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Clarice Lispector: Nahe dem wilden Herzen. Aus dem Regal hervorgeholt von Andreas M. Widmann

von litprom

Selten dürfte ein erster Roman ein ähnlich eigenständiger Auftakt zu einem literarischen Lebenswerk gewesen sein wie Nahe dem wilden Herzen. 1944, als das Buch erschien, war seine Autorin, Clarice Lispector (1925–1977), gerade 19 Jahre alt, geschrieben hatte sie es mit 17. Lispectors Debüt brach radikal mit dem traditionellen Realismus, der zu jener Zeit in der brasilianischen Literatur vorherrschte, und knüpfte stattdessen an die europäische Moderne an.

Die Handlung ist schnell erzählt. Im Mittelpunkt stehen Abschnitte aus dem Leben einer jungen Frau, Johanna: Johannas Kindheit, die sie nach dem Tod ihrer Eltern wenig glücklich im Haus einer Tante verlebt, und, im zweiten Teil, Szenen ihrer Ehe mit Octavio, einem ehrgeizigen Juristen. Ähnlich wie bei James Joyce (von dem der Titel entlehnt ist) und Virginia Woolf, mit der Lispector auf Grund der Themen und ihrer Erzähltechnik häufig verglichen wurde, wird das Geschehen dabei einzig aus der Perspektive der Figuren dargestellt – was äußerlich passiert, schlägt sich in Emotionen, Impressionen und Gedanken nieder. Meistens ist es Johannas Sicht, die mit der Erzählung verschmilzt. Außerhalb ihrer selbst scheint nichts zu geschehen, und so wie die Handlung nur durch die Innensicht vermittelt wird, bleibt Johanna als Mensch isoliert. Sie durchbricht das Futteral nicht, das sie von ihrer Umwelt abschirmt. Ihre Tante ist ihr fremd und ihr Ehemann kehrt zu seiner Jugendfreundin Lydia zurück, die von ihm ein Kind erwartet. Johannas eigenes „Verhältnis“ mit einem anderen Mann währt ebenfalls nicht lange. Zuletzt ist sie allein, aber frei.

Es ist keine ganz leichte Lektüre, denn die Art etwa, in der sich der Text zwischen den Zeiten hin und her bewegt, fordert Konzentration, doch dafür entschädigen eindringliche Bilder und Epiphanien – Momente des Erkennens, die im Fluss des Erlebens und des Bewusstseins aufleuchten –, die sich dank ihrer suggestiven Sprache auf den Leser übertragen:

„Trockene Blätter auf der feuchten Erde. Das Herz zog sich langsam zusammen, öffnete sich, einen Augenblick hielt sie wartend den Atem an … Es war morgens, sie wußte, daß es morgens war … Als werde sie von der zerbrechlichen Hand eines Kindes gezogen, wich sie zurück und hörte gedämpft, als sei es im Traum, Hühner, die die Erde aufscharrten. Heiße, trockene Erde … die Uhr schlug bim-bam… bim… bam… die Sonne regnete in kleinen roten und gelben Rosen auf die Häuser … Gott, war das nicht sie selbst?“

Von diesem ersten Buch an hatte Clarice Lispector mit Werken wie Der Apfel im Dunkeln (1961) oder Die Sternstunde (1977) Teil an einer literarischen Entwicklung, die von Joyce, Woolf und Faulkner zu Borges und Cortazar führt. So macht die innovative Erzählkunst Lispectors, die zeitweise auch als südamerikanische Ikone der Frauenbewegung galt, ihr Erstlingswerk auch heute noch (oder wieder) lesbar und lesenswert.

21. July 2008

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1 Kommentar

  1. Heinz Müller schrieb am August 8, 2008:

    Hallo, die zehn Titel von C. L., die ich kenne, sind ohne jeden Vergleich. Ich lese sie immer wieder, die Faszination hat bislang nicht nachgelassen…

    Heinz Müller


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