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Wer ist hier der Schriftsteller, verdammt?

von konecny

Zur Feier des Erscheinens meiner Mährischen Rhapsodie in Tschechien traf ich einige tschechische Freunde in Ostrava in einem Biergarten. Dort lernte ich Pepino kennen, einen hochgeschossenen Langhaarigen. „Ich könnte nie Schriftsteller sein!“, sagte Pepino und nahm einen Schluck von seinem Pilsner Urquell. „Mir passieren nur krasse Sachen! Die kauft mir keiner ab! Aber das Leben ist eben unglaubwürdig, verdammt noch mal!“

„Die Schriftstellerei ist keine Frage des Erlebten!“, sagte ich. „Thomas Mann wurde schon mit 20 ein großer Schriftsteller!“ Ich liebkoste mit meinen Lippen den sahnigen Schaum meines Bieres, hob den Krug höher und höher, meine Nase sog wonnig den Duft des frisch Gezapften ein, die Nasenspitze berührte den Schaum, aaaah, meine Lippen tauchten tiefer in das Sahnehäubchen, in die samtene Haut der Bierjungfrau – tiefer! Tiefer! Bis die Lippen das Kühle erreicht hatten und ich trank. Ist das Leben nicht schön?

„Letzten Sonntag hatte meine Freundin Dienst im Krankenhaus“, sagte Pepino. „Ich hab mich gelangweilt, und so ließ ich vom Balkon – wir wohnen im neunten Stock – verschiedene Haushaltsdinger an einem kleinen Fallschirm runtersausen. Aber auch das war dann irgendwie langweilig. Wenn ich nur einen echten Fallschirmspringer hätte! Ich borgte mir also Jožin, den Hamster meiner Freundin, aus. Der ist dressiert und echt abenteuerlustig, der freut sich sicher, dass er mal mit ’nem Fallschirm springen kann, dachte ich. Marketa würde mir zwar die Ohren bis zu den Brustwarzen ziehen dafür, aber sie erfährt’s ja nicht. Der Hamster kann ja nicht sprechen!“

Die Kellnerin brachte frisches Bier, wir tranken und hingen weiter mit Augen und Ohren an Pepino, der langsam in Fahrt kam: „Ich hab Jožin also an den Fallschirm gebunden, mit einem Stück harter Pappe, damit er’s gemütlich hat, und ihn dann runter springen lassen. Und, Mann! Jožin flog wie ein echter Fallschirmspringer, er versuchte sogar, mit den Füßchen etwas zu steuern. Dann aber drehte sich der Wind, im fünften Stock war ein Fenster offen und schwupp! Jožin flog hinein! Blöd! Ich lief nach unten, und – glaubt’s mir oder nicht, aber das, was mir der Mann, der dort wohnt, dann erzählt hat, ist echt wahr! Der Typ hockt beim Mittagessen mit seiner Frau, sie essen gekochten Kohlrabi, also was Vegetarisches, aber streiten tun sie wie die Schweine. Seine Frau hat ihm erzählt, dass sie in der Nacht eine Erscheinung hatte, einen Engel hat sie gesehen, und weil ihr Mann schon wegen dem Kohlrabi auf dem Sonntagstisch so sauer war, hat er sie angebrüllt, dass es keine Engel gibt, dass sie eine verrückte Tusse ist und dass man von gekochtem Kohlrabi sicher Magenkrebs bekommt – viel wahrscheinlicher jedenfalls als von einem g’scheiten Stück Fleisch, denn wenn was wie gekochtes Styropor schmeckt, kann’s in keinem Fall gesund sein.

‚Du grober Mensch, du!’, kreischt seine Frau. ‚Schon deine Mutter hat mir erzählt, dass du am liebsten die Suppe gefuttert hast, die sie aus den Küchenabfällen der letzten Woche für eure Schweine gekocht hat. Mein Kohlrabigulasch…’

‚Kohlrabigulasch?’, fragt der Typ fassungslos. Sie schlägt die Küchentür hinter sich zu und will ins Wohnzimmer, um sich auszuheulen, aber statt zu heulen, starrt sie Jožin, den Hamster meiner Freundin Marketa, an, der gerade mit seinem Fallschirm durchs Fenster hineinsegelt. Ganz blass macht die Frau die Wohnzimmertür wieder zu und sagt zu ihrem Mann: ‚Du, Alfons, gerade ist bei uns im Wohnzimmer ein Hamster mit einem Fallschirm gelandet.’

Da flippt der Typ ganz aus. ‚Und gleich kommt der Gagarin nach!’, brüllt er. ‚Ja, wo bin ich denn? In der Klapse? Engel in der Nacht! Hamster mit Fallschirm springen bei uns ins Wohnzimmer! Kohlrabigulasch! Bist du noch bei Sinnen?’

Und gerade da läute ich an ihrer Wohnungstür!“, sagte Pepino. „Und auf macht mir ein Mann, rot vor Wut, mit so ’ner dicken Halsschlagader, seine Stimme zittert, ich hab gleich gesehen, dass ich zu einem ungünstigen Augenblick gekommen bin, aber was sollte ich tun, verdammt, meine Freundin würde bald aus der Arbeit kommen, und wenn sie ihren Hamster nicht fände, würde sie sicher denken, dass ich ihn auf Pizza geschnippelt hätte. So frage ich halt: ‚Ist bei euch zufällig unser Hamster mit Fallschirm gelandet…?’“

Wir lachten, bis das Bier in unseren Bäuchen schäumte und wirbelte wie in einem Whirlpool! Noch in der Nacht, schon im Bett, schüttelte mich Pepinos Hamster durch. Mist! So würde ich nie einschlafen! Ich machte den Zauberberg von Thomas Mann auf und dann pennte ich in Sekundenschnelle ein.

14. July 2008

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12 Kommentare

  1. skankster schrieb am July 14, 2008:

    Nicht, wenn man unter Dyschromatopsie leidet. Nicht, wenn man mit der Kalibrierung seines Monitors vertraut ist.

  2. Uwe Gaitzsch schrieb am July 14, 2008:

    Und wenn Du Dich im Kühlschrank versteckst, kommst Du sicher in den Himmel.

  3. Uwe Gaitzsch schrieb am July 14, 2008:

    http://www.witze4u.de/artikel1312.htm

  4. Jaromir Konecny schrieb am July 14, 2008:

    Hallo Uwe,

    danke für den schönen Witz! Kann sein, dass die Grundstruktur meiner Hamster-Geschichte auch irgendwo als Witz rumgeistert. Ich hab sie mir ja in den Pfingstferien tatsächlich in Tschechien in einer Kneipe von einem Freund (der auch im normalen Leben Pepino heißt) erzählen lassen. Ich habe nur den Streit, Thomas Mann und das ganze drumherum reingebracht, und fertig war die Story. Ich liebe die Geschichte, sie funktioniert auch auf der Bühne ungemein gut.

    Liebe Grüße

    Jaromir

  5. Jaromir Konecny schrieb am July 14, 2008:

    An den anonymen Kommentator:

    Ich finde rot schön. Trotz der 26 Jahre, die ich in einem sozialistischen Land habe verbringen müssen – mit diesen ganzen roten Fahnen!

    Liebe Grüße

    Jaromir

  6. Joachim Albrecht schrieb am July 14, 2008:

    Mir tut nur der Hamster leid. Ob er wohl einen Sturz vom Zauberberg überlebt hätte? Castorp wollte schließlich auch nicht mehr runter.

  7. Thorsten Nesch schrieb am July 21, 2008:

    kohlrabiguhlasch

    – 1000 g Kohlrabi (geschnetzt)
    – 250 ml Milch
    – 75 ml Saure Sahne
    – 1 Apfel (gerieben)
    – 1 Zwiebel (klein)
    – 50 g Zucker (braun)
    – 2 tl Essig
    – 4 cl Wodka
    – 1 tl Pfeffer (gestrichen, nicht gehäuft!)

    mit Salz abschmecken, 25 Minuten köcheln und dann 30 Minuten ziehen lassen

    schmeckt am besten bei einer Flasche Wodka

    (am besten nach der Flasche Wodka)

    Cheers, Thorsten

  8. Jaromir Konecny schrieb am July 21, 2008:

    Hallo Joachim Albert,

    der Hamster hätte sogar den Sprung vom Zauberberg überlebt. Ich selbst wohl nicht. Ich bekomme sowieso immer Höhenagst – wenn ich versuche, Zauberberge zu erklimmen.

    Liebe Grüße aus München

    Jaromir

  9. Jaromir Konecny schrieb am July 21, 2008:

    Lieber Thorsten,

    dass Du in das Kohlrabigulasch Wodka tust, ist nicht nur ein Beleg für Dein literarisches Talent sondern auch für Deine Kenntnisse in der tschechischen Küche. Mein mährisches Fleischgulasch zum Beispiel wird nicht mit Wasser sondern mit Bier gekocht. Nich alle Marken taugen aber dafür.

    Liebe Grüße

    Jaromir

  10. Bauchschmerzen « Califax’ Weblog schrieb am July 23, 2008:

    […] Davon. Ich kann nicht mehr. Ich kann echt nicht […]

  11. Jaromir Konecny schrieb am July 16, 2009:

    Vielen Dank, Roka!

    Liebe Grüße aus München

    Jaromir

  12. Bücherlei Weblog » Blog Archive » #327 schrieb am April 13, 2010:

    […] Kirmes Eine Frau mit Buch Mein Irrglaube an den Janoschik Der freie Wille der Kneipenphilosophen Wer ist hier der Schriftsteller, verdammt? (YT) Karin, das Beutetier und das Wesen des Kapitalismus Bücher für die Blöden Der Schatz im […]


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