Nick Cave: Der Tod des Bunny Munro

Am Ende seines zweiten Romans dankt er Kylie Minogue und Avril Lavigne, "denen meine Verehrung und mein Respekt gelten" und bittet sie um Verzeihung. Das ist eigentlich das Mindeste, was Nick Cave tun kann, denn zuvor hat er seinen Anti-Helden Bunny Munro durch einen Trip sexueller Obsessionen gejagt, bei dem die "wachsenthaarte Muschi" von Madonna, das "Wallhalla aller Vaginas" von Avril Lavigne und Kyle Minogues Hit "Spinning Around" tragende Rollen übernehmen. Gerade Kyles "orgiastischer Lobgesang auf den Arschverkehr" und deren "Hinterbacken in goldenen Hotpants" beflügeln seine Phantasien derart, dass Bunny, der Handelsvertreter für Kosmetika, sich nur noch wie ein Karnickel rammelnd von Haustür zu Haustür fortbewegt
"The sexual obsessions that go through the male brain are a kind of mind static,” sagt Autor und Rocksänger Nick Cave dazu. "A man thinks about unreal figures like Kylie and Avril to keep more terrifying thoughts at bay. Like love and intimacy." Immerhin hat Cave im Duett mit Kyle Minogue 1995 erfolgreich "Where The Wild Roses Grow" gesäuselt, sie wird ihm schon verzeihen: "I´ve sent her a letter of apology for this book. I’ve written one to Avril Lavigne — I don’t know where to send it, because I don’t know Avril Lavinge. But it would distress me if she was offended."

Doch jenseits dieser ironischen Seitenhiebe präsentiert Cave im Grunde eine traurige Geschichte um einen verzweifelten Mann, der in einem Strudel aus Sex, Drogen und Gewalt untergeht und dessen Tod vorgezeichnet scheint. Der Familienvater Bunny wird alles verlieren: seine Frau die sich das Leben nimmt, weil er sie ständig betrügt, seinen cholerischen, sterbenskranken Vater und seinen kleinen Sohn, der ihn sehr liebt und der zwar bei dem Autounfall, bei dem Bunny stirbt, überlebt, aber fortan allein und verlassen einem ungewissen Schicksal entgegensieht. Bunny geht wie hypnotisiert auf seinen Höllentrip, ein moderner Ritter der traurigen Gestalt, dessen Libido ihn in den Abgrund zieht: "Ich bin verdammt", denkt Bunny Munro in jenem plötzlichen klaren Moment, der denen vorbehalten ist, die bald sterben werden." So beginnt der Roman und 300 Seiten später steht er vor seinem persönlichen Jüngsten Gericht und geht nochmals durch das Fegefeuer seines Lebens. Da wird Cave, der ansonsten nicht mit Zoten, Paranoia und Horror spart, plötzlich moralisch bis an die Grenze zum Kitsch. Vielleicht hat er dabei an einen Film gedacht, als er Szenen aus dem Leben Bunnys wie im Zeitraffer sausen lässt und Bunny Junior ganz am Schluss mit heroischer Geste aus dem Schmutz aufstehen lässt.

Was an Caves Romanmixtur aus Bukowski und Arthur Miller imponiert, sind vor allem zweierlei Dinge: So kaputt und abstoßend Bunny auch wirkt, Cave denunziert ihn nicht, zeigt eher seine Hilflosigkeit und seine Schwächen. Auch wenn Bunny natürlich ein Ekelpaket ist: "Writing in songs", sagt Cave, "you only have four verses to tell a story or describe some action, so you use archetypes, like Stagger Lee or Orpheus. You can’t really develop a character. But in a novel, you can create a monster."

Die eigentliche Stärke ist Caves Umgang mit Sprache, wobei der wirklich grandiosen Übersetzung von Stefanie Jacobs genug zu danken ist. Drastisch bis zum Exzess, dabei aber erfindungsreich und originell in der Wahl der Bilder und Sprüche, oft amüsant und ironisch, mit unerwarteten Wendungen und präzisen Beschreibungen - so wird dieser grelle Parforceritt des für seine melancholischen Songs bekannten Rockers durch die Unterwelt eines manischen Mannes zu einer literarischen Groteske von außergewöhnlicher Qualität.
Dass Blixa Bargeld, ehemaliges Bandmitglied von Nick Cave & The Bad Seeds, auf 6 CDs in einer gekürzten Fassung in kongenialer Weise Bunnys Trip erzählt, wird nicht nur die Rockfans erfreuen.

Nick Cave: Der Tod des Bunny Munro (Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009, 312 Seiten, 19.95 Euro
Als Hörbuch: HörVerlag, 24.95 Euro

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Mit Texten von Horst Fascher, Lisa Fitz, Chuck Hermann, Jürgen Herrmann, Chris Howland, Klaus Kreuzeder, Gabriele Krone-Schmalz, Uschi Nerke, Abi Ofarim, Brian Parrish, Helmut Schmidt, Manfred Sexauer, Tony Sheridan, Pete York uvm.
Fotos von Bubi Heilemann, Werner Kohn, Ulrich Handl, Rainer Schwanke, Frank Seltier, Günter Zint u.a.