Nicolai Kobus: bracks furcht (John Cale)
brack steht sich mal wieder die beine in den bauch, oder brennt mit beiden füßen löcher in den boden, je nach perspektive, nicht aber nach standpunkt, denn der ist eindeutig: burchard ecke pumpen, dort, wo dieser blutrote, fünfgeschossige backsteinbau keilförmig wie ein schiffsbug in die verkehrsführung getrieben steht. grenzgelände zwischen jugendstil und expressionismus, bildhaftes bauen. brack wartet beflissen, die augen stier auf die tür in der bogeneinfahrt gegenüber gerichtet, von wo aus ihn bald das dunkle tiefe warme bodennah erreichen sollte dürfte müßte. denk gar nicht erst darüber nach, denkt brack, sich weiterhin die beine in den bauch stehend, als gegenüber die tür aufschwingt, sehr kurz ein bleiches handgelenk vor schwarzem hintergrund aufblitzen läßt, bevor sie hydraulisch gebremst, provozierend sanft sich in die wartende angel zurückschmiegt, ohne daß irgend jemand, irgend etwas dem innenliegenden dunkel nach draußen entwischt wäre. brack, in enttäuschter erwartung momentan beleidigt, beharrt dennoch bis auf weiteres auf seiner erwartungshaltung, beziehungsweise fügt sich willig in die haltung des wartens. eine verwischte klavierphrase aus einem der höheren stockwerke, beethoven oder doch chopin, brack ist sich nicht sicher. aber rauchen will er, da ist er sich sicher: brack will rauchen, fummelt tabakbeutel und blättchenpackung aus der gesäßtasche seiner jeans. beidhändig tremor, leichter schweißfilm auf der stirn sowie am haaransatz im nacken, frühtau eines neuen tages, schwammige knie. brack sucht rückhalt an matt glasiertem rotklinkermauerwerk, zwingt sich zu gleichmäßiger atmung mit ungleichmäßigem erfolg. zigarettendreh gelingt dennoch halbwegs passabel, allerdings unter einigem verlust an trockenmasse. streichholz aus der jacke, erleuchtung, inhalation. wirkung fast unmittelbar. schneller wäre nur die verheißung von gegenüber, gründlicher auch, wenngleich der grad an enttäuschung und unbefriedigten zurückgelassenseins, nach abklang der wirkung ungefähr vergleichbar sein dürften, jedenfalls ins verhältnis gesetzt, wo die je eigenen dimensionen doch alle verhältnisse sprengen. die tür gegenüber bleibt schwer und stählern geschlossen. das zurückgelehnte rauchen am klinkerbug geschieht überambitioniert. sehr heißer rauch und übersäuerter tabaksaft im mundraum. jeder atemzug ist schon am äußeren rand der lippenwölbung vergiftet. die schlüssigkeit des verhaltens scheint dennoch organisch, weil vor jedem begriff bereits einer zwanghaften bewegung verhaftet. desweiteren weiter warten. wird sich die tür wieder öffnen, fragt sich brack, ohne die frage wirklich als frage zu formulieren, vielmehr wirft er sie als befehl in den hallraum der bogeneinfahrt gegenüber. nichts an ihm ist mehr geduldig, dennoch gibt er sich vorsätzlich den anschein von gelassenheit. günstiger im sinne einer unauffälligkeit im straßenbild wäre eine art von getriebener geschäftigkeit: bewegungsabläufe, die unmittelbar einen ausgang anlaß grund, wie auch eine direktion somit ein ziel vermuten lassen, aber stets im straßenbild nur äußerst flüchtig in erscheinung treten. bracks zwanghaftes warten passt rein gar nicht ins quartier. trotzdem fühlt er sich halbwegs sicher, da sein verhalten hier zu dieser tageszeit allenfalls exotisch, keinesfalls aber gesetzeswidrig wahrgenommen werden dürfte. bracks unruhe indes hat andere gründe. vor allem die noch immer offene frage, ob die tür gegenüber sich in absehbarer zeit erneut öffnen werde. die frage nach einem vorübergehenden aufgehoben sein, nach einer innigen umarmung, die wenigstens für drei bis vier stunden einen hauch von ewigkeit suggerierte. ferner die dringliche frage nach heimat, die brack aber nur bedenkt, weil sich die tür gegenüber noch immer nicht bewegt. heimat, denkt brack, ist dort, wo man sich beständig auf der flucht sieht. demnach ortsgebundene fluchtbewegung. ein entkommen schlechterdings unmöglich, weil jede fluchtbewegung die ortsgebundenheit an jedem erreichten fluchtpunkt neu installiert, die zu flüchtende heimat also stets mit sich führt. eigentlich, denkt brack, ist es doch die akkumulation an fragen, die einen fertig macht. denk gar nicht erst darüber nach, denkt brack und denkt zugleich, das sei doch ein mehrfach wiederholter spruch von al pacino in irgendeinem dieser mafia-streifen gewesen, an dessen titel er sich nun aber beim besten willen nicht erinnern kann, weil sowohl sein wille wie auch sein erinnerungsvermögen gerade anderweitig besetzt sind. das besetzt sein ist eben das vordringliche problem. die akkumulation bringt dich um. du schaufelst das zeug auf die halde, und mit jeder schaufel gräbst du dir den boden unter deinen füßen weg. sinkst also tiefer und tiefer und wartest schließlich ecke burchard und pumpen darauf, daß gegenüber in der bogeneinfahrt sich eine stahltür öffnet. schon tot, aber noch nicht unter der erde, weil du im sterben die erde unter dir ständig beiseite geschafft hast. aber leben und tod beschäftigen dich ja ohnehin nur in phasen ausnehmender langeweile. denk gar nicht erst darüber nach, dann ergibt das alles irgendwann schon einen sinn, denkt brack und erschrickt, weil er nicht nur für sich gedacht, sondern sich soeben beim lauten selbstgespräch ertappt hat. erneutes zittern, diesmal in einer welle durch den oberkörper. die tür gegenüber noch immer geschlossen. im notfall bleibt ihm noch der hintere eingang zur markthalle nur ein paar schritte von hier. bukowski hatte dort seine legendäre deutschlandlesung mit publikumsbeschimpfung und kühlschrank auf der bühne. heute trifft man an der hintertür mitunter helfende hände, die einem bei fortgeschrittener orientierungslosigkeit ein bißchen die gegend zeigen. brack aber hat noch immer andere pläne, ist noch nicht auf notfall eingestellt, fühlt ein gefaltetes päckchen banknoten in der jackentasche, atmet auf, weil es noch da ist und verfolgt weiter seinen ersten großen tagesplan: das warten auf einen sehr guten freund.
Beatlemania!

1. Auflage 2010, ca. 140 Seiten, mit über 100 Fotos, Dokumenten u. Faksimiles
ISBN: 978-3-7844-3221-2
19,95 EUR D / 20,60 EUR A / 34,50 CHF (UVP)
LangenMüller
Als sie noch live auftraten, wurden sie von ihren Fans in einem Maße verehrt, wie es keiner anderen Popgruppe je zuteil wurde. Der Kult um die vier Jungs aus Liverpool hält bis heute ununterbrochen an. Die Beatles haben die Musik revolutioniert und die Menschen begeistert. Die Beatles und ihre Fans – das ist ein seit damals andauerndes Liebesverhältnis, fast schon eine Weltanschauung. In diesem aufwändig und liebevoll gestalteten Album wird diese besondere Beziehung dokumentiert – mit vielen raren, zum Teil unveröffentlichten Fotos und Texten. Ein Buch von Fans für Fans.
Mit Texten von Horst Fascher, Lisa Fitz, Chuck Hermann, Jürgen Herrmann, Chris Howland, Klaus Kreuzeder, Gabriele Krone-Schmalz, Uschi Nerke, Abi Ofarim, Brian Parrish, Helmut Schmidt, Manfred Sexauer, Tony Sheridan, Pete York uvm.
Fotos von Bubi Heilemann, Werner Kohn, Ulrich Handl, Rainer Schwanke, Frank Seltier, Günter Zint u.a.