Nicola Bardola: Talk Talkbox! (Peter Frampton)


Tochter!
Ich war so alt wie du, als ich diese Platte zum ersten Mal hörte.
Talk!
Talkbox!

Jetzt dreht sie sich wieder.
Woke up this morning with a wine glass in my hand
Whose wine, what wine, where the hell did I dine?
Must have been a dream I don’t believe where I’ve been
Pop. Rock. A & M.
Die Company habe ich selten in meiner Plattensammlung.
Scheiben von Humble Pie mit A & M.
Klar. Da war Frampton ja dabei.
Und bei Herd.
Eine lange Geschichte.

Vor 30 Jahren wollte ich einen Aufsatz über Peter Framptons Do you feel schreiben.
Der Deutschlehrer war okay. Hat mit uns “Abschied von den Eltern” gelesen. So weiß, sag dir, so weiß wie das weiße Doppelalbum.
Unschuldig und traurig.
Hab’s nie getan. Hab den Aufsatz nie geschrieben.
Jetzt ist es Zeit.

Immerhin ist “Comes Alive!” das erfolgreichste Doppelalbum aller Zeiten.
Es heißt, Frampton wollte sich nach vier erfolglosen Solo-LP’s von der Bühne verabschieden. Gibt ein inofizielles Abschieds-Konzert, noch bevor das in Mode kam, und A & M macht sein “Comes Alive!” daraus.
Ursprünglich sollte es nur eine Platte sein, aber nachdem Jerry Moss das Tonband gehört hatte, fragte er: “Wo ist der Rest?” Auf dem Rest war Do you feel.

Dieser Frampton hatte schon Jahre lang guten Blues-Rock gemacht. Davor war er ein Mädchenschwarm. Star einer Flower-Power-Boygroup. Herd heißt Herde. Auf Umschlägen von Mädchenzeitschriften. Aber er hatte die Nase voll vom Herdentrieb. Noch einmal Gas geben und weg.
War zu viel on tour gewesen.
Aber gerade das macht hier die Magie.
Aus Überdruss der größtmögliche Höhepunkt.
Eine einsame Spitze.
Ein abnormer Ausschlag nach oben. Ebbe links und rechts davon.

Frampton steht also auf der Bühne und zieht leidenschaftlich seine Show ab.
Er weiß. Es wird mitgeschnitten. Also: Das Beste als Summe Hunderter Konzerte.
Songs von Something’s happening bis Do you feel.

Talkbox hieß dieses Gerät, von dem wir nichts ahnten, als wir die Platte zum ersten Mal hörten.
Talk!
Talkbox!
Kennt keiner heute.
Merkwürdiges Gerät.
Kein Vocoder. Manche nannten es “Vox Effektbox”.
Ein Pedal auf dem Bühnenboden.
Moderner Blasebalg.
Fundament für die “Voice-Box-Gitarre.”
Technische Spielerei. Erfunden 1973 von Bob Heil für Joe Walsh.
Frampton bekommt seine Talkbox von Heil an Weihnachten 1973 geschenkt.
Hat sich nicht durchgesetzt, das technische Teil. Wie auch.
Peter kommt nämlich, singt und zupft hinein, wie keiner vor ihm, wie keiner nach ihm.
Der erste richtige Talkbox-Einsatz, Framptons Song, ist der Beste und der Letzte, Laurie Anderson, Jeff Beck oder Joe Walsh hin oder her.

Ein Relikt.
Good times.
Ich muss die Nadel wieder heben und von vorne beginnen. Peter spielt zu schnell.
Von vorne!
Ein Konzert. Live. Die Kids stehen da. Mädchen wie du. Mütter inzwischen. Himmeln den Frampton-Engel an. Sieh hin. Klapp das Cover auf. Hochkant. Ein Engel mit Gitarre. Zarte 25 Jahre alt. Und für die Jungs die harten Riffs.

Tochter, weißt du, dass ich einmal einen Tontechniker nach einem Jackson Browne-Konzert nach der Playlist gefragt habe, weil sie über dem Mischpult lag, handschriftlich von JB geschrieben? Der Techniker hat mich angelacht und gefragt: “For your girlfriend?” Ich nickte. “Shure!”, sagte er und schenkte sie mir. Ich hab sie heute noch, diese Liste. Aber dazu ein andermal. Ein andermal zu Engeln, Männern und Frauen.
Jetzt zu diesem Engel.
1975. „Winterland“. San Francisco.

Lass uns einmal da hin pilgern. Ins „Winterland“ in San Fran. Später.
Habe ich dir schon von meinem neuen Plattenspieler erzählt? Marantz. Made 2007.
Turntable.
Von dem Diamanten, der die Rillen abtastet?
Alte Rillen. Neuer Diamant. Alte Rillen. Wellige Scheibe.
Den Staub halte ich vor dem Aufsetzen der Nadel mit einem Samtreiniger ab. Manchmal drücke ich so stark, dass der Teller stoppt. Dann stoppt auch der Mechanismus des neuen Plattenspielers. Der Arm schwebt in der Luft. Alles steht still, bis ich den Druck vermindere, der Teller sich wieder dreht und der Arm weiter schwenken darf, hinein an den Plattenrand, wo die Musik beginnt.
Ich überspringe Lines of my face, okay?
Obwohl es laut Frampton sein Lieblingssong auf der Doppel-LP ist.
Obwohl ich ja auch inzwischen viele “lines” habe.
Lines on my head from that one thing she said ...
Kept on trying, buying time, not waiting on fate ...
Sanft, süßlich, verspielt tingeln Peter und Band über diese Linien. In diesen Rillen. Über das Alter. Über die Zeit.
I somehow got the feeling that I opened my eyes too late ...

Blind bin ich durch die Welt. Blind durch die Liebe. Blind bis zum Schrei.
Tut mir leid.
I saw where you came from, called out your name, but there's no answer ...
Dann steigt der Bass stärker ein. Die Orgel dreht auf. Peter spielt entschlossener. Pause. Ruhe. Nachdenklichkeit.
Innehalten in Framptons Fermate.

Ich trinke einen Schluck in dieser Pause. In dieser Meditation.
Ice in her eyes, frozen tears would never be a surprise
You can't erase a dream you can only wake me up
Oh, wollte ich dir nichts davon erzählen?
Was hilft es, diese Worte zu hören und nichts damit anzufangen?

It don't matter where I live, I still got a house to heat ...
But there’s no answer ...
Das Stück hört ziemlich abrupt auf.
Um der “Toure de force” Platz zu machen, wie der Journalist vom “Rolling Stone” Do you feel nennt.
Flott geht’s los.
Immer dieselbe kleine und nette Tonfolge.
Fast eine Kindermelodie.
Bis der Gesang einsetzt.
Woke up this morning ...
Crisp in der Stimme.
Auf Modern Times wacht Dylan in jedem dritten Song auf.
Trau keinem Song, in dem der Sänger aufwacht.
Dann Framptons Frage: Fühlst du dich so wie ich?
Er meint Einsamkeit. Liebe. Leben.
Frostschäden der Seele.
Alles kondensiert.
Fühlst du dich so wie ich?
Niemand antwortet.
Bis zum Ende nicht.
Niemand antwortet.
Das Publikum schreit zwar und klatscht.
Aber das ist nicht die Antwort.
Es ist die Frage ohne Antwort.
Die beiden Songs auf Side four gehören zusammen.
Do you feel like I do?
Der Text ist nur Vorwand.
Dahinter das Gefühl.
Dazwischen Framptons Soli. Wie aus Humble-Zeiten. Aber das steht auf einem anderen Blatt.
Dann plötzlich Stille.
Framptons Fermaten.
Vollbremsungen.
Nur das Schlagzeug. Die Becken. Orgel, Gitarre - alles gedämpft, aber virtuos.
Gefühle. Zurückgenommen.
Aber sind zurückgenommene Gefühle nicht die stärksten?
Druck und Gegendruck und Emotion.
Das Publikum im “Winterland” klatscht im Rhythmus.
Und Peter fragt wieder.
Do you feel
Das Publikum ruft.
Yeah.
Jetzt fühlen sie vielleicht dasselbe.
Aber dann senkt Peter die Stimme. Er fragt nicht mehr. Er sagt es nur. Einmal nur noch. Und widmet sich dann seiner Gitarre. Spricht nicht mehr. Spielt. Immer schneller. Dann wieder Pausen. Spielt präziser danach. Intensiver. Setzt dazwischen Punkte. Die Meute schreit vor Vergnügen. Sie fühlt, was er fühlt.
Wir sehen es nicht, aber dann schreit das Publikum auf. Es geschieht etwas auf der Bühne.
Das Weihnachtsgeschenk wird aktiviert.
Talkbox.
Jetzt kommt Framptons Stimme durch die Talkbox. Durch den Schlauch. Verschmilzt mit seiner Gitarre. Gesang und Gitarrenspiel werden eins.
So etwas hatten wir Jungs 1976 bis dahin nie gehört.
Dauert alles nur eine Viertelstunde.
Gitarristen haben so Zähne verloren. Oder zumindest Füllungen und Kronen.
Gitarristen sind so mit Gehirnerschütterungen k.o. gegangen.
Peter fragt also nach seiner Talkbox-Bubblegum-Ouvertüre durch den Schlauch, durch seine Stromgitarre hindurch: Do you feel, do you feel like we do?
Klar, jetzt ist er ja zu zweit.
Und es vibriert bis ins Wohnzimmer hinein. Dreißig Jahre später hämmert es hier.
Und du lauschst und lauschst und weißt nicht genau, warum dich dieser Kehlkopfzauber packt. Weißt nicht, wann und wo die Stimme beginnt und wo die Gitarre endet. Wann und wo die Gitarre beginnt und die Stimme endet.
Der Mensch verfremdet.
Mensch und Gerät.
Verzerrter Gesang.
Kratziger Sound.
Sagt Peter etwas?
Oder summt er es nur?
War das ein wütendes Iiii oder ein geschrieenes feel?
Lass dich fallen in den Pausen.
Do you feel?
Es ist ja nur der Wunsch nach einer Welle.
Nach einer ähnlichen Welle.
Nach einer Erschütterung, die einander näher bringt.
Nach Good times.
Bescheidener geht es nicht. Oder?
Hörst du, wie dieser Engel die Saiten zupft?
Wie er Schwingungen verstärkt?
Wie sein Kopf zu platzen droht?
Vor Freude.
Do you feel the good times?
Vor Zorn.
Denn das but there’s no answer von vorhin hallt noch herüber.
Wie er lustvoll und gequält minutenlang durch den Schlauch seufzt und spricht und fragt. Letztlich auch dir zuliebe?
Und dann klatschen sie mit. Eine Weltreise später.
Eine Vereinigung später kündigt sich etwas an.
Kaum auszuhalten.
Zu schön, um von Dauer zu sein.
Zwischenzustand.
Strebt dem Ende entgegen.
Strebt der Erfüllung entgegen.
Weeeeeeeeellll!
Des Engels Mund löst sich von dem Schlauch, gibt die Gitarre frei, gibt die Stimme frei, trennt wieder, was nicht zusammengehört.

Beatlemania!
50 Jahre Beatles! Wir feiern mit einem sensationellen Bildband von Fans für Fans, mit Insider-Stories, fantastischen Fan-Fotos, Dokumenten und Faksimiles.

1. Auflage 2010, ca. 140 Seiten, mit über 100 Fotos, Dokumenten u. Faksimiles
ISBN: 978-3-7844-3221-2
19,95 EUR D / 20,60 EUR A / 34,50 CHF (UVP)
LangenMüller

Als sie noch live auftraten, wurden sie von ihren Fans in einem Maße verehrt, wie es keiner anderen Popgruppe je zuteil wurde. Der Kult um die vier Jungs aus Liverpool hält bis heute ununterbrochen an. Die Beatles haben die Musik revolutioniert und die Menschen begeistert. Die Beatles und ihre Fans – das ist ein seit damals andauerndes Liebesverhältnis, fast schon eine Weltanschauung. In diesem aufwändig und liebevoll gestalteten Album wird diese besondere Beziehung dokumentiert – mit vielen raren, zum Teil unveröffentlichten Fotos und Texten. Ein Buch von Fans für Fans.

Mit Texten von Horst Fascher, Lisa Fitz, Chuck Hermann, Jürgen Herrmann, Chris Howland, Klaus Kreuzeder, Gabriele Krone-Schmalz, Uschi Nerke, Abi Ofarim, Brian Parrish, Helmut Schmidt, Manfred Sexauer, Tony Sheridan, Pete York uvm.
Fotos von Bubi Heilemann, Werner Kohn, Ulrich Handl, Rainer Schwanke, Frank Seltier, Günter Zint u.a.