Eine Frau mit Buch
von konecnyEine Frau mit Buch macht mich an. Wenn ich eine Frau mit Buch sehe, muss ich am Abend kein Bier trinken. Nach einer Frau mit Buch brauche ich keine anderen Drogen. Wegen einer Frau mit Buch streune ich wie ein Wahnsinniger durch Buchhandlungen, Buchmessen und Bibliotheken. Das Schlimmste für mich wäre wohl, wenn Männer wieder zu lesen anfangen und Frauen aus den Buchhandlungen verschwinden würden. Aus der U-Bahn ist eine Frau mit Buch bereits verschwunden. Leider nimmt dich eine Frau mit Buch gar nicht wahr – sie hat an ihrem Buch ja Ersatzbefriedigung genug. Damit mich eine Frau mit Buch wahrnimmt, bin ich Schriftsteller geworden. 20 Jahre lang hab ich mit diesem Scheißschreiben verbracht, bis mir klar wurde, dass für eine Frau mit Buch nur ein berühmter Schriftsteller von Interesse ist. Eine Frau mit Buch liest ja keine Bücher unbekannter Autoren, wie du einer bist. Eine Frau mit Buch nimmt nur das große Ding von Philip Roth oder John Irving oder Günter Grass in die Hand, und nicht dein Mickriges, an dem kein Bestsellerorden hängt, du Versager, du!..
Der Frauenbuchtempel in München ist ohne Frage Hugendubel. Und dort arbeitet eine Hohepriesterin des Ordens der Heiligen Frau mit Buch! Eine urweibliche Buchhändlerin mit lauter Geschichten in ihrem Lächeln, mit einem verständnisvollen Blick für dein Verlangen und Versagen – wenn sie dich nur einmal anblicken würde, verdammt noch mal! Die Frau mit Buch total! Keine Ahnung, wie sie von anderen Männern als Frau angesehen wird, aber mir zeigt sie eine Menge Sexappeal – nein, keine Sexbombe ist sie, keine plumpe Bein- und Busen-Bombe, das wäre zu wenig Geist und zu viel Fleisch für eine Frau mit Buch – sie ist einfach eine Buchbombe! Wenn diese Frau nur ein Buch anfasst, bekomme ich einen Ständer und gleich darauf ein schlechtes Gewissen deswegen! Eine solche Wirkung hat die Hugendubel-Frau mit Buch auf mich. Nur wegen ihr wollte ich ein berühmter Schriftsteller werden. Das war Anfang der 90er auch ganz gut angelaufen – immer wenn ich eine Geschichte auf einer Bühne vortrug, lachten sich die Leute schlapp: „Das beste an dir ist dein tschechischer Akzent!“, sagte man mir immer wieder. „Wie von Schwejk!“ Das war wohl die Folge der depperten deutschen Schwejk-Verfilmungen. Statt zu erklären, dass der gute Soldat Schwejk keinen tschechischen Akzent haben konnte, weil er ja Tscheche war und nur tschechisch sprach, kultivierte ich weiter meine Umlaute, sagte beim Vortrag meiner tiefsinnigen Geschichten „Mese“ statt „Möse“, „Frihschlipfer“ statt „Frühschlüpfer“ und „aba“ statt „aber“ und freute mich auf den Tag, an dem ich mich selbst von der Spiegeltitelseite beglotzen würde – der Bestsellerautor Konecny, der Mann des Jahres aus dem härtesten Viertel Münchens Neuperlach – dieser Berufstscheche hat’s geschafft! Mann! Dann laufe ich schnurstracks zum Hugendubel. Meine Frau mit Buch stapelt dort gerade auf einem Kulttisch mein frisch erschienenes Wunderbuch, mit ’nem Plakat darüber: „Miller, Bukowski, Konecny“, oder noch besser: „Konecny, der Pan Tau des literarischen Hard Cores, der Mauli für Erwachsene, die Akzentsau“. Ich packe die Frau mit Buch an der Hand und sage: „Das hab ich nur für dich geschrieben, Bücherschnecke! He, he, he… Kommst du mit ins Café Rischart Nussschnecken essen, du kleine Kannibalin, du?“ Damit sie halt sofort merkt, was für ein Humorist ich bin.
Wegen meines Akzents hatten ein paar deutsche Freunde und ich sogar den subVers-Verlag gegründet. Meine „Mesen“ würden sich verkaufen wie Krapfen an Fasching, meinten meine Freunde. Leider bastelten da schon seit einigen Jahren die Russen an ihrer Perestrojka. Gerade als meine Karriere als Bühnenliterat mit dem lustigen Akzent richtig losgehen konnte, machten die Russen die Grenzen auf. Und schwupp! In Deutschland tauchte Wladimir Kaminer auf. Zu allem Überfluss direkt in der Hauptstadt – in Berlin! Und dann, Mitte der 90er, hat ihm irgendein Teufel zugeflüstert: „Warum wirst du nicht Schriftsteller, Wladimir? Die Deutschen sind für jeden Masochismus zu haben! Verwende halt viele Umlaute, nur nicht die Unanständigen in den „Mesen“ wie dieser Tscheche Konecny, und jede deutsche Schwiegermutter wird dich in ihr Herz schließen!“ Seitdem fragt man mich in Interviews: „Jaromir, du schreibst doch auch lustige Geschichten wie Wladimir Kaminer. Warum verkauft der Wladimir hundertausende von Büchern und du keine?“
„Weil Wladimir ein Russe in Berlin ist, und ich ein Tscheche in München bin!“, sage ich. Ein Freund meinte, ich solle nicht mehr so viel über die Mösen und das Vögeln schreiben, das mögen halt die männlichen Lektoren nicht so, sie wollen, dass die Frauen denken, wir Männer würden ihnen aus rein platonischen Gründen nachjagen. Es gebe doch auch andere hübsche Wörter mit Umlauten: „B(e)ren“, „W(e)lfe“ und „F(i)chse“ zum Beispiel. Aber was konnte ich schon ausrichten gegen meine Natur, he? Ich war nun mal Tscheche! Für einen Tschechen ist die Möse der Urgrund aller Literatur, die Quelle jeden Daseins. Trotz Widerstand der heidnischen Tschechen hatten die Christen die Möse abgeschafft und die Anbetung der Möse durch die ekelhafte Schreckherrschaft der Unbefleckten Empfängnis ersetzt. Als ob die einzige real existierende Empfängnis, aus der jeder Mensch hervorgeht, etwas Schmutziges wäre! Schon wegen dieses Unworts müsste man die katholische Kirche als eine verfassungswidrige Organisation verbieten, denn die Menschenwürde ist unantastbar! Für mich blieb die Möse auf jeden Fall die schönste unter den Heiligen Jungfrauen, so schön, dass sie sich in Deutschland sogar einen appetitlichen Umlaut zulegte, und ich ein Gebet: Möse unsere auf Erden, ich komme!
Letztes Jahr schickte ich wieder mal ein Manuskript an einige große Verlage. Ein Lektor, ein Mann wohlgemerkt, hat mir in seiner Ablehnung geschrieben, dass meine Geschichten zu sexlastig seien – das würde an der Zielgruppe seines Verlags vorbeigehen.
„Ja, hat Ihre Zielgruppe keinen Sex mehr?“, mailte ich ihm zurück. Sind die Lektoren am Ende katholisch verseuchte Sojawürstchenfresser, die Anbeter des Surrogats? Statt Fleisch Tofu! Statt Bier Clausthaler! Statt Sex Feuchtgebiete! Statt Konecny Kaminer! Klar schießen die Journalisten den Vogel ab: Einer redet von mir in seinem Artikel als von dem Wladimir Kaminer aus München, ein anderer liest das und schreibt, Kaminer sei ein so eingeführtes Markenzeichen, dass sich sogar ein Tscheche als Wladimir Kaminer Münchens bezeichnet. Ach, egal! Ich musste die Frau mit Buch dazu bringen, aus den Unmengen der anderen Bücher mein Buch zu fischen – die Blume auf dem Mühlhaufen zu finden! Jeden Tag schleiche ich bei Hugendubel um die Frau mit Buch herum, vielleicht erinnert sie sich ja plötzlich, dass sie mich vom Poetry Slam her kennt oder von den Schwabinger Schaumschlägern oder aus der Zeitung, kann ja sein.
Eines Tages stand ich also wieder mal am Kultbüchertisch im Hugendubel, blätterte in einem Werk eines jungen Kultautors aus der üblichen Lektorenretorte, irgendein Stuckrad-Barre-Klon war’s gerade, da lief meine Frau mit Buch an mir vorbei und rammte mich in dem Gedränge mit ihrem spitzen Ellbogen. „Entschuldigung!“, sagte ich mit meinem wunderbaren Akzent. Und… sie blieb stehen. Ihr Mund ging in einem bombastischen Lächeln auf: „Du bist ja!..“, sagte sie, runzelte die Stirn, ich konnte förmlich fühlen, wie Heinzelmännchen durch ihr Gehirn jagten und nach meinem Namen fischten, nach der richtigen Erinnerung. Sie guckte auf den Kultbüchertisch runter, packte das „Russendisko“ in die Hand und sagte: „Ich hab dich ja mal auf einer CD gehört! Du bist Wladimir Kaminer, oder? Würdest du mir das Buch signieren?“
„Na, klar!“, sagte ich. „Wie heißt du?“
„Michele!“, sagte sie.
„Also!“, sagte ich und schrieb in Wladimir Kaminers „Russendisko“ hinein: „Für Michel von Wladimir“. Darüber zeichnete ich ein mit Pfeil durchbohrtes Herz, darunter ein gebrochenes. Michele errötete leicht.
„Ciao, Michele!“, sagte ich. An der Treppe drehte ich mich noch einmal um. Mit strahlendem Gesicht zeigte Michele gerade meine Widmung einer Kollegin, die auch keine schlechte Frau-mit-Buch-Figur abgab.
„Tja!“, sagte die Kollegin, „möchte echt wissen, warum seine Herzen wie Ärsche ausschauen.“ Was Michele darauf antwortete, kriegte ich leider nicht mehr mit. Aus dem Hugendubel lief ich ins Café Rischart, bestellte zur Feier des Tages eine große Tasse heiße Schokolade und eine Nussschnecke, schlemmte und freute mich über den schönen Tag. Leider musste ich mir ab jetzt den Hugendubel abschminken. Ich wollte ja nicht als der Tscheche entlarvt werden, der sich für einen Russen ausgab. Wäre ja auch ziemlich blöd, oder?
2. March 2009Stichwörter:
Altpapiergeschichten, Buch, Frau, Jaromir Konecny, München, Poetry Slam, Schriftsteller, Wladimir Kaminir22 Kommentare
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Bücherlei Notizen » Blog Archiv » Eine Frau mit Buch schrieb am March 2, 2009:
[…] “Eine Frau mit Buch macht mich an. Wenn ich eine Frau mit Buch sehe, muss ich am Abend kein Bier trinken. Nach einer Frau mit Buch brauche ich keine anderen Drogen. Wegen einer Frau mit Buch streune ich wie ein Wahnsinniger durch Buchhandlungen, Buchmessen und Bibliotheken. Das Schlimmste für mich wäre wohl, wenn Männer wieder zu lesen anfangen und Frauen aus den Buchhandlungen verschwinden würden. Aus der U-Bahn ist eine Frau mit Buch bereits verschwunden. Leider nimmt dich eine Frau mit Buch gar nicht wahr – sie hat an ihrem Buch ja Ersatzbefriedigung genug. Damit mich eine Frau mit Buch wahrnimmt, bin ich Schriftsteller geworden.” Jaromir Konecny hat wieder zugeschlagen. […]
Uwe schrieb am March 2, 2009:
Auch wenn es vielleicht nur der Ignoranz (oder mangelndem Interesse) geschuldet ist, von Wladimir Kaminer hab ich noch nichts glesen, aber von Dir schon jede Menge.
Bin aber eben keine Frau.
tut mir leid
Dr. Unrat schrieb am March 2, 2009:
Sehr schöne Geschichte. Aber sie hätte in zwei Geschichten oder Teile geteilt werden können. 1. Buchbombe 2. Schriftsteller. So ist sie etwas lang und langatmig. Ansonsten weiter so, gute Sache.
Jaromir Konecny schrieb am March 4, 2009:
Hallo Uwe,
weil Du meine Texte hier fleißig liest, bin ich Dir ja sehr verbunden. Ich gebe aber auch zu, ich habe bei manchen Geschichten von Wladimir Kaminer auch gut lachen können – zum Beispiel als sein Vater/Großvater mit Hanteln in den Händen ins Schwimmbadbecken sprang und damit tief im Wasser herumgeschwommen ist.
Liebe Grüße nach Dresden
Jaromir
Jaromir Konecny schrieb am March 4, 2009:
Hallo Dr. Unrat,
vielen Dank für den Zuspruch. Ich merke tatsächlich manchmal später, vor allem beim Bühnenvortrag einer Geschichte, dass diese Geschichte eigentlich zwei verschiedene Geschichten enthält. Als ich aber vor zwei Wochen bei unserer Schwabinger Schaumschläger Show im Vereinsheim “Eine Frau mit Buch” vortrug, ist sie beim Publikum ziemlich gut angekommen. Das ist schon ein gutes Anzeichen für die gute Struktur einer Geschichte, ansonsten steigen die Zuhörer ja aus (klar spielt hier die Performance des Textes auch eine Rolle). Die Aufmerksamkeit des Zuhörers wird auf jeden Fall viel mehr beansprucht als die des Lesers. Die Buchbombe und der Schriftsteller hängen meiner Meinung nach an einem Faden, und das ziemlich eng beisammen, will doch der Schriftsteller wegen der Buchbombe Schriftsteller werden. Ich werde die Geschichte aber noch ein paar mal lesen und schauen, ob ich sie straffen kann. Auf jeden Fall vielen Dank für den Hinweis!
Liebe Grüße
Jaromir
lilly schrieb am March 5, 2009:
Also Herr Konecny,ich kenne Sie und Herrn Kaminer nicht (werde jedoch nach Ihnen-und ihm – “käuflich” suchen,versprochen)und bin doch eine Frau mit Buch!
Bin auf diese Seite sowas von zufällig angekommen, möchte hier jedoch eine Spur, einen freundlicsten Gruß an Sie (und alle Männer mit Buch) hinterlassen…
Jaromir Konecny schrieb am March 5, 2009:
Hallo Lilly,
das war ein sehr schöner Kommentar für mich! Vielen Dank (stellvertretend auch für alle Männer mit Buch)! Wie es der Zufall so will, trägt die Heldin in meinem neuen Roman “Doktorspiele” (erscheint am 16.03.09 bei “cbt”, also bald) den hübschen Namen Lilli – lange habe ich mich zwischen “i” und “y” am Ende des Namens nicht entscheiden können, bis die i-Entscheidung fiel, aber immerhin – rein phonetisch müsste’s der gleiche Name sein. Zumindest für mein tschechisches Ohr.
Liebe Grüße
Jaromir
Alexander von Hohentramm schrieb am March 12, 2009:
Ich kenne viele Tschechen, Herr Konecny, und bin mit etlichen eng befreundet, aber noch keiner von Ihnen hat mir bisher verraten, daß “die Möse der Urgrund aller Literatur, die Quelle jeden Daseins” für ihn sei. Kann es sein, daß dies nur für Tschechen ganz besonderer Provenienz zutrifft? Als Literatur kann ich Ihre Produkte jedenfalls nur insofern werten als ja jede Drucksache irgendwie zur Literatur zählt und sei es die Gebrauchsanweisung für einen Dosenöffner, womit ich nicht ihr, im Gegensatz zu ” Philip Roth oder John Irving oder Günter Grass”, kleines Ding meine, sondern ein ganz profanes Küchengerät.
Wissen Sie, Zweideutigkeiten waren früher, zumindest im Deutschen, wie schon der Name sagt, zweideutig. Darin bestand ihr Witz – was sich von wissen und Weisheit ableitet- und ihre subtile Wirkung. Aber warum denn auch subtil? Wozu brauchen wir denn einen Neocortex, wenn man direkt ans Kleinhirn appellieren kann, und wer weiß, ob meine “Botschaft dort auch ankommt, wenn die blöde Großhirnrinde die Möglichkeit hat, ein Sache so oder so auszulegen. Da gehen wir doch lieber auf Nummer sicher, was?
Als positiv an Ihnen muß ich jedoch vermerken, daß Sie nicht Wladimir Kaminer sind, wenn das denn stimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander von Hohentramm
Jaromir Konecny schrieb am March 13, 2009:
Hallo Alexander von Hohentramm,
ich kenne auch viele Tschechen. Im übrigen sind nicht nur viele Tschechen der Ansicht, dass “die Möse” (der Geschlechtstrieb, die Fruchtbarkeitsverehrung usw.) eine maßgebliche Inspiration für die Kunst sei, sondern auch Österreicher wie Sigmund Freud oder Amerikaner wie Henry Miller. Wenn man sich etwas mit unserer Kulturgeschichte auseinandersetzt, bekommt man diese “nahezu” Tatsache ja ausgiebig bestätigt.
Irgendwie habe ich mich schon gewundert, dass hier einige Monate lang keiner aufgetaucht ist, der wie Sie, meine “Produkte nur insofern als Literatur wertet, als ja jede Drucksache zur Literatur zählt”. Dank Ihnen ist das Gleichgewicht wieder hergestellt!
Zweideutigkeiten sind meines Erachtens immer noch zweideutig. Da hat sich wohl nicht viel geändert. Ich hoffe, Sie wollen das Biblische (eine Vielzahl von möglichen Deutungen) der Literatur in heutigen Zeiten nicht absprechen, denn was soll Literatur sonst sein als eine große Mehrdeutigkeit? Wenn Ihnen literarische Symbolik nicht zusagt, bleibt Ihnen in der Tat nichts anderes übrig, als Ihre Leselust bei der Lektüre der Gebrauchsanweisungen auszuleben.
Den Neocortex-Rest Ihrer Mail verstehe ich nicht, Ihr Stil erinnert mich jedoch an andere Kommentarschreiber hier, von denen einer sich in seinem Pseudonym auch “Alexander” nannte. Da Sie aber am Schluss Ihres Kommentars meine Identität etwas anzweifeln, möchte ich Ihnen dasselbe nicht antun.
Einen schönen Tag wünscht Ihnen
Jaromir Konecny
Laufsau schrieb am March 23, 2009:
Hallo Jaromir,
ich hab mir auf deinen Eintrag nun tatsächlich mal was von Kaminer aus der Bücherei geholt und finde es etwas blutleer. Schon irgendwie lustig, aber ich wartete immer auf die Pointe. Das hast du nicht verdient, mit dem verwechselt zu werden…
Gruß
Marc
P.S.: kommst doch mal zum Slam nach LuBu. wird bestimmt lustig
lilly schrieb am March 23, 2009:
Hallo Jaromir,
da ich Sie (Herrn Kaminer noch immer nicht) bereits kenne („Mährische Rhapsodie“…Oh, Ah….Oho! Aha!), freue ich mich schon auf die „Doktorspiele“ mit der (hübschen? hübschnamigen?) Lilli…Wie gut, dass Sie sich für das „i“ und nicht „y“ entschieden haben. Vielleicht würde ich beim Lesen auf die Idee kommen, meine und ihre Doktorspiele zu vergleichen und müsste feststellen, dass meine unvergleichbar (weil nicht vorhanden?) sind…
Liebe Grüße, Lilly
Jaromir Konecny schrieb am March 28, 2009:
Hallo Marc,
ich finde Kaminer schon lustig, muss aber auch zugeben, dass mir in seinen Geschichten das “Literarische” etwas abgeht. In den letzten Jahren sind die Buchhandlungen voll mit Was-mir-halt-so-passiert-ist-Literatur. Dass einem im Leben “was passiert”, ist meiner Meinung nach für das Schreiben von Literatur notwendig, aber der Literat sollte das Leben “verdichten”, also nicht nur “aufschreiben”. Bohumil Hrabal hat sich öfter zwar auch nur als “Aufschreiber” bezeichnet, doch seine Aufarbeitung des Erlebten war einfach große Poesie.
Ich komme gern mal zum Slam nach Ludwigsburg – wenn mich jemand einlädt. Wenn nicht, dann sehen wir uns wieder in Stuttgart. Dort bin ich ja ziemlich oft.
Liebe Grüße auch an Deine Freundin
Jaromir
Jaromir Konecny schrieb am March 28, 2009:
Hallo Lilly,
oh! Das freut mich sehr, dass Sie meine “Mährische Rhapsodie” gelesen haben. Danke! Anfang der 90er hat mir in ihrer Ablehnung des Buches eine Lektorin geschrieben: “Die Aneinanderreihung von Suff- und Kopulationsszenen (in MR) ermüdet den Leser doch allzu sehr.” So musste das Buch bei einem kleinen Verlag für Undergroundliteratur (Ariel-Verlag) erscheinen. Ich hoffe, Sie haben sich beim Lesen nicht ermüden lassen. Mit dem Suff und der Kopulation habe ich in dem Roman nur den Sozialismus symbolisch darstellen wollen – denn was war der Sozialismus anders als Suff und Kopulation?
Ich denke, für Doktorspiele ist es nie zu spät. Man soll ja nie aufhören, nach dem Kind in sich zu suchen.
Liebe Grüße aus München
Jaromir
Katrin Maschke schrieb am March 28, 2009:
Lieber Jaromir,
ich bin erschüttert— was erwartest du von diesen Bücherstaplerinnen bei Hugendubel?
Seufz!
Du solltest dich einfach mal in anderen Buchhandlungen rumtreiben 😉
Übringes: Frauen mit Buch sind total langweilig…..die lesen wo sie stehen und gehen….naja. Sonst hätten sie nicht schon alles von dir gelesen, bevor es erscheint.
lg
Katrin.
lilly schrieb am April 6, 2009:
Lieber Herr Konecny,
Ihre Mährische Rhapsodie ließ mich nicht ermüden, so unterhaltsam wie sie ist! Zugegeben, die ersten Seiten sind wie Umstieg aus einem klimatisierten Zugabteil in ein menschenvolles, naturbelassenes, gewesen. Eigentlich habe ich mit Nabokovs Lolita (meine persönliche Meinung – ein geniales Kunstwerk!) anfangs mehr „Schwierigkeiten“ gehabt…Ihre Mährische Rhapsodie hat keinen einzigen Teil von mir beleidigt, so unverfälscht, ehrlich, natürlich, ja, unschuldig! – weil frei von jeder Verstellung – Ihre Schilderungen sind… Herr Kundera schreibt, dass die Warteschlange vor den (warenleeren) Geschäften unter Kommunisten leicht auszuhalten gewesen wäre, wäre nicht die Verherrlichung, der kommunistische Kitsch, überall präsent gewesen…so empfinde ich Ihre symbolische Darstellung des „Realen Sozialismus“ als ein lesenswertes Werk, jenseits von Verherrlichung/Verteufelung, vom Kitsch – hier möchte ich wieder Herrn Kundera erwähnen – „von Verneinung der Scheiße“…
Außerdem beinhaltet Ihr Buch so sehr viel anderes (außer der Ihnen vorgeworfenen Aneinanderreihung von Suff- und Kopulationsszenen), das ich entdecken konnte, das mich angenehmst berührt und aufmerksam gemacht hat, dass ich gleich mit „In Karin“ zum Lesen begonnen habe…Wie Sie selbst sagen, gibt es nichts Schöneres, als wenn man mit einem Menschen / einem Buch / die eigene Lebensphilosophie teilen kann…oder die eigene weiter ausbauen kann…
Da ich keine Lektorin, nur eine Frau mit Buch, bin, möchte ich anschließend nur noch sagen, Sie haben mir „gut geschmeckt“ – ich lese nämlich rein wegen des Genusses…
Liebe Grüße und sehr viel Freude mit Denken und Schreiben,
Lilly
Jaromir Konecny schrieb am April 8, 2009:
Liebe Katrin,
ich treibe mich ja in allen Buchhandlungen rum. Hätte ich aber für diese Geschichte Deine wunderbare Buchhandlung nehmen sollen und schreiben, dass Du mich mit Wladimir Kaminer verwechselt hast? Du kennst mich ja!
Dass eine Frau mit Buch nur dem Buch all ihre Sinne öffnet, gehört nun mal zu den tragischen – aber notwendigen – Seiten des Lebens.
Liebe Grüße
Jaromir
Jaromir Konecny schrieb am April 8, 2009:
Liebe Lilly,
danke! Lolita ist auch mein Kultroman, schon der Buchanfang mit den Humbert-Humbert-Spielereien literarisch unschlagbar. Obwohl ich das Buch schon einige Male gelesen habe, muss ich immer lachen, wenn ich’s aufschlage. Ich verstehe aber auch Ihre Anfangsprobleme mit Lolita – ich habe mich bei der ersten Lektüre auch hin und wieder gefragt, ob das richtig ist, dass ich das Buch so gut finde. Es ist ein Kunstwerk, wie Sie sagen, und damit basta.
Ich hoffe, Sie bekommen jetzt “In Karin” keine großen Probleme. Eigentlich hatte’s zuerst nur etwa acht Karin-Geschichten gegeben, die ich hin und wieder auf der Bühne vortrug. Irgendwann wollte ich aber ein Buch damit haben und da die deutschsprachige Buchwelt so romanfixiert ist, blieb mir nichts anderes übrig, als zu den Geschichten eine Rahmenhandlung zu entwickeln. Dadurch leidet vielleicht etwas die Struktur des Romans. Das alte Problem eines Bühnenliteraten: Man muss ständig neue Kurzgeschichten schreiben, um auf den Bühnen bestehen zu können, und hat keine Zeit, einen Roman zu verfassen. Die Bühnenliteraten leben ja nicht wie die normalen Autoren von den Stipendien und den Literaturpreisen und den Buchtantiemen sondern von den Auftrittshonoraren.
Liebe Grüße
Jaromir
lilly schrieb am April 20, 2009:
Lieber Herr Konecny,
ich möchte mich herzlichst für Ihre Antworten bedanken – ich bin ja nur ein zufälliger Entdecker Ihrer Seiten , als ich sie fand, war ich auf der Suche nach einer Wandgarderobe…
Umso schöner finde ich sie jetzt (die neue Wandgarderobe ), als Symbol für meinen literarischen Glücksgriff…
„In Karin“ konnte keine Probleme bei mir auslösen, lediglich eine äußerst gute und schöne Stimmung beim Lesen, mit sehr sehr viel Lachen. Wenn man mich fragen würde, ob ich eine Lieblingsliebesgeschichte (mag nicht unbedingt als solche eingestufte Geschichten, und Ihre ist es ja auch nicht ausschließlich) hätte, müsste ich mit „In Karin“ antworten. Denn so viel Wärme, Anpassungswilligkeit (wahnsinnig!), Mut und Entschlossenheit zum Leben zu zweit, habe ich bis jetzt noch in keinem anderen Buch entdecken können. Die Geschichte ist so überzeugend, wirklich und ihr Witz macht sie so sehr glaubhaft, dass man denken möchte, so müsste eine Partnerschaft doch funktionieren…irgendwo habe ich gelesen – jetzt nur sehr frei und ungefähr – dass aus jedem Buch nur der Affe hinausschaut, der auch hineinschaut. Ich glaube es. Jeder nimmt sich was anderes raus und mit und so gesehen beinhaltet eine geschriebene Geschichte unzählige gelesenen.
Es ist schön und spannend zu lesen.
Ich habe „In Karin“ auf den Gipfel zum „Sputnik Sweetheart“ geschickt.
Liebe Grüße, Lilly
PS: Noch eine Kleinigkeit in einer „Geheimschrift“: uz sa citim byt otravna, nemusite moje riadky komentovat, su bezvyznamne. Som velmi rada, ze som Vas objavila, ste zabavny, zaujimavy, vzdelany, bude mi pözitkom, citat Vase texty. Zelam Vam vela uspechu, na kazdej urovni!
Jaromir Konecny schrieb am April 28, 2009:
Liebe Lilly,
bin jetzt immer noch auf Tour – deswegen nur kurz: Vielen Dank fuer die schoenen Worte! Und ich freue mich, dass wir – nach Deinem “PS” zu urteilen – so viel Gemeinsames haben. Ich hoffe, Du bist mir fuer das “Du” nicht boese.
Liebe Gruesse
Jaromir
frau mit buch schrieb am May 23, 2009:
jeheeee!
mir hat das total gut gefallen!!
sehr unterhaltsam und lebendig!
Bücherlei Weblog » Blog Archive » #327 schrieb am April 13, 2010:
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Der Umblätterer » Vossianische Antonomasie (Teil 83) schrieb am August 2, 2014:
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