Die süße Tüte des Vergessens
von konecny„Mann!“, sagte Alfons. „Heute hat mich meine Alte wieder verdroschen!“ Die Wirtin stellte frische Pilsner Urquell vor uns. Die Pilsner trugen schöne weiße Mützen und luden unsere Nasen zum Schmusen ein.
„Warum wehrst du dich nicht?“, fragte ich.
„Das wäre nicht fair, meint meine Frau!“, sagte Alfons. „Ich sei stärker als sie, deswegen dürfe nur sie mich schlagen! Ich will nicht über mein Schicksal jammern, ein Philosoph kann erst im Leiden wachsen. Warum muss ich aber auch beim Biertrinken ständig dran denken, dass auf mich zu Hause eine Furie wartet, die mir das Denken austreiben will? Ich nehme doch Drogen, um zu vergessen, verdammt!“
Die Kneipentür flog auf. Mit wirrem Blick stürmte Pepino herein. Als ob er sich grade aus einem brennenden Haschschober gerettet hätte. Erwartungsvoll blickten wir ihm entgegen. Seit uns Pepino erzählt hatte, wie er mal den Hamster seiner Freundin aus dem 9. Stock eines Plattenbaus mit einem Fallschirm hatte runter springen lassen, galt er hier in Schamberg als der Mann für andere Wirklichkeiten schlechthin. „Bring mir einen Kaffee!“, rief Pepino zur Wirtin und hockte sich zu uns. „Aber schnell. Man wartet auf mich!“
„Was ist denn los?“, fragte ich
„Meine Herren!“, sagte Pepino. „Was mir heute passiert ist, das glaubt ihr mir nicht!“
„Da magst du Recht haben!“, sagte Alfons.
„Ich hab doch in den Beskiden Gras angebaut“, sagte Pepino. „Das Feld liegt schön in den Wäldern versteckt. Die Pflanzen hat mir ein Freund aus Holland gebracht. Für die Ernte hab ich mir einen Lastwagen ausleihen müssen. Ich fahre also mit ’nem Laster voll Haschballen nach Hause, wie der King of the Road aus Marokko. Glücklich, dass alles so sauber über die Bühne gegangen ist, drehe ich mir einen Joint, zünde den an und… boah, gleich surfe ich ins Paradies – als ob mir in der Birne nackte Weiber tanzen würden! Shit von Gottes Gnaden!“ Die Wirtin tänzelte mit dem Kaffee für Pepino heran. „Ich also in einem Lastwagen voll Hanf“, erzählte Pepino weiter. „Glücksbrisen jagen durch meine Lungen, und ich lache wie ein Blöder. Doch plötzlich scheiße ich mir fast in die Hose: Ein Bullenauto vor mir. Zwei Bullen winken mich an den Straßenrand. So ein Scheißzufall! Vielleicht bin ich nur high, denke ich mir, und habe Halluzinationen. Ein Hammerstoff, Mann! Zur Sicherheit mach ich den Joint aber aus, kurbele beide Fenster runter, lüfte und halte an. Und Mann, oh, Mann! Die Bullen sind echt! Schon stehen sie an der Fahrertür. Ich lächle sie an, will fragen, ob alles in Ordnung ist, plötzlich fällt mir aber ein, wie die beiden Clowns blöd gucken würden, wenn sie mich blasen lassen, weil ich wie besoffen ausschaue. Das find ich so komisch, dass ich glatt ’nen Lachanfall kriege und vor lauter Lachen fast aus dem Fenster falle. Bekifft wie ein Chinese im Opiumkrieg, in einem Laster, der voll beladen mit Haschballen ist. Na, wenn das gut ausgeht… Doch die Bullen lachen auch. ‚Entschuldigung, dass wir sie belästigen!’, sagt der eine, ‚aber unser Keilriemen ist im Eimer. Könnten Sie uns am Seil nach Schamberg schleppen?’ ‚Klar!’, sag ich. Mann! Ich schleppe die Bullen in die Stadt und bin so glücklich, dass ich mir glatt noch einen neuen bauen muss. Der Stoff ist echt die Rakete, der knallt mir ’ne krasse Amnesie ins Hirn! Ich weißt nichts anders mehr, als dass ich ’nen Laster voll Hanf nach Hause bringen muss, ich werfe ’nen Blick in den Rückspiegel… und Schock! Mann! Ich werde von Bullen verfolgt! Schon ganz knapp hinter mir sind die. Und ich bekifft wie der Ötzi in einem Auto aus Hanf! ‚Mich kriegt ihr nicht, Arschlöcher!’, brüll ich und trete voll das Gas durch! Mann, ich schneide mit dem LKW die Kurven wie Niki Lauda, aber die Bullen immer noch hinter mir. Keine Chance die abzuschütteln. Eine Viertelstunde lang rase ich also durch die Serpentinen in den Beskiden, bis ich vor ’ner Bahnschranke anlange. Sie ist runter, das Licht rot. Ach! Was soll’s! Irgendwie geht mir der Stress plötzlich auf den Sack. Soll’n die mich doch in den Knast stecken. Ich fahre an den Rand, steige aus dem Auto und gehe mich ergeben. Und Mann, oh, Mann! Erst als ich hinten ankomme, fällt mir ein, dass ich einen Bullenwagen hinter mir schleppe. Ja! Scheiße! Ich wurde gar nicht verfolgt! Die Bullen im Auto starren nur vor sich hin, erst fünf Minuten später bekomme ich ein vernünftiges Wort aus ihnen. Die Serpentinen waren ihnen nicht gut bekommen. Verdammt! Vielleicht hab ich den mythischen Hasch angebaut, der dich alles Schlechte vergessen lässt. Mich hat der Stoff auf jeden Fall vergessen lassen, dass ich mit einem Laster voll Hanf Bullen zur Bullenstation schleppe.“

„Ich glaube dir kein Wort!“, sagte Alfons. „Ich hab dir schon den Blödsinn nicht abgekauft, wie du den Hamster deiner Freundin am Fallschirm hattest springen lassen. Solchen Shit gibt’s nicht, der dir schlechte Sachen ganz aus dem Kopf radiert!“
„Du machst mich irgendwie nervös mit deiner negativen Lebenseinstellung, Alfons!“, sagte Pepino. „Ich muss mir noch ’ne Tüte drehen.“ Die Wirtin brachte Pepinos Kaffee. Pepino baute sich einen und inhalierte genüsslich. Doch nach kurzer Zeit trieb der Schwaden auch die Wirtin auf den Plan. „Ja, spinnst du?“, kreischte sie. „Mach das sofort aus! Ich möchte nicht, dass mir hier die Bullen rein und raus gehen!“ Da flog die Kneipentür noch mal auf, und in die Kneipe kamen tatsächlich zwei Bullen.
„Scheiße!“, sagte Pepino, haute den Joint unter den Tisch und versuchte, ihn zu zertreten. „Was machen die Arschlöcher hier? Ich hab Taschen voll Hasch. Vom Laster draußen gar nicht zu reden!“
Die Bullen marschierten direkt zu uns. „Ja, wie lange wird’s noch dauern?“, fragte der eine. „Sie wollten doch nur einen Kaffee trinken und uns dann zur Dienststelle weiter schleppen.“
„He?“, sagte Pepino. Wohl hat ihm der Hasch eine zweite Amnesie am Tag beschert.
„Jetzt glaube ich dir!“, sagte Alfons.
„Du schleppst ihr Auto am Seil!“, versuchte ich, Pepino auf die Sprünge zu helfen.
„Echt?“, fragte er.
„Wir warten draußen!“, sagte der andere Bulle zu Pepino.
Sein Kollege schnupperte an Pepinos Kaffee. „Vielleicht sollten wir Sie doch blasen lassen!“, sagte er, worauf sich die beiden Bullen vor Lachen schüttelten, als hätten sie einen großartigen Witz gerissen.
Als sie weg waren, klärten wir Pepino schnell auf. „Ach, du Scheiße!“, sagte er. „Was für Shit!“
„Kannst Du mir etwas davon da lassen?“, fragte Alfons. Pepino schob ihm einen Stoffbeutel zu und brach auf.
„Aber kiffen tust du draußen!“, rief die Wirtin von der Theke. Alfons hob sich und bretterte zur Tür. Nach einer halben Stunde kam er zurück. Bekanntlich dauert bei den Kiffern alles etwas länger.
„Na?“, fragte ich. „Hast du deine Frau vergessen?“
„He?“, fragte er. „Bin ich verheiratet?“
Guter Stoff eben! Die süße Tüte des Vergessens! Sollte ich mir auch eine genehmigen? Ach, was! Besser trinke ich weiter mein Bier. Wenn ich alles Schlechte vergessen würde, wäre das Leben wohl nur halb so lustig, wie es ist.
Stichwörter:
Alfons, Altpapiergeschichten, Hamster, Jaromir Konecny, Mähren, Polizei2 Kommentare
RSS-Feed für Kommentare dieses Beitrags.
Marc schrieb am March 25, 2010:
jaro, die hab ich erst jetzt gelesen. mei, hab ich gelacht. hab mir fast in die hose gemacht vor lachen.
gruß
marc
Jaromir Konecny schrieb am March 27, 2010:
Danke, Marc! Gleich schick ich an’s ZVAB eine neue Pepino-Story. Irgendwie machen mir die tschechischen Kneipenlegenden momentan richtig Spaß: Kopflose Motorradfahrer, Hamster am Fallschirm, Schifahrer im Treppenhaus, ein Bekiffter, der mit seinem LKW am Seil ein Polizeiauto in die Stadt schleppt… die kommende Story kann ich jetzt nicht verraten…
Liebe Grüße
Jaromir