Friedrich Wolf: Schreiben als Klassenkampf
von tergastDie Kunst als Waffe im Klassenkampf. Heute in Zeiten einer neuen Innerlichkeit als kunsttheoretischer Ansatz kaum noch spürbar, war dies in den bewegten 20er Jahren durchaus anders. Sowohl rechts als auch links von der bürgerlichen Mitte benutzten die Autoren Worte als scharfes Schwert.
Friedrich Wolf war einer von ihnen. In seinem Bauernkriegsdrama „Der arme Konrad“ (1924) gibt es eine Schlüsselszene zum Verständnis seines schriftstellerischen Denkens: Die Bauern des Bundschuh ziehen während einer Aufführung des „Ehrsamen Narrengerichts“ ihre Schwerter aus den Narrenpritschen, aus dem ursprünglichen Spiel entwickelt sich also der bewaffnete Aufstand, aus leichter Kunst wird ernsthafter Kampf um Gerechtigkeit und das tägliche Brot.
Das politische Gegenwartsstück war sein Metier und Wolf, 1888 am Tag vor Heiligabend in Neuwied geboren, hat ihm zu großer Wirkung verholfen, weil es aus seiner tiefsten inneren Überzeugung heraus notwendig war. Lion Feuchtwanger sprach dann auch über Friedrich Wolf von der „Einheit des Mannes und seines Werkes“.
Wolfs Sozialisation ist ein wichtiger Hintergrund seiner politisch-gesellschaftlichen Einstellung und seines Engagements als Dichter. Als Truppenarzt im ersten Weltkrieg ist Wolf ganz dicht dran am Elend des sinnlosen Krieges, an Leid und Vernichtung, die politische Großmannssucht hervorbringen kann.
Anders als etwa Ernst Jünger, der das Heroische des Krieges und seiner Kämpfer gestaltet, wird Wolf über diese Erlebnisse zum entschiedenen Kriegsgegner. In expressionistisch geprägten Dramen entwirft er anarchistische Revolutionsutopien und macht darüber hinaus sein Leben zum Stoff für sein literarisches Wirken. Er beteiligt sich am Kampf gegen den Kapp-Putsch, lebt in der Siedlergemeinschaft Barkenhoff bei Worpswede, ist als Arzt für Naturheilkunde und Homöopathie tätig.
Der „Arme Konrad“ ist dann auch Wolfs Startschuss für eine Karriere als erfolgreicher Bühnenautor. Daneben hält er Vorträge als Sexualhygieniker und Sozialmediziner, einer der Broschüren, die unter seiner Verantwortung erscheint trägt den schönen Titel „Dein Magen ist kein Vergnügungslokal, sondern Kraftzentrale“!
Wolf wird schnell zur Symbolfigur der Arbeiterbewegung, tritt der KPD bei und ist in seinem medialen Vorgehen höchst modern, lebt er doch, was heute gerne als „Crossmedialität“ umschrieben und als Erfindung der Jetztzeit gepriesen wird. Neben Rundfunkbeiträgen schreibt er auch noch Hörspiele, treibt den Arbeiterfilm voran und gründet den Spieltrupp Südwest, den er mit eigenen Agitpropstücken wie „Bauer Baetz“ versorgt.
Auch als Redner feiert er große Erfolge, vor allem auch politisch mit Vorträgen wie
„Kunst ist Waffe! Eine Feststellung“.
Die Verschränkung von sozialmedizinischem Engagement und Literatur kommt in seinem erfolgreichen Stück „Cyankali“ (1929) zum Ausdruck, dass sich fast 50 Jahre vor Alice Schwarzer und Co. gegen den Abtreibungsparagraphen 218 wendet und den politischen Kampf um seine Abschaffung voranzutreiben sucht.
Den Nazis, für die er als jüdischer Kommunist und medizinischer Aufklärer perfekte Zielscheibe gewesen sein musste, entzieht er sich 1933 durch die Flucht ins Exil. Das 1933 bereits im Exil entstandene Stück „Professor Mamlock“ thematisiert die Machtergreifung und ist in jener Zeit eines der wichtigsten antifaschistischen Dramen überhaupt. Nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt im französischen Straflager „Le Vernet“ gelingt es ihm, die sowjetische Staatsbürgerschaft zu erlangen und damit in die UdSSR übersiedeln zu können.
Nach dem Ende des Krieges kehrt Wolf aus Russland zurück und übernimmt wichtige Funktionen in der DDR, so ist er etwa zwischen 1949 und 1951 erster Botschafter der DDR in Polen. Seine Stücke über Gegenwartsprobleme des sozialistischen Aufbaus wie „Bürgermeister Anna“ (1950) oder Filme wie „Der Rat der Götter“ (1950) können jedoch nicht an die erfolgreiche Zeit der zwanziger Jahre anknüpfen.
Friedrich Wolf, dessen Sohn Konrad Wolf als Regisseur bei der DEFA Karriere macht, deren Mitbegründer Friedrich Wolf ist, ist heute nur noch eine Randerscheinung der Literaturgeschichte. Sein Werk gilt es jedoch als „litérature engagée“ wieder zu entdecken, gerade in einer Zeit, in der politisches und vor allem gesellschaftliches Bedeutungspotenzial von Literatur kaum noch vorhanden scheint und wichtige junge Autoren ihre Meinung allzu oft hinter Stilübungen in Romanform zu verstecken scheinen.
Friedrich Wolf stirbt am 5. Oktober 1953 in Lehnitz an einem Herzinfarkt.
Friedrich Wolf im ZVAB
Mohammed (1917)
Das bist du (1919)
Die Schwarze Sonne (1921)
Tamar (1922)
Die Schrankkomödie (1923)
Das Heldenepos des alten Bundes (1924)
Kreatur (1925)
Kolonne Hund (1926)
Die Natur als Arzt und Helfer, Koritke (1927)
Cyankali (1929)
Die Matrosen von Cattaro (1930)
Professor Mamlock (1933)
Floridsdorf (1934)
Das trojanische Pferd (1935)
Zwei an der Grenze (1938)
Beaumarchais (1940)
Der Russenpelz (1942)
Heimkehr der Söhne (1944)
Was der Mensch säet (1945)
Die letzte Probe (1946)
Wie Tiere des Waldes (1947)
Der Rat der Götter (1949)
Menetekel (1952)
Die Weihnachtsgans Auguste (1988)
Stichwörter:
Friedrich Wolf, Kunst, Literatur, tergast7 Kommentare
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Agrikult schrieb am February 11, 2008:
guter,informativer Artikel
Tristan schrieb am February 13, 2008:
Die Weihnachtsgans Auguste von 1988 ? Hab ich als Kind in den 70er Jahren verschlungen. Eine tolle Geschichte, aber wann geschrieben ?
Isolde schrieb am February 13, 2008:
Die Erstausgabe müßte 1965 bei A. Holz in Berlin erschienen sein.
Heinz schrieb am February 13, 2008:
Unglaublich, wie naiv der Autor über die Tatsache hinweggeht, dass W. ein übler Stalinist war. “Engagierte” Literatur im Dienste eines mörderischen Reginmes, das für den GULAG berantwortlich ist – das sollte nicht unter den Teppich gekehrt werden!
Ulrich schrieb am February 13, 2008:
Ergänzung zum 4. Kommentar (Heinz):
Der 2. Sohn, Markus Wolf genannt “Mischa”, war Chef (General) des aggressivsten Geheimdienstes in Europa, der HVA (Hauptverwaltung Aufklärung) des MfS (Stasi).
In dieser Funktion war er über lange Zeit auch einer der Stellvertreter von Mielke. Beide waren skrupellos.
marc berger schrieb am February 29, 2008:
Unglaublich, dass “ein übler Stalinist Wolf” vor den stalinistischen “Säuberungen” in Moskau mit der Bemerkung geflüchtet ist, lieber “etwas Vernünftiges im Spanienkrieg zu tun als darauf zu warten abgeholt zu werden”?
Unglaublich auch, dass Wolf einen Brief an Stalin geschrieben hat, in dem er den Antisemitismus in der kommunistischen Bewegung der damaligen Zeit deftig geißelt?
Unglaublich eben nur für Leute wie “Heinz”, deren simples Weltbild sich entweder aus Unkenntnis oder Unwillen im Kenntnisnehmen von durchaus widersprüchlichen Fakten speist.
BlauerBueffel » Blog Archive » Spinnerei 3 - Werkschau schrieb am June 24, 2009:
[…] spätbürgerlichen Fuzzitum angekommen, konnte damit Leben, dass das dort ausgestellte nur selten Wolfsche Waffe sein wollte. Ein paar Sachen passten gut in mein […]