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Ein Hoch auf Standard & Poor’s

 

Die Rating-Agentur hat gesprochen – und die Träume von einer sanften Umschuldung zunichte gemacht. Hier die Schlüsselpassage aus dem Bericht von S&P:

In brief, it is our view that each of the two financing options described in the FBF proposal would likely amount to a default under our criteria.

Es ist interessant – und für den deutschen Journalismus bezeichnend – wie jetzt überall auf die Agenturen eingedroschen wird. Normalerweise mache ich da gerne mit, aber hier ist es verfehlt. Denn, liebe Kollegen: Ihr habt euch den falschen Bösewicht ausgesucht. Es nützt nichts, auf den Überbringer der schlechten Nachrichten einzuprügeln.

Denn natürlich ist eine Gläubigerbeteiligung ein Default. Dazu braucht man noch nicht einmal Finanzmathematik, es reicht elementare Logik. Die Sache ist doch simpel: Entweder die Gläubiger bekommen das, was ihnen zusteht (kein Default) – oder sie bekommen es nicht (Default). Das Ziel einer Gläubigerbeteiligung ist, dass sie einen Teil der Lasten übernehmen, also nicht das bekommen, was ihnen zusteht. Das bedeutet Default. Punkt.

Diese Analyse steht auch nicht im Widerspruch zu der von Münchau, Kühnlenz und anderen (siehe die hervorragenden Kommentare zu meinem letzten Eintrag hier) vertretenen These, durch das französische Modell werde der Bankensektor geschont. Gemessen an den aktuellen Kursen der Anleihen, in die eine Zahlungsunfähigkeit längst eingepreist ist, kommen die Banken gut weg. Gemessen an dem Szenario, dass Griechenland seine Schulden bedient, werden sie natürlich schlechter gestellt. Das ist, siehe oben, ja der Zweck der Übung. Und für die Rating-Agenturen muss bei der Frage nach dem Default natürlich das zweite Szenario die Referenzgröße sein.

Die Jungs von S&P haben einen Orden dafür verdient, dass sie das Herumlavieren der Politik als solches offenbaren. Entweder wir machen jetzt einen echten Schnitt, sodass sich das mögliche Armageddon an den Finanzmärkten wenigsten auszahlt. Oder wir übernehmen ein für alle Mal die Schulden Griechenlands. Über Euro-Bonds, Zinssubventionen oder was auch immer. Meine Sympathie gilt inzwischen ganz klar der zweiten Variante. Es kann doch nicht sein, dass man wegen der paar Milliarden und nur um ein oder zwei Banken zu bestrafen Europa vor die Hunde gehen lässt.

125 Kommentare

  1.   Rebel

    @ Schieritz und Kühnlenz

    Man sollte öfter nach helfenden Sachverstand fragen und dieser wird kommen.

  2.   f.luebberding

    Schieritz

    Mir ist es ein Rätsel, warum es auf einmal bei den Rating-Agenturen um die Grundsätze elementarer Logik gehen soll. Sie handelten schon immer unter den Bedingungen politischer und betriebswirtschaftlicher Opportunität, die mit der simplen Logik bisweilen bekanntlich auf Kriegsfuß stehen. Niemand hat sie gezwungen, einen Default zu verkünden, auch nicht die Logik. Daher ist es auch absurd, ausgerechnet aus diesem Urteil irgendwelche politischen Schlussfolgerungen abzuleiten. Der Kanonendonner aus NY entspringt nur der Angst um das eigene Geschäftsmodell: Wagt es die EZB wirklich, ihr Rating in irgendeiner Weise zu ignorieren, etwa mit Verweis auf Fitch? Wenn S&P jetzt dem ansonsten üblichen Opportunismus frönen würden, dann hätten sie nur tatsächlich ihre Gláubwürdigkeit eingebüsst. Sie leben ja vom Anschein der „Unabhängigkeit“. Wahrscheinlich glauben sie den Unsinn selbst, dass sie die hohen Priester effizienter Märkte sind. Sie haben tatsächlich nur eine Funktion gehabt: Den Glauben an effiziente Finanzmärkte zu vermitteln und die Abwesenheit der Politik zu legitimieren. Das war ihre Rolle. Dafür wurden sie bezahlt, und zwar nicht schlecht. Das ist natürlich völlig irreal geworden: Es geht nur noch um Politik. Die Rating-Agenturen sind zu Quasselbuden geworden. S&P hat sich mit diesem „Rating“ um ihr Geschäftsmodell gebracht. Niemand wird aus diesem Urteil irgendwelche Schlussfolgerungen ziehen. Sie wollen mit der EZB/Politik offenkundig in die Entscheidungsschlacht ziehen. Aber womit können sie schon drohen? Mit Kugelschreiber und bedrucktem Papier?

    Natürlich kann jetzt die Politik ihre Griechenland Politik ändern, weil diese Witzbolde in NY irgendwelche mehr oder minder plausiblen Erkenntnisse vermitteln. Damit machte sich aber die Politik vollends lächerlich. Das will uns doch jetzt wirklich niemand zumuten, oder? Auch nicht die EZB. In Wirklichkeit ist es völlig egal was die uns so erzählen.

    Das hat sich nur noch nicht herumgesprochen.

    Ich denke, die Analysten sollten sich einen neuen Job suchen und es zur Abwechslung einmal mit Arbeit versuchen.

  3.   HxG

    >Gemessen an dem Szenario, dass Griechenland seine Schulden bedient, werden sie natürlich schlechter gestellt

    Das finde ich nicht so natürlich und gegeben wie hier dargestellt. Ob die Banken im Vergleich zu einer Bedienung der Schulden schlechter gestellt sind, hängt davon ab, wie der Markt die neuen 30-jährigen Griechenlandanleihen nach Ausgabe bewertet.

    Die neuen 30-jähirgen Anleihen sind von Anfang an mit 30% des Gesamtinvestment der Banken (70% der bis 2014 auslaufenden alten anleihen) durch die Staatengemeinschaft garantiert, somit von Anfang an gegen einen 30% Haircut geschützt und diese Risikoabsicherung steigt im Zeitverlauf exponentiell auf 100% des Investments an. Wenn der Markt zu der Einschätzung kommt, dass angesichts dieser Tatsache 5,5-8% ein angemessner Zins ist, so werden die neuen Anleihe nach Ausgabe mit Kurs 100 notieren und die Papiere können nach Ablauf der Sperrfrist (?) verlustfrei gehandelt werden. Es könnte sogar gut sein, dass der Wert der Papiere im Zeitverlauf steigt (da die Risikoabsicherung steigt), bzw. von Anfang an über 100 notiert, wenn die Einschätzung besteht, dass eine alternative Anlage bei gleichem Risiko weniger Zinserträge erwirtschaften würde.

    Meines Erachtens lassen sich alte und neue Griechlandanleihe auf Grund der unterschiedlichen Ausstattung (implizite Garnatie durch Staatengemeinschaft) nicht vergleichen und wie S&P angesichts der schwierig zu bewertenden, dynamischen Risikoabsicherung der neuen Anleihe so schnell zu einer Markteinschätzung kommen kann, kann ich nicht nachvollziehen.

  4.   Bernd Klehn

    „Es kann doch nicht sein, dass man wegen der paar Milliarden und nur um ein oder zwei Banken zu bestrafen Europa vor die Hunde gehen lässt.“

    Es ist richtig, Europa darf nicht vor die Hunde gehen. Aber ein paar Banken müssen, diese können nicht ewig systemrelevant sein. Wenn doch haben die Währungshüter etwas falsch gemacht und dieses befürchte ich.

  5.   matt_us

    Man sieht hier, dass die Ratingagenturen so relevant werden, um Anleihen zu beurteilen, wie ein Kaffeesatzleser, oder ein Tintenfisch, der Fussballergebnisse vorhersagt.

    Wir werden nun innerhalb drei Jahre das Spektakel erleben, dass eine AAA eingestufte Bank kurz spaeter Pleite geht, mit Verlusten fuer Glaeubiger von 80-95%.

    Andererseits, sollten die Kreditagenturen dieser von Mark Schieritz beschriebenen perversen Logik folgen, und ein Glaeubigerbeteiligung als solche werten, (und zum Default erklaeren) auch wenn objektiv betrachtet, doch nur um zusaetzliche Gewinne geht, die sich die Banken freiwillig stellen koennen, wird ein Land insolvent erkaert, obwohl es jederzeit seine Schulden zahlt.

    Es ist sehr wahrscheinlich, dass es keine Glaeubigerverluste geben wird in Griechenland. Obwohl dort die Agenturen einen Default erklaeren. Damit hat sich das Thema Rating Agentur abgehakt. Die machen was sie wollen, und man sollte das Gegenteil dessen tun, was sie sagen.

    Also:

    – Lehman Brothers -> AAA -> wenig spaeter Verluste fuer Glauebiger von 95%

    – Griechenland – > Default -> Wahrscheinlich ist keine Glaeubigerverluste (wie koennte es anders sein, wenn Griechen 80% der Staatsschulden als Spareinlagen in Schweizer Banken haben, zu dem der griechische Staat durch eine adequate Besteuerung jederzeit Zugriff hat?)

    Das ist das schoene an der Eurokrise. Die Irrelevanz und falsche Logik der von Herdentrieben bestimmten Finanzmaerkte, und deren angeblichen objektiven Beurteilungen, wird so langsam jedem bewusst. Man stoert sich ja auch nicht mehr an die Agenturen, die EZB macht es schon lange nicht mehr, und jeder andere Investor sollte es auch so machen.

    Die Finanzpresse stoert sich auch nicht daran was meine Tante Hilda ueber Griechenlandanleihen denkt, also sollte sie auch nicht die Rating Agenturenmeldung verbreiten – hoechstens unter der Rubrik „Humor“ sollten die noch besprochen werden.

  6.   Marius

    „Es kann doch nicht sein, dass man wegen der paar Milliarden und nur um ein oder zwei Banken zu bestrafen Europa vor die Hunde gehen lässt.“

    Ich staune jedesmal, wenn ich solche Sätze lese. Woher nehmen wir die Sicherheit, dass Europa vor die Hunde geht? Und was heisst das eigentlich „vor die Hunde gehen“? Werden wir bei Unterlassung von Transferzahlungen alle in die Steinzeit zurückfallen? Meiner Meinung nach handelt es sich hier um ein Totschlagargument, das bitteschön mal hinterfragt werden darf.
    Frau Merkel hat die Milliardenüberweisungen damit begründet, dass ansonsten die Konsequenzen nicht absehbar sind und man nichts tun möchte, was man nicht absehen kann. Klare Logik! Von meiner Führungselite hätte ich allerdings mutigere und intelligentere Massnahmen erwartet, als unsere Steuermilliarden in ein System zu pumpen, dass so offensichtlich defekt ist. Man wolle sich „Zeit erkaufen“. Was man mit dieser Zeit anfangen möchte, bleibt ein Geheimnis. Was dabei an „ein paar Milliarden“ unerheblich sein soll, kann ich nicht erkennen. Ich würde mir wünschen, dass wenigstens wir Steuerzahler aufmucken, wenn unser Realeinkommen mit jeder Milliarde verschwendeter Transferleistung verringert wird. Wir sollten uns die gegen uns gerichteten Sprachblasen nicht auch noch zueigen machen.

  7.   KHO

    Zitat „Denn, liebe Kollegen: Ihr habt euch den falschen Bösewicht ausgesucht. Es nützt nichts, auf den Überbringer der schlechten Nachrichten einzuprügeln“

    Nun, in der Wirtschaft und bei anderen Systemen mit ‚autokatalytischen Elementen‘ kann man leider den Erzeuger und den Überbringer von schlechten Botschaften nicht voneinander trennen. Hier ist es so, daß allein durch die Vorhersage eines Ereignisses dieses ausgelöst werden kann – besonders wenn die Vorhersage von einer Stelle kommt, denen viele (zu Recht oder Unrecht) Glauben schenken.

    Daher wäre allen Menschen damit gedient, wenn in solchen Fällen die Rating Agenturen entweder ihre Klappe hielten, oder besser, wenn Ihnen niemand mehr folgen würde. Beides leider sehr unwahrscheinlich.

  8.   Kenichi Sonoda

    Zweck einer Rating-Agentur?

    Rating-Agenturen hatten ursprünglich die Aufgabe, Unternehmen objektiv zu bewerten, damit Anleger sich orientieren können. Volkswirtschaften waren hier nicht gemeint. Daher empfehle ich die Agenturen daran zu erinnern, wofür Sie eigentlich ihre Lizenzen erhalten haben bzw den Agenturen zu verbieten, Ratings auf Länder/Volkswirtschaften abzugeben und nicht, Ratings mit Ansage abzugeben, in der Hoffnung, dass sie zu einer Schlagzeile in einer der großen Landeszeitungen bringen.

  9.   egghat

    a) Wenn man die neuen Anleihen mit einem Nominalzins von mind. 5,5%, realistischer eher 6,5% wie die bisherigen Anleihen bewertet (aktuell 11% Rendite), lägen die Kurse bei 50 oder 60% des Nennwerts. Dass S&P da Stop sagt, ist logisch. Wenn die Banken eine 30 jährige Anleihe an der Börse für 50 bekommen, dafür aber in der Umschuldung (oder unter welchem Namen auch immer man das Dingen versteckt) 100 bezahlen, kann das irgendwie nicht stimmen.

    b) Dass Europa nicht vor die Hunde gehen darf wegen ein paar Milliarden: Ack! Nur wäre jetzt „ein paar Milliarden“ zu definieren … Griechenland wäre auch bei einem durch die EU gewährten Nullzins noch nicht aus der Schuldenfalle. Zu einem kompletten Schuldenerlass muss also noch ein dickes Investitionsprogramm kommen (wobei mir auch unklar ist, in welche Bereiche denn investiert werden soll). Ist dafür ein politischer Konsens machbar? 15 oder 20 Milliarden pro Jahr und das (mit Blick auf Ostdeutschland) für mindestens ein, realistischer eher für 2 Jahrzehnte? Ich zweifle. Vor allem ohne Beteiligung der bisherigen Gläubiger halte ich einen Konsens für nahezu ausgeschlossen.

    IMHO braucht Griechenland erst einmal eine Perspektive: Und die heisst

    a) Schuldenschnitt, mindestens um 40%. Danach liegt die Staatsverschuldung Griechenlands wieder unter 100% des BIPs und hat damit ein Niveau, das „verkraftbar“ erscheint. Einen großen Teil der Sanierung zahlt eh schon der Steurzahler, weil 44% der Anleihen im Staatssektor liegen (und auch noch Geld für die nötige Bankenrettung bereit gestellt werden muss)
    b) Massive Sparmaßnahmen im griechischen Staatssektor. Aber bitte nicht weiter quer durch die Bevölkerung, sondern vor allem für die Staatsbediensteten. Das sind nämlich die Menschen mit 50 Jahren Rentenalter und 32 Wochenstunden. Der Rest der Bevölkerung ist weder faul noch reich.
    c) Aufbauprogramm der EU. Sei es Tourismusförderung, sei es Exportförderung, sei es ein Fotovoltaik-Marschallplan.

    Jeder Verzicht auf einen der drei Teile macht die anderen deutlich teurer oder gar unmöglich.

  10.   tomac_stamp

    Ich denke, hier werden irgendwie Äpfel mit Birnen verglichen, bereits vorhandene Griechische Staatsanleihen (sicher Default, wenn Gläubigerbeteiligung) mit neu auszugebenen (sicher so wie Sie es hier schreiben). Aufgabe der Rating-Agenturen ist es aber doch wohl, eine Risikoeinschätzung für potentielle neue Gläubiger zu geben, habe ich das richtig verstanden? Also Kein Default!

    Aber ein wichtiger Punkt wird selten angesprochen: Rating Agenturen geben Risikoeinschätzungen ab, niemand zwing eine einzelne Bank, diese zu Teilen. Der scheinbare Automatismus im System verwundert mich und macht mir Sorgen. Sind die Banken wirklich so dumm, sich völlig Blind auf irgendwelche Buchstaben von S&P (oder anderen) zu verlassen?

 

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