Neue Literatur aus Österreich
Incentives - Neue Literatur aus Österreich
readme.cc eröffnet einen mehrsprachigen Zugang zur neuesten österreichischen Literatur. In Kooperation mit dem Literaturhaus in Wien bietet die Leseplattform Einblick in das aktuelle literarische Geschehen des Landes.
LiteraturjournalistInnen und WissenschaftlerInnen stellen aktuelle Neuerscheinungen vor, Leseproben vermitteln kurze Einblicke in die jeweiligen Texte, Kurzporträts der Autorinnen und Autoren ergänzen das Bild.
Das Informationsangebot steht derzeit in fünf Sprachen zur Verfügung: Deutsch, Englisch, Französisch, Tschechisch und Ungarisch.
Das Projekt will zur Internationalisierung österreichischer Literatur beitragen bzw. zur Übersetzung aktueller Texte anregen.
Durchführung: Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur (Rezensionen, Autorenporträts) – Übersetzergemeinschaft (Übersetzungen) – readme.cc (Infrastruktur).

Neue Literatur aus Österreich drucken
[ Buchtipp von Incentives ]
„Jáchymov“ ist eine Dreiecksgeschichte. Die Ecken bilden – in einem gut konstruierten Spannungsverhältnis, das bis zur letzten Buchseite hält – Bohumil Modrý, Blanka Modra und Anselm Findeisen. Erstere sind historische Personen, letzterer eine Romanfigur. Der Wiener Kleinverleger Anselm Findeisen und die Tänzerin Blanka Modra begegnen einander zufällig. Findeisen sucht in einem Kurhotel im tschechischen Jáchymov Linderung seines Morbus Bechterew, ohne zu wissen, welcher Ort des Grauens dieser tschechische Stützpunkt ehemals war. Die Tänzerin beginnt, ihm ihre Geschichte zu erzählen, beziehungsweise das Leben ihres Vaters, das sie immer begleitet hat. Als Tragödie.
Bohumil Modrý war Tormann der tschechoslowakischen Eishockey-Nationalmannschaft und seit den Dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein Star. Als Sportler hatte er alles erreicht, und dennoch haben ihn die Erfolge nicht vor der Willkür der Kommunisten geschützt. „Die ganze Nationalmannschaft ist verhaftet worden.“ Und warum: „Wer nach 1948 durch eigenständiges Denken auffiel, kam ins Gefängnis“, wie Eduard Goldstücker oder Václav Havel. (S. 56, 57)
Bohumil Modrý wurde verhaftet, in das Arbeitslager von Jáchymov deportiert und fünf Jahre unter den katastrophalsten Bedingungen gehalten wie ein Tier. Auch bei den Foltermethoden waren die Kommunisten teuflisch einfallsreich.
Seiner Familie, nämlich seiner Frau Erika und der Tochter Blanka, die die Geschichte dem Verleger erzählt und ihm zuletzt als Manuskript übergibt, bleibt in der Folge nichts anderes, als dem Ehemann und Vater beim elenden Sterben zuzusehen. Später macht Blanka Modra dem Autor Josef Haslinger die Prozessakten zugänglich und erlaubt ihm, aus den Gefängnis- Briefen ihres Vaters zu zitieren.
Der Roman beginnt mit einem Zitat Radka Denemarkovás: „Sie haben sich von der Räudigkeit der Nazis anstecken lassen, ohne sich dessen bewusst zu sein.“ Haslinger belegt die Behauptung ein ganzes Buch lang und stellt die Stalin-Vasallen in das richtige Licht. Der Roman ist eine tour d’ horizon durch den gesamten Nachkriegs-Ostblock.
Josef Haslinger hat dabei das private Detail in das historische Ganze gefügt und eindrucksvoll nachgezeichnet, mit welcher Wucht „die große Politik“ das persönliche Glück oder Unglück bestimmt.
Kurzfassung der Rezension von Janko Ferk.
Originalversion: http://www.literaturhaus.at/index.php?id=9087
[ Info ] Haslinger, Josef: Jáchymov.
(original language: Deutsch)
S. Fischer,
Frankfurt/Main, 2011
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ISBN: 978-3-10-030061-4.
Dieses Buch ist ...
Genre: Roman
Sprachen (Buchtipp): Deutsch, Englisch, Französisch, Tschechisch, Ungarisch