Arno Schmidt & Neil Young mit Pocahontas
Vielleicht der größte Vorteil des Chaosrätselromans „Finnegans Wake“ (kurz FW) von James Joyce ist, daß man darin schlichtweg alles finden kann, bis hin zu einer Spur, die zu einem erst anderthalb Jahrzehnte nach dem FW-Erscheinen geschriebenen Text von Arno Schmidt führt: „By the sinewy forequarters of the mare Pocahontas“. The mare? Ja bzw. nein, es geht hier gar nicht um die rote Prinzessin, die Schmidt so animierte, sondern um eine Stute; genauer gesagt um ein Rennpferd, um eines der bedeutendsten (Pferde können sogar genial sein, das hat schon Musils „Mann ohne Eigenschaften“ bemerken müssen!) der englischen Pferdsgeschichte.
Ich habe zurückgeblättert in FW, in einer seitenlangen Aufzählung daselbst kann man noch um einiges fündiger werden: „The Last of the Fingallians“ lese ich Coopers „Letzten der Mohikaner“ da hibernisiert, und auch Falkenauge ist präsent, als ein Howke Cotchme Eye“. Und wieder anderswo der Autor selbst: „Cooper Funnymore“. Na, und eben die Seelandschaft: „Thonderbalt Captain Smeth and La Belle Sauvage Pocahonteuse“; Joyce kannte die schöne Wilde also aus Broughams Burleske „Po-ca-hon-tas!, or, Ye Gentle Savage“ (1855), jener Parodie auf George Washington Parke Custis’ „Pocahontas Or, The Settlers of Virginia“ (1830), deren französischer Titel „La Belle Sauvage“ ist.
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Und während ich – wir schreiben das Jahr 1987 – am Schreibtisch sitze und für das Arno-Schmidt-Mitteilungsblatt „Der Haide-Anzeiger“ derlei kluge Dinge zusammenschreibe, dreht sich der Plattenteller mit Neil Young & Crazy Horse (sieh an, noch ein Roter!), und wie heißt das Lied? : „Pocahontas“ :
Aurora borealis
The icy sky at night
Paddles cut the water
In a long and hurried flight
From the white man to the fields of green
And the homeland we’ve never seen.
Ich führe kurz den Beweis, daß Young die Schmidtsche „Seelandschaft mit Pocahontas“ kannte, aufmerksam studierte und sie zumindest dieser ersten Strophe zugrundegelegt hat:
AURORA BOREALIS ist das Nordlicht; bei Schmidt: „Oh: n richtiges Nordlicht?!“
THE ICY SKY AT NIGHT ist bei Schmidt „ein Bettiglu [...]. Sie legte sich gleich fröstelnd an mich, lallend vor Schläfrigkeiten“.
PADDLES CUT THE WATER passim bei Schmidt, z.B. so: „ich nahm abwesend wieder das Paddel hoch und mahlte langsam glitzerndes Wasser.“
THE FIELDS OF GREEN ergeben bei Schmidt „n Haufen Grünfutter“ für den Pelz.
AND THE HOMELAND WE’VE NEVER SEEN ist bei Schmidt „das Dritte im Bunde, Home as found“ by Cooper („Funnymore“).
THEY KILLED US IN OUR TIPIS (nun bin ich schon in die zweite Strophe geraten; sei’s drum, erklären wir die Tipis: bei Schmidt finden wir „Eine Wiese [of green!] mit zahllosen Zelten“, und Pocahontas „baute ein rotes Zelt aus ihren Händen“.
Neil Young kennt auch schon die Besetzung, mit der die „Seelandschaft“ dermaleinst verfilmt wird („Marlon Brando, Pocahontas and me“), doch das nur nebenbei. Der Faun (anderswo heißt er Düring und ist der Erzähler von Schmidts „Aus dem Leben eines Fauns“) streunt im Zeltbahnanzug durch die Wälder und denkt sich seinen Teil:
I wish I was a trapper
I would give a thousand pelts
To sleep with Pocahontas
And find out how she felt
In the mornin’ on the fields of green
In the homeland we’ve never seen
Ein Trapper ist ein Pelztierjäger, besser noch ein Fallensteller (wer phlüstert da dazwischen?!), und in manche Falle laufen wir Leser dem Schmidt ja ständig. Und auch Joyce legt Fallen aus, versteckte, unübersehbar: „A crossgrained trapper with nurty odd oogs, awflorated ares, inquiline nase and a twithcherous mouth? He would be“; „and laugh while reading foreign pictorials on clumpstump before door, know as the trap“.
Pocahontas’ „boy friend“ ist mit den Worten von FW ein „trapadour“, aber wer ist der Häuptling, bei wem macht es „king“? ZT-4-Exegeten ran an den Draht!: „The king ist gone but he’s not forgotten“. Darauf reimt sich nicht Schmidt, nicht Joyce.: „This is the story of a Johnny Rotten“.
Arno Schmidts Asche liegt derweil unter dem Felsen, den niemand fortrollt.
Rock and roll can never die
There’s more to the picture
Than meets the eye
Oh rocks!
Friedhelm Rathjen
Beatlemania!

1. Auflage 2010, ca. 140 Seiten, mit über 100 Fotos, Dokumenten u. Faksimiles
ISBN: 978-3-7844-3221-2
19,95 EUR D / 20,60 EUR A / 34,50 CHF (UVP)
LangenMüller
Als sie noch live auftraten, wurden sie von ihren Fans in einem Maße verehrt, wie es keiner anderen Popgruppe je zuteil wurde. Der Kult um die vier Jungs aus Liverpool hält bis heute ununterbrochen an. Die Beatles haben die Musik revolutioniert und die Menschen begeistert. Die Beatles und ihre Fans – das ist ein seit damals andauerndes Liebesverhältnis, fast schon eine Weltanschauung. In diesem aufwändig und liebevoll gestalteten Album wird diese besondere Beziehung dokumentiert – mit vielen raren, zum Teil unveröffentlichten Fotos und Texten. Ein Buch von Fans für Fans.
Mit Texten von Horst Fascher, Lisa Fitz, Chuck Hermann, Jürgen Herrmann, Chris Howland, Klaus Kreuzeder, Gabriele Krone-Schmalz, Uschi Nerke, Abi Ofarim, Brian Parrish, Helmut Schmidt, Manfred Sexauer, Tony Sheridan, Pete York uvm.
Fotos von Bubi Heilemann, Werner Kohn, Ulrich Handl, Rainer Schwanke, Frank Seltier, Günter Zint u.a.