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Das Buch im Buch: William Goldmans Brautprinzessin

von bardola

Alle Kommentare und Anmerkungen zur Kürzung werden rot gedruckt, damit Sie’s sehen. Wenn ich zu Anfang gesagt habe, ich hätte dieses Buch nie gelesen, so ist das die Wahrheit. Mein Vater hatte es mir vorgelesen, und als ich die Kurzfassung machte, habe ich es nur schnell überflogen und ganze Abschnitte gestrichen; sonst habe ich alles so gelassen, wie es bei Morgenstern steht.

Bei der Brautprinzessin handelt es sich einerseits um ein weit verbreitetes Kultbuch, andererseits hat es seine eigentliche Zielgruppe – die Kinder – hierzulande verfehlt. Nur wenige Jugendbuchexperten kennen Simon Morgensterns klassische Erzählung von wahrer Liebe und edlen Abenteuern. Die Brautprinzessin bietet Erwachsenen, aber auch Kindern ab 10 Jahren literarischere Finessen und bewegendere Erkenntnisse als Harry Potter und Artemis Fowl zusammen.
Oder wie es Campino von den Toten Hosen sagt: „ … da steht alles drin, was man über Liebe, Leidenschaft und Sehnsucht wissen muss.“ Aber welches Buch ist gemeint?

Das erzählende Ich im Eingangszitat ist der als Kinderbuchautor gänzlich unbekannte, aber als Drehbuchautor vielfach ausgezeichnete William Goldman. In der Einleitung stellt er sich als Herausgeber des Buches Die Brautprinzessin eines gewissen Simon Morgenstern vor. Goldman berichtet von der Suche in Antiquariaten nach der Brautprinzessin, dem Traumbuch seiner Kindheit. Sein Vater habe ihm Die Brautprinzessin vorgelesen, als William ein kleiner Junge war, so alt etwa wie Williams Sohn jetzt. Seinem übergewichtigen und lesefaulen Sohn möchte William nun Die Brautprinzessin schenken, damit dieser auch in den Genuss dieses packenden und unvergesslichen Romans komme, der die spannendsten Stoffe der Weltliteratur – von den Drei Musketieren und dem Grafen von Monte Cristo über Ivanhoe und Frankenstein bis hin zum Herr der Ringe oder zur Schatzinsel – in sich vereint.

Bücher, die damit beginnen, dass verschwundene oder verlorene Bücher gefunden und wiederentdeckt werden, üben nicht selten eine besondere Faszination auf ihre Leser aus, ob es sich nun um Michael Endes Unendliche Geschichte oder Ruiz Zafon Der Schatten des Windes handelt. Nur gilt es zu bedenken, dass Die Brautprinzessin bereits 1973 verfasst wurde (naja, Simon Morgenstern hat das nationale Meisterwerk seines Heimatlandes Florin – einer Mischung aus Burgund, Flandern und Nirgendwo – offenbar schon im Mittelalter geschrieben), also vor Ende und Zafón und es ist davon auszugehen, dass beide Goldmans Brautprinzessin kannten, bevor sie ihre Romane schrieben. In angloamerikanischen Ländern ist die Brautprinzessin ein moderner Klassiker.

Einleitend erinnert sich der Ich-Erzähler Goldman an seine Kindheit, als ihm sein Vater die Brautprinzessin vorlas. Dieses Buch – das Goldman als Junge nie in Händen hielt – begeisterte Goldman für Literatur. Als er es seinem Sohn schenkt, kann dieser nichts damit anfangen. Daher beginnt Goldman erstmals als Erwachsener selbst mit der Lektüre und bemerkt, dass ihm sein Vater offenbar nur die spannenden Passagen vorgelesen hatte. Also beschließt Goldman, es zu kürzen. Nach dieser Einleitung beginnt das Buch im Buch: „Die Brautprinzessin – S. Morgensterns klassische Erzählungen von wahrer Liebe und edlen Abenteuern – Die Ausgabe der „spannenden Teile“ – Gekürzt und bearbeitet von William Goldman“, worin das phantastische Wechselspiel zwischen Goldman-der-Autor und Goldman-der-Herausgeber fortgesetzt wird. Goldman spielt virtuos mit den Irritationen der Leser. Die Entstehung des Buches, die Editionsfiktion wird laufend kommentiert, ohne dass die Spannung nachlässt. Leser finden hier alles, was ihr Herz begehrt: „Fechten, Ringkämpfe, Folter, Gift, Wahre Liebe, Hass, Rache, Riesen, Jäger, böse Menschen, gute Menschen, bildschöne Damen, Schlangen, Spinnen, wilde Tiere, Schmerzen, Tod, tapfere Männer, feige Männer, bärenstarke Männer, Verfolgungsjagden, Fluchten, Lügen, Wahrheiten, Leidenschaften, Wunder“, wie Goldman selbst zusammenfasst.

Fantasy-Ingredienzien wie Schneesand, Feuersümpfe oder die furchterregenden Niufs (überdimensionierte Nagetiere) sorgen für Action in diesem Märchen, das mit milder Ironie und scharfem Witz die Irrungen der schönsten Frau von Florin, einer Bauerntochter namens Butterblume erzählt. Das Mädchen verliert früh ihren Angebeteten, wird mehrfach von einem bösen Prinzen entführt und mehrfach von einem armen Burschen befreit. Die Geschichte ist hochdramatisch und spannend und Butterblumes Liebeswirren gehen dem Leser zu Herzen. Mehr wird hier nicht verraten. Fest steht aber, dass die Leser Goldmans karikierenden Stil, den Kino-Kitsch und die Klischees zu schätzen wissen, die bewusst eingesetzt werden, um komische Effekte zu erzielen. Literarische Respektlosigkeit, Witz und Intelligenz prägen diesen Roman.

Die Brautprinzessin 1977
Die Brautprinzessin 1977

1977 erstmals auf Deutsch (in der Fantasy-Ecke von Hobbit-Press) erschienen, wurde Die Brautprinzessin von der seriösen Literaturkritik und von der Kinderliteraturkritik fast vollkommen ignoriert. Vielleicht lag das an den Rahmenhandlungen (siehe erweiterte Neuausgabe dt. 2002) und an Goldmans Unterbrechungen seiner eigenen Editionsarbeit, an seinen Gedanken beim Bearbeiten des „Urtextes“. Goldman schaltet sich in die Handlung („Ich bin’s wieder …“) ein, spricht die Leser und mögliche Einwände der Kritik, der Literaturwissenschaft an, reflektiert den Roman, die Handlung und veröffentlicht sogar die Adresse seines Lektors, an den man sich bei gravierenden Beschwerden wenden solle.

Manchmal bittet Goldman die Erwachsenen, wegzuhören und wendet sich direkt und ausschließlich an die Kinder.

Ich will euch nicht erzählen, dieses Buch gehe tragisch aus. Ich sagte schon im allerersten Satz, dass es mein Lieblingsbuch ist. Aber es kommen jetzt eine Menge übler Sachen, auf die Folter seid ihr ja schon vorbereitet, aber es kommt noch schlimmer. Der Tod zieht herauf, und Ihr begreift besser gleich: Es sterben ein paar von den falschen Leuten […] und der Grund ist der: Das Leben ist nicht gerecht. Vergesst den Quatsch, den Euch Eure Eltern erzählen. Denkt an Morgenstern. Ihr werdet zufriedener sein.

Drei Happy-Ends bietet Goldman – obwohl er immer wieder betont, dass das Leben – im Gegensatz zu vielen Geschichten, die in Kinderbüchern erzählt werden – nicht gerecht ist. Daher muss zwischendurch auch ein liebgewonnener Held sterben. Aber auch dafür findet der Autor eine milde und erträgliche Lösung. Das Verlagswesen wird hingegen von Goldman nicht geschont. Sein Spott über Marketingmanager und Lektoren hat jedoch nicht verhindert, dass die Brautprinzessin – zumindest in den USA – nicht nur Kult geworden ist, sondern auch als Kinderbuch Erfolg hat, weil es wie kaum ein anderer All-age-Roman Lust aufs Lesen macht.

Auf der Suche nach einem Etikett für dieses Buch fiel mehrfach der Begriff „Comic-Roman“, weil sich die Pointen jagen und der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind. Die Übertragung höchster Sprechblasenkonzentration in Goldmans epischen Highway hat jedoch keine Nachahmer gefunden. Klaus Modick schrieb: „Goldman ist mit der Brautprinzessin ein Geniestreich geglückt, zumindest aber ein Werk von genialer, literarischer Schlitzohrigkeit.“ Dieses Buch beginnt mit einem Satz, dem viele zustimmen werden, nachdem sie es ganz gelesen oder ganz gehört haben: „Dieses Buch hier ist mir das Liebste auf der Welt.“

William Goldman schreibt seit über vierzig Jahren Bücher und Filmdrehbücher. Er ist zweimal mit dem Oscar ausgezeichnet worden (für Butch Cassidy and the Sundance Kid und All the President’s Men) und dreimal mit dem Lifetime Achievement-Preis für Drehbuchautoren. Sein Marathon Man hat ihn in den Zahnarztpraxen überall auf der Welt berühmt gemacht. Mit der für fast jedes Lesealter geeigneten Brautprinzessin geht Goldman als bedeutendster One-book-crosswriter in die Literaturgeschichte ein.

2. April 2007

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10 Kommentare

  1. B. Schmidt schrieb am April 10, 2007:

    Diese Buchbesprechung paßt kongenial zu Goldmans “Brautprinzessin”. Dem ist nichts weiter hinzuzufügen. Perfekt!

  2. Anonym schrieb am April 19, 2007:

    fein.

  3. Johannes schrieb am April 20, 2007:

    Gibt’s auch als Hörbuch. Sehr zu empfehlen! Nach der Lektüre möchte man sich selbst auf seinen Rappen schwingen und zur Befreiung von Butterblume reiten.

  4. Marianne schrieb am November 29, 2007:

    Tut mir ehrlich leid. Bin voll froher Erwartung an das Buch herangegangen…… und enttäuscht. Vielleicht hätte ich lieber das ausführliche “Original” von “S.Morgenstern” gelesen. Möglicherweise waren es der gehörten und gelesenen Vorschußlorbeeren aber auch zu viele und darum….

  5. froxy schrieb am January 13, 2008:

    Ich muss leider auch sagen, dass ich von dem Buch sehr enttäuscht war. Es war das erste Mal, dass ich ein Buch nicht komplett zuende gelesen habe. Ich hatte einfach keine Freude daran. Obwohl ich denke, dass die Rohgeschichte interessant ist, kann ich mit der Umsetzung nichts anfangen.

  6. Nicole schrieb am March 1, 2008:

    Ich habe es zwar zuende gelesen. Aber ich hätte es viel lieber gelesen wenn sich William Goldman mehr an das Original gehalten hätte. Das heißt jedoch nicht das es mir nicht gefallen hat. Im gegenteil, es ist eines meienr Lieblingsbücher. Jeodch stören mich die ewigen Kommentare von William Goldman.

  7. theobold schrieb am April 3, 2008:

    einfach köstlich !!!
    habe es sofort in meine “lieblingsecke” gestellt.
    super: einen s.morgenstern zu erfinden.
    werde mir auch das hörbuch besorgen und bin schon
    mächtig gespannt …

  8. dolcevita schrieb am April 29, 2009:

    Aber diesen Simon Morgenstern gab es doch gar nicht – woher kommt die Info, dass die Geschichte im Original im Mittelalter geschrieben wurde?
    Verwirrte Grüße….

  9. Nicola Bardola schrieb am April 29, 2009:

    Liebe Dolcevita,
    es handelt sich um eine Herausgeberfiktion. Simon Morgenstern gibt es nicht wirklich. William Goldman macht das so geschickt, dass manche Leser lange an die Existenz Morgensterns glauben. Goldman gibt viele Informationen zu Morgenstern, denen man u.a. entnehmen kann, dass Morgenstern das Buch im Mittelalter geschrieben haben könnte. Aber weil es ein satirisches Märchen ist, kommen beispielsweise auch schon Jeans vor. Die Brautprinzessin macht das möglich und damit deutlich, dass alles erfunden ist. Viel Vergnügen beim Lesen, Nicola

  10. Maria Magdalena schrieb am January 21, 2012:

    Ich habe das Buch in der englischen Version gelesen und habe selten so viel bei der Lektüre eines Buches gelacht.
    Der Sprachwitz des Herrn W. Goldmann ist köstlich.
    Über einige der obigen Kommentare, die lieber das “Original” oder die “Urgeschichte” gelesen hätten, habe ich mich allerdings auch sehr amüsiert.
    The Princess Bride möchte ich meinem Sohn, dem angehenden Filmemacher, aber nicht nur ihm, sondern allen, die sich eine Art kindlicher Phantasie und einen Sinn für spitzbübische Ironie bewahren konnten, wärmstens ans Herz legen.


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