Der Mensch und die Wunder der Technik
von konecnyYogi ist erst mit zehn Jahren nach Neuperlach aus Kroatien zugezogen. In der Schule hat er nur das Kiffen gelernt und jede andere Bildung erfolgreich abgewehrt. Seine Wissenschaft- und Technikkenntnisse stammen aus Krieg der Sterne, Matrix und Terminator. Ich bewundere ihn für seine naive Art, nur manchmal geht er mir auf den Sack damit. So wie am letzten Samstagabend. Als Yogi und ich Bier trinken wollten. Zuerst stellte sich Yogi an einen Geldautomaten. Nach ihm wollte ich Geld abheben.

„Du bist aber heute gut zu mir, gell?“, sagte Yogi.
„Na, klar!“, sagte ich.
„Ich rede nicht mit dir!“, sagte Yogi.
Ich guckte mich um, außer uns beiden stand keiner da. „Und mit wem redest du?“, fragte ich.
„Na, mit dem Geldautomat!“
„Mit ’nem scheiß Automaten redet man nicht!“
„Etwas Respekt, bitte!“, sagte Yogi und drehte mir wieder den Rücken zu. „Das hat er nicht so gemeint!“, sagte er zu dem Automaten, tippte seine Pin ein und hob das Geld ab. „Siehst du?“, sagte er jetzt wieder zu mir. „Wenn du zu ihm nett bist, bekommst du immer etwas Geld von ihm!“
„Du bekommst von ihm Geld, auch wenn du nicht nett zu ihm bist!“, sagte ich. „Das ist ein Automat, verdammt noch mal! Der kann nicht denken!“
„Von wegen!“, sagte Yogi. „Einmal hab ich vergessen, ihn zu grüssen und gleich meldete er: ‚Heute sind leider keine Auszahlungen möglich. Wir bitten um Ihr Verständnis!’“
„Das war ein Zufall! Das hat der Automat an dem Tag wohl jedem gesagt. Egal ob mit Gruß oder ohne Gruß!“
„Du hast keine Ahnung, Mann!“, sagte Yogi. „Der redet mit mir, und du willst mir klar machen, dass er nicht denken kann. Ja, bin ich blöd, oder was?“
„Da magst du recht haben!“, sagte ich.
„Letztes Mal bin ich hier ausgerutscht“, sagte Yogi, „hab nur ‚Scheiße’ gesagt und gleich hat er gemeldet: ‚Konto nicht gedeckt!’“
„Da hat er nicht dein Konto gemeint, sondern das Konto der Bank!“, sagte ich. „Die sind heutzutage ziemlich oft leer!“ Ich haute Yogi auf die Schulter. „Jetzt zeige ich dir, wie man mit diesem blöden Ding redet!“ Breitbeinig wie Billy the Kid stellte ich mich vor den Geldautomaten, zückte aus der Tasche meine EC-Karte, stach sie in den Schlitz, tippte meine Pin ein, klickte 100 Euro an und sagte: „Rück die Kohle raus, Arschloch!“
„Um Gottes willen!“, sagte Yogi.
„Maximaler Geldbetrag 300 Euro“, meldete der Automat. „Bitte korrigieren Sie Ihre Summe!“
„Ich hab doch nur 100 Euro gewollt!“, sagte ich.
„Siehst du?“, sagte Yogi.
Ich ließ die Karte raus fahren, steckte sie noch mal in den Schlitz und tippte 50 Euro ein.
„Wir haben heute schon verfügt!“, meldete der Automat. „Ja, verdammt!“, rief ich. „Ich hab doch nur in der Früh 50 Euro für Einkäufe abgehoben. Und die sind jetzt weg! Was soll das: ‚Wir haben heute schon verfügt’, he? Welcher Depp hat sich so ’ne blöde Meldung wohl ausgedacht?“
„Du musst ihn schön grüßen und um etwas Geld bitten!“, sagte Yogi.
„Einen Scheißdreck werde ich!“, sagte ich. „Jetzt stecke ich die Karte noch mal rein, und wenn’s nicht klappt, gehen wir zu einem anderen Automaten!“
„Pass auf, dass er nicht sauer wird!“, sagte Yogi.
„Der kann mich am Arsch lecken!“, sagte ich und steckte die EC-Karte zum dritten Mal ein! „Ihre Karte wurde aus Sicherheitsgründen eingezogen!“, meldete der Automat.
„Du bist echt stur!“, sagte Yogi.
„Kannst du mir etwas Geld leihen?“, sagte ich.
„Nur wenn du sagst, dass Geldautomaten denken können!“, sagte Yogi.
„Ja, verdammt!“, sagte ich. „Geldautomaten können denken!“ Was blieb mir auch anderes übrig, wenn ich Bier trinken wollte. Am Samstagabend sind ja alle Banken zu. Seitdem wünsche ich dem Geldautomaten immer einen guten Tag, bevor ich Geld abhebe. Klar glaube ich nicht, dass das blöde Ding denken kann, doch ein Gruß kostet nichts, oder? Sicher ist sicher!
Stichwörter:
Aberglaube, Altpapiergeschichten, Geldautomat, Jaromir Konecny12 Kommentare
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Marc Bischoff schrieb am July 13, 2009:
süß, Jaromir. “Rück die Kohle raus, Arschloch”. Das probier ich morgen gleich aus.
Jaromir Konecny schrieb am July 16, 2009:
Danke, Marc! Wie läuft’s denn so bei Dir?
Jaromir Konecny schrieb am July 16, 2009:
An Anonymous:
Ich finde die Geschichte auch belanglos. Sie musste auf die Schnelle eine andere Geschichte ersetzen, die für dieses Forum zu blasphemisch war. Schlimm empfinde ich das aber auch nicht. Dem Kriterium des Belangs (der Wichtigkeit) würde wohl sogar “Tom Sawyer” von Marc Twain nicht standhalten können. Trotzdem hab ich das Buch mindestens fünfmal gelesen. Wie hunderte andere belanglose Bücher. Was ist schon von Belang in dieser Welt?
Einen schönen Tag wünscht
Jaromir
torsten schrieb am July 17, 2009:
Lieber Jaromir, erstmal 1000dank für deine Bücher und Blogbeiträge. Köstlich hindurchgelesen und voller Freude erkannt das du einer meiner neuen Lieblingsautoren bist. Was mir jetzt aber noch fehlt wäre diese blasphemische Geschichte die du erwähntest. Da das Christentum bereits wieder gefährliche züge annimmt ist jede Gegenmeinung wichtig und jede Blasphemie wohl nötig um etwas Aufklärung in die vom beten weichgekochten Hirne notwendig.
Was mir übrigens garnicht gefällt ist die Verherrlichung von der Fleischfresserei bei dir, da tut mir mein Veggie herz etwas weh, klar machst du das mit deiner Liebe zu Frauen und Alkohohl bei mir wieder weg, aber trotzdem würde Dir mal ein Sojaschnitzel (vom Aldi) gut tun. Beste Grüße Torsten
Laufsau schrieb am July 17, 2009:
hallo jaromir, danke der nachfrage. mein buch “Lauf du sau” ist nun raus und die marketingmaschinerie läuft an. wenn wir uns mal wieder in stuttgart oder so sehen, kriegst du eins.
Jaromir Konecny « Bücherlei Notizen schrieb am July 20, 2009:
[…] Der Mensch und die Wunder der Technik Die schönen Seiten der Globalisierung Omas Han am Tag der Arbeit Männer auf der Kirmes Eine Frau mit Buch Mein Irrglaube an den Janoschik Der freie Wille der Kneipenphilosophen Wer ist hier der Schriftsteller, verdammt? Karin, das Beutetier und das Wesen des Kapitalismus Bücher für die Blöden Der Schatz im Altvatergebirge Auf Schnäppchenjagd Tiroler Marterln […]
Jaromir Konecny schrieb am July 22, 2009:
Lieber Torsten,
zuallererst vielen Dank für Deine schönen Worte! Der Zuspruch von Leuten wie Dir freut mich wirklich sehr! Wenn Du willst, kann ich Dir die blasphemische Geschichte per email zukommen lassen. Durch die Schwabinger Schaumschläger habe ich jetzt etwa 40 ganz neue Stories – darunter viele “blasphemische” (hier gehört ein Smiley, aber ich hab mir verboten, so was zu verwenden) – und kein Verleger dafür weit und breit in Sicht – die deutschen Verlage wollen nun mal keine Kurzgeschichtenbände drucken. Ich finde auch, in der Kunst und in der Literatur darf man nicht auf die religiösen Gefühle der anderen achten – das wäre wohl dann das Ende der Kunst. Ich kann’s ja auch verkraften, wenn jemand über Atheisten wie mich herzieht.
Eigentlich bin ich gar kein so exzessiver Fleischfresser, doch wenn ich in einer Ich-Erzählung in die Rolle eines passionierten Wurstsalatessers schlüpfe, will ich die Rolle ohne wenn und aber spielen. Und jetzt nehmen mein Sohn und ich uns den schönen Zwetschgenstreuselkuchen vor, den ich vom Traublinger geholt habe.
Liebe Grüße
Jaromir
Jaromir Konecny schrieb am July 22, 2009:
Hallo Marc,
das freut mich mit Deinem Buch! Wenn wir uns mal wieder sehen, dann bekomme ich ein Buch von Dir und Du bekommst ein Buch von mir!
Liebe Grüße
Jaromir
Torsten schrieb am July 29, 2009:
Hallo Jaromir, vielen Dank für Dein Angebot mir Deine Geschichte zu schicken. Ich nehme es gerne an. Das sich für Deine Kurzgeschichten kein verleger findet ist eine unglaubliche Frechheit. Lässt sich nicht der In Karin Trick wiederholen? Beste Grüße und einen schönen Freibad- und Obstkuchensommer.
Torsten
Jaromir Konecny schrieb am July 29, 2009:
Hallo Torsten,
die Story schick ich Dir direkt per Mail. Ich empfinde meinen In-Karin-Trick als einen Fehler. Damals haben sich bei mir eine Menge gute Karin-Bühnengeschichten eingesammelt, und ich wusste, dass ich sie nur dann als Buch veröffentlichen kann, wenn ich sie in einer Rahmenhandlung zu einem Roman zusammen nähe. Durch diese nachträgliche Konstruktion leidet aber das Buch – meiner Meinung nach. Die “In Karin – live”-CD enthält nur die Bühnengeschichten und wirkt deswegen viel kompakter. Danach habe ich mir solche Kunstgriffe verboten. Ich verstehe ja auch nicht ganz, warum die deutschen Lektoren so auf Romane versessen sind. Nach meinen Auftritten verkaufen sich die Kurzgeschichtenbände viel besser als die Romane, die U-Bahn-Generation giert geradezu nach kurzen prägnanten Texten, und es gibt auch viele Beispiele für Autoren, die gut Kurzgeschichten verkauft haben/verkaufen – Poe, Lovecraft, Bradbury, Thurber, Bukowski, Sedaris usw. – klar vor allem angelsächsische Autoren. Warum ist dem so?
Liebe Grüße
Jaromir
Marc Bischoff schrieb am July 30, 2009:
wenn du es schaffst, die kurzgeschichten als kolumne bei irgendeiner zeitung unterzubringen, dann kriegst du möglicherweise leichter einen verlag, die machen dann damit werbung… aber das mit der zeitung ist ja fast noch schwieriger.
was total fehlt, ist ein internet-sender, der solche kurzgeschichten als lesungen am laufenden band bringt. dann kann man prima zwischendurch einsteigen und der bedarf ist sicher da. wieviele leute kaufen sich heute hörbücher? viele. viele von denen wären sicher interessiert.
Jaromir Konecny schrieb am August 11, 2009:
Hallo Marc,
die Zeitungen bringen heutzutage keine Geschichten mehr. Noch dazu solches Zeug, das ich schreibe. Es gibt sicher eine Menge Internetplattformen, wo man Kurzgeschichten unterbringen kann, ich veröffentliche ja auch einige meiner Stories hier im ZVABlog. Zum Glück kann ich den Rest meiner Kurzgeschichten häufig auf den Bühnen vortragen – so viel Glück haben die meisten Kurzgeschichtenschreiber gar nicht. Ich kann also nicht jammern. Ich könnte wohl auch wieder mal einen Kurzgeschichtenband bei einem kleinen Verlag rausbringen, aber ich will halt noch ein bisschen warten. Vielleicht findet sich irgendwann doch ein größerer Verlag – da liegt das Buch zumindest ein paar Wochen in den Buchhandlungen und man muss die Bücher nicht von Auftritt zu Auftritt schleppen.
Liebe Grüße – gerade aus Mähren
Jaromir