Meine erste Antiquariatsmesse
von konecnyIch vergesse nie die Panik in den Augen meines Antiquariatspartners Christof, immer wenn ich nach der Gründung unseres Abeceda-Antiquariats vom Flohmarkt in unseren Laden zurückkehrte. Breit grinsend und mit vollen Plastiktüten in den Händen. Glücklich breitete ich den eingekauften Antiquaritsmüll vor Christof aus, die zwar alten, doch unverkäuflichen und halb zerfledderten Kunst- und Prachtbände, die unvollständigen Klassikerwerkausgaben, die jeden Flohmarkt schmücken, und sagte stolz: „Tausend Mark haben die Schätze gekostet.“
„Hau das in die Wühlkisten!“ sagte Christof und seufzte. „Wir sollten uns für eine Antiquariatsmesse anmelden! Dort können wir etwas über wirklich wertvolle alte Bücher lernen.“
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Maxim Gorki, Der Romantiker und Revolutionär
von wietekMaxim Gorki (weitere Schreibweisen des Namens: Maksim Gork’ij oder Gorkij), geboren am 16. März (nach dem alten vorrevolutionären Kalender) bzw. 28 März (nach dem heute gültigen Kalender) 1868 in Nischni-Nowgorod und gestorben am 18. Juni 1936.
Sein eigentlicher Name, auf den er getauft wurde, lautet Alexej Maximowitsch Peschkow. Das Pseudonym nahm er erst an, als seine erste Erzählung »Makar Tschudra« veröffentlicht werden sollte; mit dem Namen „Maxim“ wollte er an seinen früh verstorbenen Bruder erinnern, und russisch „gorki“ heißt „der Bittere“, der Spitzname, den sein Vater wegen seiner spitzen Zunge gehabt hatte.
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Identitätssuche im deutsch-jüdischen Kontext: Jakob Wassermann
von tergastWelch bleibende Wirkung die Jahre der nazistischen Barbarei hatten, lässt sich u.a. auch auf dem Feld der Literatur bestens studieren. Viele der von den braunen Horden verfemten Autoren, deren Bücher auf dem Scheiterhaufen landeten, waren vor dem Dritten Reich viel gelesene, bekannte und geschätzte Autoren. Einer der Wichtigsten, bei dem diese Scheiterhaufen-Zäsur bleibende Wirkung hinterlassen hat, ist zweifelsohne Jakob Wassermann.
Im März 1873 im fränkischen Fürth geboren, hätte aus dem kleinen Jakob ein Spielwarenfabrikant werden können, wenn er die auf Geheiß des Vaters 1889 in Wien begonnene Lehre im Geschäft seines Onkels ernst genommen und beendet hätte. Doch Jakob fühlte sich zu anderem berufen, Schreiben war sein Metier, und so schmiss der junge Mann die Lehre, um sich zunächst auf eine unstete Wanderschaft zu begeben, die ihren negativen Höhepunkt in den Erfahrungen einer einjährigen Militärzeit in Würzburg hatte. Wassermanns Erlebnisse dort müssen in etwa vergleichbar mit den Grausamkeiten sein, die Rilke in St. Pölten erlebte und werden in beiden Fällen eine prägende Zeit für den späteren Schriftsteller gewesen sein.
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Dank der ZVAB Antiquariate konnten viele Buchverluste wiederbeschafft werden.
von zvab
©Maik Schuck
Am 24. Oktober wurde die Anna-Amalia Bibliothek wiedereröffnet. Am 2. November 2004 wurden über 50.000 Bücher durch einen verheerenden Brand schwer beschädigt – 25 Jahre wird die Restaurierung und Wiederbeschaffung dauern, meint Matthias Hageböck, Restaurierungsleiter der Bibliothek. Das ZVAB hat daher diesen Kulturauftrag mit angenommen und seinerzeit gemeinsam mit den ZVAB Mitgliedsantiquariaten eine Spendenaktion ins Leben gerufen, die stolze 23.383,50 Euro eingebracht hat. Diese Summe ist der Erlös der ZVAB Benefizaktion zugunsten der Bibliothek und entstand durch rund 40.000 Bestellungen. Das ZVAB und 551 ZVAB Mitgliedsantiquariate hatten im Zeitraum vom 20.10.04 bis zum 30.11.04 pro verkauften Artikel ab einem Wert von 10 Euro zusammengelegt und 50 Cent gespendet: 20 Cent kamen vom jeweiligen Antiquar und das ZVAB gab 30 Cent dazu. Von diesem Geld konnten diverse Bücher neu unter anderem über das ZVAB, das bald zu einer der Hauptwiederbeschaffungsquellen der Anna Amalia Bibliothek wurde, angeschafft werden.
24. October 2007Günter Ohnemus: Der Fänger in Deutschland
von bardolaDer Tiger auf deiner Schulter
“Es gibt dich und Karen, und das darf niemand zerstören. Das könnt ihr beide vielleicht kaputtmachen, aber sonst hat niemand das Recht dazu.”
Welcher Teenager wünscht sich nicht so eine Mutter, die ihrem Sohn das Auto leiht und Tipps gibt für die Suche nach seiner Freundin! Damit endet dieser preisgekrönte moderne Klassiker.
Vincent, genannt Gogo, heißt der Sohn, der sich auch mit seinem Vater gut versteht. Die Konflikte liegen woanders: Vincent sehnt sich nach Ehrlichkeit, liebt Literatur, philosophiert gerne. Er liebt Karen, muss aber feststellen, dass diese Beziehung von den Erwachsenen torpediert wird. “Alligators all around” warnt sie ihn. Während eines High-School-Jahres in Amerika hatte er sich in Tiffany verliebt, doch deren Eltern unterbanden die Beziehung. Dieser doppelte Konflikt bildet den Kern des Romans. Niemand schildert verletzte Gerechtigkeitsliebe in der Adoleszenz besser als Ohnemus. (Weiterlesen …)
24. October 2007Nina Nikolajewna Berberowa
von wietekNina Nikolajewna Berberowa (Berberova, Betonung auf der zweiten Silbe) entwickelte sich schon in ihrer Kindheit zu einer starken Persönlichkeit und war bürgerlich-liberal, antifeudal eingestellt.
In ihrer Belletristik ist sie eine typische Vertreterin der Emigranten-Schriftsteller. Ihre Einstellung zum Leben jedoch war keineswegs die eines typischen, vom Schicksal geschlagenen Emigranten. In ihrem 1978 verfassten Buch »Železnaja ženšcina« (deutsch Baronin Budberg) beschreibt sie ihre einzige Gemeinsamkeit mit Marija (von Gorki Mura genannt) Budberg, mit der sie drei Jahre (1922-1925) bei Gorki unter einem Dach gelebt hatte, so: “Wir hatten beide, jede auf ihre Art, ein für allemal beschlossen, nicht mehr in unser Höhlendasein zurückzukehren, und wir kannten beide die Momente, in denen wir die Verantwortung übernehmen und eine Wahl treffen mussten. Und unsere Handlungsweise sahen wir nicht wie eine Kette weiblicher Launen an oder wie die allgemeinen Sünden der Epoche oder als Ergebnis unzulänglicher Lebensumstände, sondern als Teil unserer selbst, für den wir persönlich verantwortlich waren.” An anderer Stelle sagte sie einmal, dass sie sich bis 1953 als Verbannte, voller Angst vor Stalin, nach seinem Tod jedoch als Gesandte der russischen Kultur gefühlt habe.
Zur Zeit des Hitler-Stalin-Paktes und nach dem Angriff Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion herrschte in den Emigrantenkreisen große Unruhe: Auf der einen Seite der verhasste Stalin, auf der anderen der Angriif auf das eigene Volk, eine Wahl zwischen zwei rabenschwarzen Übeln. Die Emigrantengemeinde zersplitterte in Gegner und Befürworter, die sich gegenseitig mit Verdächtigungen und Vorwürfen überschütteten. Auch Berberowa geriet – zumindest im Nachhinein – zwischen diese gewaltigen Mühlsteine.
Als Journalistin recherchierte sie sehr genau, klar und nüchtern, blieb aber bei ihrer belletristischen Ausdrucksweise, was ihren Berichten eine große Farbigkeit verleiht, und diese dadurch spannend zu lesen sind.
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Gute Geschichten
von konecny
Ein Buch enthält eine Geschichte. Mindestens eine. Sogar ein Sachbuch. Doch ein antiquarisches Buch ist außerdem der Held seines eigenen Abenteuers. So muss ein guter Antiquar auch ein guter Geschichtenerzähler sein. Je besser die Geschichte, desto besser lässt sich das Buch verkaufen. Natürlich machen gute Geschichten auch dem Antiquar viel mehr Spaß.
Eine verregnete Nacht im Herbst vergesse ich nie. Vor einigen Monaten hatten Christof Größl und ich das Abeceda-Antiquariat gegründet. Jetzt hockten wir in einer Raststätte an der Autobahn und versuchten, uns mit Kaffee die Nacht aus den Köpfen zu schlagen. Vor uns auf dem Tisch einige Zettel, ein Pfandschein und ein handschriftlich geschriebenes Büchlein: Originalschriften des Dichters J. G. Seume. Mit Seumes Gedichten darin. „Mann!“ sagte ich. „Und wenn das eine echte Handschrift von Seume ist?“ „Der Einband ist höchstens 100 Jahre alt!“ sagte Christof. „Und auch die Schrift entstand wohl später als zu Seumes Lebzeiten.“ Seume starb im Jahre 1810. Was sollte dann aber der dem Band beigelegte Pfandschein vom 19.12.1922? Hier hatte ein Wirt des Gasthofs Zum Weißen Ross in Knautkleeberg bei Leipzig unterschrieben, dass er „zwanzigtausend Mark Pfand für einen Band Seumegedichte“ erhalten habe. Unser Buch! Dabei lag ein gedrucktes Programm der Seume-Gedenkfeier am 13. Juni 1910 im Gasthof Zum Weißen Ross in Knautkleeberg – an Seumes hundertsten Todestag also – und ein gedrucktes Portrait Seumes.
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Edwin A. Abbott: Flächenland – Ein mehrdimensionaler Roman
von bardolaEs war der letzte Tag des Jahres 1999 … Ich saß neben meiner Frau und dachte über die Ereignisse des vergangenen Jahres nach und über die Aussichten des kommenden, über das kommende Jahrhundert und über das kommende Jahrtausend … Nur wenig Sand war noch in dem Halbstundenglas übrig. Ich erhob mich aus meinen Gedanken und drehte die Sanduhr zum letzten Mal im alten Jahrtausend nach Norden …
Edwin A. Abbotts Quadrat hat sich in der Sylvesternacht auf den Weg durch fremde Welten gemacht. Der Traum vom Linienland und die Reise durch das Punkt- und das Raumland gehören zu den faszinierendsten Leseerlebnissen für Jung und Alt. Abbotts „Flatland. A Romance of Many Dimensions“ erschien erstmals in England im Jahr 1884. Doch das ist nicht der Hauptgrund für die überraschende Ausdrucksweise des Ich-Erzählers, eines alten Quadrates, das die nur einmal alle tausend Jahre wiederkehrende Chance erhält, eine neue Dimension kennen zu lernen. Seine Welt, die nur Länge und Breite, also nur die ersten beiden, jedoch nicht die Höhe, die dritte Dimension, kennt, ist der Grund dafür, dass das Stundenglas nicht auf den Kopf gestellt werden kann. Sein Land ist flach wie ein Blatt Papier. Darauf leben Linien, Kreise, Dreiecke und viele andere zweidimensionale Figuren wie Schatten, unfähig aufzusteigen oder abzutauchen. Doch sie ahnen nichts von diesem Mangel und können sich weder Höhe noch Tiefe vorstellen. (Weiterlesen …)
Ré Soupault. Die Fotografin der magischen Sekunde
von zvab
© 2007 Nachlass Ré Soupault /
VG Bild-Kunst, Bonn 2007
Das Literaturhaus München zeigt ab dem 3.10.2007 eine große Gesamtschau der Fotografin Ré Soupault. Das fotografische Werk von Ré Soupault zählt zu den wichtigsten Wiederentdeckungen in der Fotogeschichte des 20. Jahrhunderts. Ré Soupault, die nach ihrem Studium am Bauhaus in Weimar als Journalistin und Modezeichnerin für den Berliner Scherl-Verlag arbeitete, begann 1934 zu fotografieren. Sie begleitete ihren Mann Philippe Soupault, den Mitinitiator der Surrealismus-Bewegung, auf seinen Reisen durch Europa, Amerika und Afrika und schuf Fotografien für seine Reportagen. Vor allem in Tunis, wo das Paar von 1938 bis 1942 lebte, entstanden beeindruckende Fotoserien.
Die Ausstellung der Berliner Festspiele wurde zuletzt im Martin-Gropius-Bau in Berlin gezeigt und kommt nun nach München. Sie umfasst rund 250 Aufnahmen, außerdem wird erstmals unbekanntes Archivmaterial aus dem Nachlass gezeigt, das die vielfältigen Freundschaften und Arbeitsbeziehungen Ré Soupaults mit KünstlerInnen und FotografInnen der europäischen Avantgarde dokumentiert, aber auch mit Übersetzungen und Textmanuskripten die Vielseitigkeit Ré Soupaults belegt.
21. September 2007Auf der sexistischen Achterbahn – zu Henry Millers Wendekreis des Krebses
von konecnyIch wohne in der Villa Borghese. Hier ist nirgendwo eine Spur von Schmutz; kein Stuhl, der nicht an seinem Platz steht. Wir sind hier ganz allein und wie Tote.
So schaurig dicht beginnt Henry Miller seinen Wendekreis des Krebses. Schon die ersten zwei Sätze eine ganze Geschichte. Ein Roman wie ein Bild von Picasso! Eher surrealistisch als kubistisch, doch mit allen Ecken und Kanten des Lebens. Ein freier Mann zeigt uns furchtlos seine – unsere – Dämonen. Das ganze evolutionäre Erbe eines Mannes vollendet als Literatur! Das Buch ist so gut, dass man es nach seinem Erscheinen im Jahr 1934 in Henry Millers Heimat, USA auch sofort verbieten musste. Obwohl George Bush Junior damals nicht mal als ein Spermium vorhanden war.
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