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Otto Julius Bierbaum: Adorant der Schönheit und Förderer der Kultur

Otto Julius Bierbaum
„Es könnte sein, daß manch sangbares Lied seines Mundes noch lebt, wenn vieles, was heute gewichtiger dünkt, vergessen ist.“ Kein geringerer als Thomas Mann schrieb diese Zeilen 1910, nachdem am 1. Februar des Jahres ein Literat gestorben war, dessen Name heute, entgegen Manns Hoffnung, dem Vergessen anheim gefallen zu sein scheint. (Weiterlesen …)
Vom Expressionismus in die BRD – Kasimir Edschmids problematischer Werdegang

Kasimir Edschmid
Erzähler, Reiseschriftsteller, Essayist, Journalist – was war er nun eigentlich, dieser 1890 in Darmstadt geborene Kasimir Edschmid? Die Antwort kann wohl nur lauten: Einmal mehr das eine, ein andermal mehr das andere, doch eigentlich immer alles zugleich. Das Multitalentierte zieht sich quer durch Edschmids beachtliches Gesamtwerk, das genauso viele spannende wie problematische Stellen aufweist und allein dadurch die Bandbreite schriftstellerischen Schaffens in extenso präsentiert.
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Formenstrenge und Sprachmacht: Oskar Loerke als lyrisches Vorbild
Der Himmel fließt in steinernen Kanälen;
Denn zu Kanälen steilrecht ausgehauen
Sind alle Straßen, voll vom Himmelblauen.
Und Kuppeln gleichen Bojen, Schlote PfählenIm Wasser. Schwarze Essendämpfe schwelen
Und sind wie Wasserpflanzen anzuschauen.
Die Leben, die sich ganz am Grunde stauen,
Beginnen sacht vom Himmel zu erzählen,Gemengt, entwirrt nach blauen Melodien.
Wie eines Wassers Bodensatz und Tand
Regt sie des Wassers Wille und VerstandIm Dünen, Kommen, Gehen, Gleiten, Ziehen.
Die Menschen sind wie grober bunter Sand
Im linden Spiel der großen Wellenhand.
Der „zweisprachige Grenzvogel“ René Schickele – Journalist, Schriftsteller und früher Europäer

René Schickele (1912)
Als Journalist weiß man bisweilen gar nicht mehr zu schätzen, dass man heute eigentlich alles schreiben kann, was einem gerade so in den Sinn kommt (immer vorausgesetzt, jemand druckt es…). Ein Blick in die Vergangenheit ist hilfreich, um sich dieses große Glück zu vergegenwärtigen und sich vergleichend daran zu erinnern, wie es um Publikations- und Meinungsfreiheit einmal bestellt war.
Den Kaiser einen „Scharlatan“ zu nennen, konnte schon ausreichen, damit die komplette Auflage einer Zeitschrift beschlagnahmt wurde. Das musste 1901 der gerade erst 18-jährige René Schickele feststellen, als er eben dies in der dritten Ausgabe seiner jüngst gegründeten Zeitschrift Der Merker tat. René Schickele war jedoch keiner, der sich davon sonderlich beeindrucken ließ. Er hatte bereits vor dem Merker mit dem Stürmer eine erste literarische Zeitschrift gegründet, die nach wenigen Nummern ihr Leben wieder aushauchte, und er sollte Zeit seines Lebens Visionär und Kämpfer bleiben. (Weiterlesen …)
Ernst Glaeser – gefeiert, verfemt, vergessen. Zur Karriere eines deutschen Schriftstellers
„Ich kann mit diesem Buch wenig anfangen. Das kann an mir liegen. Und deshalb ist der Autor, der eine der saubersten und anständigsten Erscheinungen der jüngern Generation ist, noch lange kein wilder Höllenhund. Er hat Anspruch darauf, gehört zu werden. Der Mann hat episches Talent. Er hat auch einen leisen Humor. Möge er sein Talent von keinem Stoff und von keiner Doktrin auffressen lassen.“

Ernst Glaeser
Am 16.12.1930 erscheint in der Weltbühne eine Kritik an Ernst Glaesers gerade erschienenem Roman Frieden. Rezensent Peter Panter, eines der journalistischen alter egos des berühmten Kurt Tucholsky, verleiht darin vor allem mit der letzten Bemerkung einer Hoffnung Ausdruck, die Glaeser auf eindrucksvolle Art und Weise nicht erfüllen konnte.
Der Name Ernst Glaeser hat in der deutschen Literaturgeschichte einen eigentümlichen Beigeschmack, zeigt doch die Karriere dieses Autors Risse und Brüche wie nur wenig andere. Und Ansatzpunkte zur Kritik gibt es, sicherlich, doch ist letztlich alles menschlich, allzumenschlich… (Weiterlesen …)
Karl Wolfskehl: Ströme einander befruchtenden Lebens
Mehr als nur George-Jünger: Deutscher, Jude, Hesse
Dieses Blog handelt von “vergessenen Autoren”. Manch einer hat zu Lebzeiten schon geahnt, dass ihn dieses Schicksal einmal ereilen würde und das dann auch formuliert. Er sei sicher, schreibt Karl Wolfskehl am Ende des Krieges aus dem Exil an einen alten Freund in Deutschland, die Heimat habe “durchaus vergessen, daß es den deutschen Dichter Karl Wolfskehl noch gibt, wahrscheinlich vergessen, daß es ihn je gegeben habe.”
Er hatte Recht, Wolfskehl ist heute zu einer Marginalie der Literaturgeschichte geschrumpft, erwähnt höchstens noch dann, wenn gerade mal wieder der George-Kreis durch die Diskussion geistert, wie es jüngst anlässlich der großen George-Biographie von Thomas Karlauf oder der Diskussion um den Stauffenberg-Film “Valkyrie” der Fall war.
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Friedrich Wolf: Schreiben als Klassenkampf
Die Kunst als Waffe im Klassenkampf. Heute in Zeiten einer neuen Innerlichkeit als kunsttheoretischer Ansatz kaum noch spürbar, war dies in den bewegten 20er Jahren durchaus anders. Sowohl rechts als auch links von der bürgerlichen Mitte benutzten die Autoren Worte als scharfes Schwert.
Friedrich Wolf war einer von ihnen. In seinem Bauernkriegsdrama „Der arme Konrad“ (1924) gibt es eine Schlüsselszene zum Verständnis seines schriftstellerischen Denkens: Die Bauern des Bundschuh ziehen während einer Aufführung des „Ehrsamen Narrengerichts“ ihre Schwerter aus den Narrenpritschen, aus dem ursprünglichen Spiel entwickelt sich also der bewaffnete Aufstand, aus leichter Kunst wird ernsthafter Kampf um Gerechtigkeit und das tägliche Brot. (Weiterlesen …)
Arno Holz: „Kunst = Natur – x“. Theoretiker des Naturalismus und Vater der modernen Literatur

Persönliche Widmung des Reichskanzlers Stresemann, Ehrendoktorwürde der Universität Königsberg, Aufnahme in die Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie, mehrfach für den Literatur-Nobelpreis vorgeschlagen. Man könnte meinen, das literarische Leben des Arno Holz müsste ein so erfolg- und ruhmreiches gewesen sein, dass er bis heute zu den Standardautoren gehört.
Nun hat Holz tatsächlich seinen festen Platz in den Literaturgeschichten, gilt er doch als zentrale Figur des Berliner Naturalismus. Doch wer kennt das Werk des gebürtigen Ostpreußen (26.4.1863 in Rastenburg) heute wirklich noch? Naturalismus, das ist heute im literarischen Bewusstsein höchstens noch mit dem Namen Gerhart Hauptmann verbunden, ein Umstand, den Arno Holz schon zu Lebzeiten wahr nahm und als schmerzlich empfand, schließlich war Hauptmann seiner Meinung nach höchstens einer seiner talentierteren „Schüler“. Die 1896 erschiene Komödie Sozialaristokraten thematisiert diese Umstände, Holz rechnet darin auf satirische Weise mit seinen Berliner Schriftstellerkollegen ab, mit denen er zuvor die Fahne des Naturalismus in Deutschland aufrecht gehalten hatte.
Holz, der anders als viele seiner Autorenkollegen Autodidakt und nicht in den Genuss eines umfangreichen literarischen Studiums an der Universität gekommen war, verband in seinem Werk stets Theorie und Praxis miteinander.
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„Ich bin ein doppelter Mensch“ – Georg Kaisers lebenslanger literarischer Kampf gegen das Böse
„J’ai gagné la bataille!“ Das sollen die letzten Worte von Georg Kaiser gewesen sein, bevor er am 4.6.1945 in einem Hotelzimmer in der Schweiz seinen letzten Atemzug tat. Die „Bataille“, der stete Kampf, das große Ringen, das war ein genialisch geprägtes Künstlerleben, das kaum einen Exzess, kaum eine Inszenierung ausließ. Auf der anderen Seite schlug sie sich auch in einer enormen Textproduktion nieder, die mehr als siebzig Dramen umfasst, daneben aber auch sämtliche anderen Textgattungen wie Romane (nennenswert etwa: Es ist genug, 1932 oder Villa Aurea, 1940), Erzählskizzen, Briefe und auch Lyrik, ja sogar Filmexposés verfasste Kaiser, der in den 66 Jahren seines Lebens ein geradezu manischer Schreiber gewesen zu sein scheint.
Als fünfter von sechs Söhnen eines Versicherungskaufmanns kommt Georg Kaiser am 25. November 1878 in Magdeburg zur Welt. Das Milieu seiner Eltern ist das ländlich-bäuerliche der Mark Brandenburg, Kaiser selbst entflieht all dem zunächst in eine Buchhändlerlehre, die er zugunsten eines Wechsels ins Ex- und Importwesen wieder aufgibt. Er verdingt sich als Kohlentrimmer auf einem Frachtdampfer nach Südamerika und arbeitet schließlich drei Jahre lang als Kontorist im AEG-Büro in Buenos Aires.
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Identitätssuche im deutsch-jüdischen Kontext: Jakob Wassermann
Welch bleibende Wirkung die Jahre der nazistischen Barbarei hatten, lässt sich u.a. auch auf dem Feld der Literatur bestens studieren. Viele der von den braunen Horden verfemten Autoren, deren Bücher auf dem Scheiterhaufen landeten, waren vor dem Dritten Reich viel gelesene, bekannte und geschätzte Autoren. Einer der Wichtigsten, bei dem diese Scheiterhaufen-Zäsur bleibende Wirkung hinterlassen hat, ist zweifelsohne Jakob Wassermann.
Im März 1873 im fränkischen Fürth geboren, hätte aus dem kleinen Jakob ein Spielwarenfabrikant werden können, wenn er die auf Geheiß des Vaters 1889 in Wien begonnene Lehre im Geschäft seines Onkels ernst genommen und beendet hätte. Doch Jakob fühlte sich zu anderem berufen, Schreiben war sein Metier, und so schmiss der junge Mann die Lehre, um sich zunächst auf eine unstete Wanderschaft zu begeben, die ihren negativen Höhepunkt in den Erfahrungen einer einjährigen Militärzeit in Würzburg hatte. Wassermanns Erlebnisse dort müssen in etwa vergleichbar mit den Grausamkeiten sein, die Rilke in St. Pölten erlebte und werden in beiden Fällen eine prägende Zeit für den späteren Schriftsteller gewesen sein.
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