Großereignisse und ein neurotischer Buchmarkt: Über die Rezeption südafrikanischer Kriminalliteratur
von litpromKrimi-Kolumne von Thomas Wörtche
Großereignisse wie die Fußballweltmeisterschaft sind de facto gigantische Multiplikatoren. Ein paar Aufmerksamkeitssplitter bleiben auch für die Kultur, davon ein paar für die Literatur und von diesen wiederum ein paar für die Kriminal- literatur. Im Falle Südafrikas sogar ganz speziell für die Kriminalliteratur. Denn ohne die globale Bedeutung von literarischen Schwergewichten wie Nadine Gordimer, André Brink und J. M. Coetzee schmälern zu wollen – Kriminalautoren wie Deon Meyer (vgl. auch unsere Interview-Kolumne Deon Meyer: ein Mann mit Leidenschaft) und in dessen Erfolgssog Roger Smith, Andrew Brown oder Margie Orford haben binnen einiger Jahre einen mindestens analogen Bekanntheitsstatus bei einem breiteren internationalen Publikum erreicht. (Weiterlesen …)
27. July 2010Die Räuber vom Liang-Schan-Moor. Aus dem Regal hervorgeholt von Eva Massingue
von litprom
Der Traum der roten Kammer (eine Sittengeschichte im weitesten Sinne des 18. Jahrhunderts), Die Reise nach Westen (ein Bericht über die Reise eines buddhis- tischen Mönches nach Indien), Die Geschichte der Drei Reiche (ein Mammutgeschichtsroman in mindestens 10 Bänden) und Die Räuber vom Liang-Schan-Moor sind die vier klassischen Romane der chinesischen Literatur. Die Räuber vom Liang-Schan-Moor ist dabei mein absoluter Favorit. Es handelt sich um einen echten Volksroman, in Umgangssprache geschrieben, eine Robin-Hood-Geschichte um Song Jian und seine Gefolgsleute, die gegen korrupte kaiserliche Beamte kämpfen und den Armen geben, was sie den Reichen stehlen. Shi Nai’an und Luo Guanzhong werden als diejenigen genannt, die die verschiedenen Versionen um den historischen Volkshelden gesammelt und zusammengeschrieben haben, erschienen sind sie zum ersten Mal im 13. Jahrhundert unter dem Titel Shui Hu Zhuan (Wasserufergeschichte). Der historische Song Jian hat im 12. Jahrhundert gelebt.
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Mario Vargas Llosa: Die Stadt und die Hunde. Aus dem Regal hervorgeholt von Doris Wieser
von litprom
Mario Vargas Llosa
(Foto: MDCarchives)
Mario Vargas Llosa (*1936) gehört zu jenen großen lateinamerikanischen Erzählern, deren Werke in den 1960ern und -70ern auf der Welle des boom nach Europa gespült wurden. Die Paradigmen des Neuen Romans und Magischen Realismus standen damals für die lateiname-
rikanische Literatur schlechthin und brachten erstklassige Werke von Weltruhm hervor. Dies war nur durch die Professionalisierung des Schriftstellerberufs möglich, die den Autoren die Möglichkeit gab, solche extrem zeitaufwändigen „totalen Romane“ wie die von Vargas Llosa zu schreiben. (Weiterlesen …)
Als ob man mit einer Wassermelone auf Ameisen zielte
von litprom
Etel Adnan
Vor 20 Jahren endete mit dem Abkommen von Taif der libanesische Bürgerkrieg. Die 1925 geborene libanesische Allroundkünstlerin Etel Adnan veröffentlichte mit Sitt Marie Rose einen der wichtigsten Romane über diese Epoche der libanesischen Geschichte. Seither hat Etel Adnan sich als bildende Künstlerin, Dichterin und Essayistin immer wieder mit der Frage beschäftigt, wie Kriegs- und Gewalterfahrungen die Individuen und die Beziehungen von Menschen prägen – zuletzt in dem Erzählband Im Herzen der Finsternis. Im Rahmen ihrer künstlerischen Arbeiten zu Krieg und Nachkriegszeiten setzte Etel Adnan sich auch intensiv mit dem deutschen Dramatiker Heiner Müller auseinander. Martina Sabra hat Etel Adnan nach ihrer Identität, ihrer Beziehung zur arabischen Welt und nach dem Umgang der Libanesen mit ihrer Vergangenheit gefragt.
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Die Wahrheit im Blick und echten Geschichten auf der Spur
von litprom
In den letzten zehn Jahren hat die deutsche Buchlandschaft eine interessante Entwicklung durchlaufen. So konnten wir beobachten, wie das scheinbar generell gesteigerte Bedürfnis nach “echten” Geschichten und dem “wahrem Erlebten” befriedigt wurde und noch immer mit neuen spektakulären (Auto-)Biografien, Dokumentationen und Reportagen befriedigt wird. Vielerorts spricht man von einem Documentary Turn, ein Begriff, der die gesteigerte Produktion von autobiografischen Erzählungen, aber auch biografischen Narrationen dokumentiert. Natürlich wurden schon immer Geschichten solcher Art erzählt. Neu ist jedoch, dass heute vermehrt Geschichten von Afrikanerinnen erzählt werden, von Frauen, die oftmals viele tausend Kilometer reisen mussten, bevor sie die Grenzen Europas erreichten und glaubten, ihrem Traum von einem besseren Leben näher gekommen zu sein. Doch wie gestaltet sich dann dieses neue Leben in Europa? Während sich manche tatsächlich ihrem Ziel näher sehen, scheinen andere gerade erst den Eingang zur Hölle passiert zu haben. (Weiterlesen …)
11. March 2009Jean Rhys: Sargassomeer. Aus dem Regal hervorgeholt von Andreas M. Widmann
von litpromAntoinette Mason lebt als uneheliche Tochter eines Plantagenbesitzers mit ihrer Mutter auf einem verwahrlosten Landsitz in Coulibri. Es ist die Zeit kurz nach Abschaffung der Sklaverei in der Karibik. Als das Haus von marodierenden Schwarzen niedergebrannt wird und ihr Bruder ums Leben kommt, wird die vor Verzweiflung rasende Mutter als Geisteskranke eingesperrt. Antoinette wird fortan von Nonnen in einem Kloster erzogen, anschließend heiratet sie einen jungen Engländer. Diese ohnehin fragile Beziehung wird bald dadurch zerstört, dass Antoinette in Briefen eines angeblichen Halbbruders als Wahnsinnige verleumdet wird. Ihres Besitzes und ihrer Identität beraubt, lebt sie zuletzt als Gefangene in einem Herrenhaus in England. Dort endet ihre Geschichte mit einem großen Feuer. Es ist die Geschichte der ersten Mrs. Rochester aus Charlotte Brontes Jane Eyre (1847), der wahnsinnigen, auf dem Dachboden eingesperrten Ehefrau, die zu den faszinierendsten Figuren aus der Literatur des 19. Jahrhunderts zählt. In Sargassomeer (1966) erzählt die kreolische Schriftstellerin Jean Rhys mehr als ein Jahrhundert später von ihrem Leben. (Weiterlesen …)
19. January 2009Sherko Fatah: Ein saumseliger Zaungast
von litpromVon Grenzerfahrungen, topografisch wie mental, handeln die Romane von Sherko Fatah, der in seiner Muttersprache über sein Vaterland, den Irak, schreibt. Das ist wörtlich zu verstehen, ist er doch im November 1964 als Sohn eines irakisch-kurdischen Vaters und einer deutschen Mutter in Ostberlin geboren. Für seinen Roman Das dunkle Schiff (Jung und Jung 2008) wurde er in diesem Jahr für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Monika Carbe hat sich umfassend mit Autor und Werk beschäftigt. (Weiterlesen …)
5. November 2008Amma Darko aus Ghana: Polygamie ist das Hauptübel
von litpromAmma Darko (Foto:Regina Bouillon)
Amma Darko, 1956 geboren in Tamale im Norden Ghanas, gehört zu den meist gelesenen afrikanischen Autorinnen in Deutschland. Das verdankt sich unter anderem der Tatsache, dass ihr Debüt Der verkaufte Traum zunächst auf Deutsch im Stuttgarter Schmetterling Verlag erschien, der bis heute alle ihre Romane veröffentlicht und Darko regelmäßig zu Lesereisen einlädt. Zuletzt war sie mit ihrem jüngsten Werk Das Lächeln der Nemesis unterwegs.
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Clarice Lispector: Nahe dem wilden Herzen. Aus dem Regal hervorgeholt von Andreas M. Widmann
von litpromSelten dürfte ein erster Roman ein ähnlich eigenständiger Auftakt zu einem literarischen Lebenswerk gewesen sein wie Nahe dem wilden Herzen. 1944, als das Buch erschien, war seine Autorin, Clarice Lispector (1925–1977), gerade 19 Jahre alt, geschrieben hatte sie es mit 17. Lispectors Debüt brach radikal mit dem traditionellen Realismus, der zu jener Zeit in der brasilianischen Literatur vorherrschte, und knüpfte stattdessen an die europäische Moderne an.
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Deon Meyer: ein Mann mit Leidenschaften
von litpromDeon Meyer, der erfolgreiche Autor von Kriminalromanen aus Südafrika, entspricht genau dem Bild, das man sich von einem ehemaligen Rugbyspieler macht. 1958 in Paarl in der westlichen Kap-Provinz in Südafrika geboren, wuchs er in der Goldgräberstadt Klerksdorp auf, leistete seinen Militärdienst im angolanischen Bürgerkrieg ab, studierte an der Potchefstroom-Universität und arbeitete dann als Reporter beim „Volksblad“, einer afrikaanssprachigen Tageszeitung in Bloemfontein. Nach jahrelanger Tätigkeit unter anderem als Pressesprecher, Webdesigner, Manager für BMW Südafrika und in der Werbebranche ist er heute freier Schriftsteller, sein Traumberuf seit seinem 14. Lebensjahr.
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