Sag Leen zu mir
von lesartige
Leseeindrücke von Nicola Scholz
(12 Jahre)
Leen lebt bei einer Pflegefamilie. Hier sind alle nett zu ihm, doch trotzdem möchte er, dass es so wird wie früher. Seine Koffer packt er nicht aus, denn er hofft, dass seine Mutter ihn schon bald wieder abholt. Doch sie ist schwer krank. Und die Ärzte sagen, dass es noch dauern kann, bis sie wieder gesund wird. Das Buch ist in der Ich-Form erzählt. Dadurch bin ich Leen beim Lesen sehr nah gekommen und fand die Geschichte spannend. Obwohl es eine ernste Geschichte ist, habe ich manchmal vermisst, dass man irgendwo lachen kann. Sehr gut haben mir die schwarz-weiß Illustrationen gefallen, die zu der Stimmung der Geschichte passen
25. March 2008Karl Wolfskehl: Ströme einander befruchtenden Lebens
von tergastMehr als nur George-Jünger: Deutscher, Jude, Hesse
Dieses Blog handelt von “vergessenen Autoren”. Manch einer hat zu Lebzeiten schon geahnt, dass ihn dieses Schicksal einmal ereilen würde und das dann auch formuliert. Er sei sicher, schreibt Karl Wolfskehl am Ende des Krieges aus dem Exil an einen alten Freund in Deutschland, die Heimat habe “durchaus vergessen, daß es den deutschen Dichter Karl Wolfskehl noch gibt, wahrscheinlich vergessen, daß es ihn je gegeben habe.”
Er hatte Recht, Wolfskehl ist heute zu einer Marginalie der Literaturgeschichte geschrumpft, erwähnt höchstens noch dann, wenn gerade mal wieder der George-Kreis durch die Diskussion geistert, wie es jüngst anlässlich der großen George-Biographie von Thomas Karlauf oder der Diskussion um den Stauffenberg-Film “Valkyrie” der Fall war.
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Michail Jurjewitsch Lermontow Offizier, Dichter und soziales Gewissen
von wietekDer Tod des Dichters (Februar 1837)
13. March 2008Der Dichter fiel! …. Als Sklave der Ehre
ist er gefallen, verleumdet vom Gerücht,
mit Blei in der Brust und dem Durst nach Rache,
beugend sein stolzes Haupt! …
Die Seele des Dichters hatte
die Schmach kleinlicher Kränkungen nicht mehr ertragen,
er hatte sich erhoben gegen die Meinungen der Gesellschaft,
allein wie schon immer… und er wurde getötet!
Getötet … wozu jetzt das Weinen,
der unnütze Chor leerer Lobeshymnen
und das klägliche Gestammel der Rechtfertigung?
Das Urteil des Schicksals wurde vollstreckt!
Habt ihr nicht eben noch auf infame Weise
seine freie, kühne Begabung gejagt
und den kaum verborgenen Brand
zum Spaß angefacht?
Nun, so vergnügt euch denn … er vermochte die letzten
Peinigungen nicht zu ertragen:
Einer Fackel gleich erloschen ist der herrliche Genius,
verwelkt ist der triumphale Kranz.Kaltblütig hat sein Mörder
den Schlag geführt … eine Rettung gab es nicht:
Gleichmäßig schlägt das leere Herz,
die Pistole zittert nicht in der Hand.
Und was ist daran auch so erstaunlich? … aus der Ferne,
Hunderten anderen Flüchtlingen gleich,
wurde er auf der Jagd nach Glück und Karriere
nach dem Willen des Schicksals zu uns verschlagen,
lächelnd verachtete er frech
Sprache und Sitte des fremden Landes,
konnte ihn, der unser Ruhm war, nicht verschonen;
vermochte in jenem blutigen Augenblick nicht zu begreifen,
wogegen er seine Hand erhob!Und er wurde getötet – und aufgenommen vom Grab,
wie jener unbekannte, doch liebenswürdige Sänger,
eine Beute gefühlloser Eifersucht,
besungen von ihm mit so wunderbarer Kraft,
von einer erbarmungslosen Hand gefällt, wie auch er.Warum nur trat er aus den friedlichen Wonnen und der aufrichtigen Freundschaft
ein in diese neidische Welt, so bedrückend
für ein freies Herz und feurige Leidenschaften?
Warum reichte er nichtswürdigen Verleumdern die Hand,
warum schenkte er lügnerischen Worten und Schmeicheleien Glauben,
er, der doch von jungen Jahren an die Menschen durchschaut hatte?Und sie nahmen ihm den einstigen Kranz – eine Dornenkrone,
mit Lorbeer umwunden, setzten sie ihm auf:
Doch verborgene Nadeln verletzten
roh seine ruhmreiche Stirn;
vergiftet wurden seine letzten Augenblicke
durch das hinterhältige Geflüster höhnischer Ignoranten,
und er starb mit dem vergeblichen Durst nach Rache,
mit dem geheimen Verdruss betrogener Hoffnungen.
Verstummt sind die Klänge seiner wunderbaren Lieder,
sie werden nie mehr erklingen: Düster und eng ist die Heimstatt des Sängers,
und auf seinen Lippen liegt ein Siegel.Ihr aber, ihr hochmütigen Nachkommen
eurer für ihre notorische Schurkerei berühmten Väter,
die ihr mit sklavischem Fuß jene erledigt habt,
die von den durch die Laune des Schicksals gekränkten Geschlechtern übriggeblieben waren!
Ihr, die ihr am Thron steht als gierige Schar,
Henker von Freiheit, Genie und Ruhm!
Ihr verbergt euch hinter dem schützenden Gesetz,
vor euch müssen Gericht und Wahrheit, muss alles schweigen …
Doch gibt es ein göttliches Gericht, ihr Lieblinge des Lasters!
Es gibt ein furchteinflößendes Gericht: Es erwartet euch;
das wird nicht weich beim Klang des Goldes,
und die Gedanken und Taten kennt es im voraus.
Vergebens werdet ihr dann eure Zuflucht bei der Verleumdung suchen:
Noch einmal wird sie euch nicht helfen,
und mit all eurem schwarzen Blut werdet ihr nicht fortwaschen
das gerechte Blut des Dichters!
Käthi Bhend: Wenn Risikobücher zu Longsellern werden. “Die Nacht im Zauberwald”
von bardola
Vor zwanzig Jahren erschien erstmals das Bilderbuch „Im Traum kann ich fliegen“ mit einem Text der Schweizer Autorin Eveline Hasler und Bildern von Käthi Bhend. Die Redaktion übernahm Gisela Stottele für Ravensburger. Es ist ein mutiges Bilderbuch – allein schon wegen der fünf Protagonisten: zwei Würmer, ein Käfer, ein Engerling und eine Raupe. Auch der Schauplatz ist ungewöhnlich: Fast die gesamte Geschichte ereignet sich unter der Erde. Gänge treiben in Wort und Bild die Handlung voran und entfachen die Neugier der Leser.
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Die Fischwaid oder mein zweites sexuelles Abenteuer
von konecnyDie Frau saß mit übereinander geschlagenen Beinen in ihrem Sessel. Ihr grauer Rock etwas hinauf gerutscht, die nackten Knie… Das Buch auf ihrem Oberschenkel. Den Fußknöchel schmückte eine kleine Narbe. Mit dem nackten Fuß wippte sie in der Luft leicht im Rhythmus ihres Vortrags. Sie konnte wirklich sehr schnell ins Tschechische übersetzen. Der Rhythmus ihrer Lesung verlangsamte sich stetig, bis er ganz abbrach. Die Frau blickte schweigend ins Buch, hob den Kopf, starrte Tom und mich an. Wir starrten zurück. „Und nun frischauf zur fröhlichen Fischwaid!“, sagte sie plötzlich auf Deutsch. Wir folgten ihr in das Zimmer, wo auf uns das Bild ihres Mannes über der roten Rose wartete. Ja, so war’s: „Und nun frischauf zur fröhlichen Fischwaid!“ Diesen deutschen Satz vergesse ich wohl nie! (Weiterlesen …)
25. February 2008Die Gärten von Dorr
von lesartige
Leseeindrücke von Clara Schattauer
(12 Jahre)
Prinzessin Verliermichnicht muss Kommzurück, den Gärtner, der in ein Samenkorn verwandelt wurde, erlösen. Dazu wandert sie zu den Gärten von Dorr. Die Geschichte wird u.a. von einem Landstreicher erzählt, der der Prinzessin folgt, sie aber nie einholt. Er liebt die Prinzessin und will sie schützen und zu ihrem Vater zurückbringen. Seine Sorge um sie macht seine Sichtweise interessant und die Art und Weise, wie er von der Prinzessin spricht, finde ich besonders schön. Mir gefällt dieses Buch sehr gut, da es mit sehr viel Phantasie geschrieben ist und eine wunderbare Sprache verwendet.
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Friedrich Wolf: Schreiben als Klassenkampf
von tergastDie Kunst als Waffe im Klassenkampf. Heute in Zeiten einer neuen Innerlichkeit als kunsttheoretischer Ansatz kaum noch spürbar, war dies in den bewegten 20er Jahren durchaus anders. Sowohl rechts als auch links von der bürgerlichen Mitte benutzten die Autoren Worte als scharfes Schwert.
Friedrich Wolf war einer von ihnen. In seinem Bauernkriegsdrama „Der arme Konrad“ (1924) gibt es eine Schlüsselszene zum Verständnis seines schriftstellerischen Denkens: Die Bauern des Bundschuh ziehen während einer Aufführung des „Ehrsamen Narrengerichts“ ihre Schwerter aus den Narrenpritschen, aus dem ursprünglichen Spiel entwickelt sich also der bewaffnete Aufstand, aus leichter Kunst wird ernsthafter Kampf um Gerechtigkeit und das tägliche Brot. (Weiterlesen …)
Alexander Sergejewitsch Puschkin, Revolutionär im goldnen Käfig
von wietekÜber seine Bedeutung für die Literatur große Worte zu verlieren, hieße „Eulen nach Athen zu tragen“; es wäre, als wollte man lobende Worte über Goethe schreiben.
Obwohl: Als ich mich einst telefonisch in einem Kino erkundigte, welcher Film gegeben werde, bekam ich zur Antwort „Wilhelm Meisters Lehr- und Wanderjahre“. Verdutzt fragte ich „Wie? Von Goethe?“ Die Stimme verstummte, Musik im Hörer, dann „Ja, Goethe heißt der Mann.“
Den Namen Puschkin hätte ich der Dame sicher buchstabieren müssen, und auch dann hätte sie mit ihm nichts anfangen können.
Das trifft natürlich für die Leser des ZVAB nicht zu.
Dennoch, es muss über seine Bedeutung gesprochen werden; es sollen jedoch am besten die größten der russischen Schriftsteller zu Wort kommen und über diesen Olympier sprechen.
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Scott O'Dell: Doppelter Bruch mit der Erzähltradition
von bardolaWer ist der Mann, der 1959 den Klassiker “Insel der blauen Delphine” schrieb, ein Roman, der bis heute Kinder und Erwachsene gleichermaßen fasziniert?
Scott O’Dell wurde als Odell Gabriel Scott 1898 in Los Angeles geboren, studierte Psychologie, Philosophie, Geschichte und Englisch, lektorierte danach Drehbücher und veröffentlichte 1924 eine Aufsatzsammlung über erfolgreiche Stummfilm-Scripts, worauf er von Paramount Pictures engagiert wurde. Er arbeitete in Hollywood auch als Kameramann, u.a. bei den Filmaufnahmen zu Ben Hur in Rom. Italien gefiel ihm so gut, dass er ein Jahr lang dort lebte und einen Roman schrieb, den er jedoch verbrannte. 1934 erschien “Woman of Spain” und nach dem Zweiten Weltkrieg zwei weitere Romane für Erwachsene. Von 1947 bis 1955 arbeitete er als Redakteur für die „Los Angeles Daily News“.
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Das weibliche Gehirn, Karin und die Sittengeschichte
von konecnyDie Gehirnforschung hat entdeckt, dass Karin und ich ganz anders strukturierte Gehirne haben: Ich denke, also bin ich anders! Als Karin meine ich. Daher kommen wohl die ganzen Probleme zwischen uns! Sollte ich ihr besser nicht vorspielen, dass ich so denke wie sie? Wenn ich denke, wie ich denke – also wie ein Mann – ist sie auf mich sauer!
„Warum machst du wieder so ’ne betrübte Miene, he?“, fragte ich früher öfter Karin, wenn sie von der Arbeit kam. Die Frage machte sie komischerweise noch betrübter.
„Lass mich!“, sagte sie. „Bin halt etwas gestresst!“
„Jogg doch ein bisschen, Schnucki!“, sagte ich sofort. „Dann geht’s dir gleich besser!“
Klar flippte sie aus. „Ich will keine blöden Tipps hören!“, kreischte sie. „Kannst du manchmal nicht einfach nur zuhören, verdammt?“
Hä? Nur zuhören! Wenn so viele heiße Lösungsvorschläge für ihre Probleme deine Zunge grillen? Doch wenn der Mann keine Krapfen mehr bekommt, ist das Mannsein einfach tragisch. „Was erwartest du von deinem Mann“, fragte ich eine Freundin, „wenn du traurig, müde oder gestresst bist?“
„Er soll mich an der Hand und das Maul halten!“, sagte sie.
„Ja, willst du gar nicht deine Probleme lösen?“, fragte ich.
„Jedes komplexe Problem hat eine einfache Lösung, und die ist falsch!“, sagte sie frei nach Umberto Eco.
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