eine Freundin.
Wenn Paco plötzlich wieder raumgreifend in Pauls Leben steht, dann geht mit dieser Aufdringlichkeit eine deutliche Note abstoßender Körperlichkeit einher. Denn der Ekel ist bei Stift der stille, aber allgegenwärtige Grundton jeder Beziehung.
Paul ist aber nicht bloß das Opfer. Er hält im Keller ein „Tier“ versteckt. Es ist blond und trägt Strickjacken; eigentlich wollte Paul es ja gleich, nachdem er es gefangen hatte, wieder freilassen. Dann hat er aber irgendwann den richtigen Zeitpunkt versäumt …
Nicht nur hier, aber hier besonders hat der geprüfte Österreicher das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Auch um Paul tun sich immer mehr Abgründe auf.
Linda Stift kennt ihren literarischen Bezirk genau. Ihre Bücher sind exakte Beobachtungen privater Befindlichkeiten, und wenn man will, auch gesellschaftlicher Psychologien. Und wie das in der Psyche so ist: Da wie dort lauert immer auch etwas Dunkles unter dem Teppich.
Kurzfassung der Rezension von Bernhard Oberreither, 29. März 2011 Originalversion: http://www.literaturhaus.at/index.php?id=8831
[ Info ] Stift, Linda: Kein einziger Tag.
(original language: Deutsch)
Deuticke im Paul Zsolnay Verlag,
Wien, 2011
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ISBN: 978-3-552-06160-6.
Dieses Buch ist ...
Genre: Roman
Sprachen (Buchtipp): Englisch, Deutsch, Französisch, Tschechisch, Ungarisch