Karin Fellner

Scharf leuchten Überreste von Werksgeländen, eine

Schwalbe im Sinkflug ruft: Nehmt das Kopfblueten an!

 

Mineralischer Mittag, schon sehen wir nicht mehr scharf,

sehn schon umami und bitter.

 

Werden Sprechapparate auch künftig in Wesen montiert sein? frag ich.

Und du: Wenn wir erfahrener wären im Bitteren, dann …

 

Erzähl doch bitte noch einmal, wie auch das Licht ermüdet,

wenn es vom Boden auf und gegen die Gravitation fliegt!

 

Die auf den Index gesetzte Sonne leuchtet uns

fort

 

(aus dem eben erschienenen Band „eins: zum andern“, parasitenpresse Köln 2019)

18. April 2019 08:17










Karin Fellner

die strudelnden

Plätze, Pläne (sag gleich: Projekte) drängln herbei und belagern,
belangen mich nicht, ein Mund strömz aus und noch einer, nichts
hält und eine Weile lässt sich lange so sitzen im Eck, leere Wand, leere Welle

Zuspruch aus dem Off: „Wann die Münder so krachen, heißts, dass die Spucke sich ändert“

hier ende ich langsam, ach, all die wrongen Worte, unser hastig Gebaren!
die trunkene Pappel geht in mein Ohr, mir ein, Oratorium, mich
driftend erscheinen Menschen, Namen, Orte, scheinige Sprach-
salven, wolln nicht verfangen

dabei teilen wir doch und ganz konkret unsre Knochen, werden durchgespeist,
suchen, versuchen, stochern –

23. Dezember 2018 10:38










Karin Fellner

Phantominseln

treffen sich o und a, fliehen durch Apparatore, sobald

der Szientist sie herbeizitiert, Linsen auf sie zentriert,

tun sie zuerst ganz fest-

körperlich, aber bleiben unfoamulierbar, gehn

/

o und a im Labor dem Szientist durch den Kopf,

will er sie: Kategorien, kartografierbare Teile! Doch auch in dieser kost-

baren Versuchsanordnung sind sie ver- und entwischt

/

in einem Geflecht sind die beiden vielfach verhakte Knie, jenseits von Er/Sie,

Wellen vor der Schnauze des kosmischen Cephalopoda

/

Inseln sind a und o nur in der Draufsicht: drunter,

ahnt der Szientist, sind sie vollzählig und

verbunden mit mannigfachen Rohdaten und Atollen

9. Februar 2018 07:19










Karin Fellner

chroniksch

wellig gehen Orte auf und unter
Miesfäden, Moosfäden,
verfilzte Generationen

Torf, Bregen, abgedeckt
die Schädelplatten der Haie
weißt schon, Haie mit Bärten

abgedeckt auch die Soden
von mageren Jongens, ha
ihre verbrannten Gebeine

und am Kliff, war das Schilf, ging das schief
ein und aus
unterm Ab-Abdecker

Torf, am Totenfenster
steht noch der Leuchter, sah
seine Arme schmerzen

indes hocken Haie und Jongens gemeinsam am Hafen und
lachen und essen einander
hier alles in deutscher Hand

18. Oktober 2017 07:35










Karin Fellner

Komische Symmetrie

Alles hat seine Gegend. Hat auch sein Gegending.
Gesagt: Ich erledige das, schon merk ich, dass mich das erledigt.

Klipper des Denkens kippen in diese, jene Richtung,
ich flip-floppe drauf herum und schwa/enke mit meinen Segeln.

Angenommen, ich mache in Reifen oder in Reimen,
je länger ich das betreibe, je mehr macht Reif/Reim in mir.

Oder ich wache auf, halb außerhalb, wabernd, ein Blob.
Sitz ich dann, halt halt den Stoff, bis der Stoff mich hält, in Form.

Gesetzt den Fall, mir setzt sich ein Angstschlapphut auf,
der grummelt: weltverlassen biste, bleibst geschasst.

Probates Antidot: Stülp ich den Hut um, denn drinnen
wohnt die andere Angst: Bedrängung in gläsernen Räumen.

Verwandt und anti-verwandt, macht eine die andere aus,
löschen sie sich einander, Interferenzspektakel.

Notabene: Du, Knödel auf meinem Teller, gibst dich bereitwillig hin.
So will auch ich mich bereiten, meinen künftigen Essern ein guter Knödel zu sein.

8. September 2017 07:53










Karin Fellner

One Look Equals Three-Quarters of a Whisper

Once again, a dark window, a plaque
full of molecular structures and migrating galaxies.

Eureka! Those shy, those rare butterflies,
and how the eyes pan across as they flutter back into the abstruse.

As your bent head teeters on bent hands, the point,
phantomlike, remains as many fathoms deep.

Pulling from below, pulling the mass of the earth on a yarn,
your thinking sways above the physical maps.

What does that tell us, Madame?
Does it let itself be solved, this fourth of the night?

(Poem translated by Zane Johnson, USA, 2017,
who is finishing his Bachelor’s at the University of Colorado Denver and plans on studying in Germany in the coming year through a Fulbright.)

––––––––––––––

Einer Einheit Schau entspricht dreiviertel Raunen

Abermals Dunkelfenster, eine Tafel voller
Molekularstrukturen und wandernder Galaxien.

Heureka, die scheuen, die seltenen Dickkopffalter,
wie sie beim Schwenk der Augen zurück ins Abstruse flattern.

So wankt der verbogene Kopf auf den verbogenen Händen,
Schwergewicht, Phantom, wie viele Faden tief.

Von unten da ziehts, da zieht die Erdmasse an einem Garn,
pendelt das Denken aus über physischen Karten.

Was sagt uns das, Madame?
Lässt er sich, meinen Sie, lösen, dieser Dreisatz der Nacht?

(Karin Fellner, 2014)

12. Juli 2017 07:30










Karin Fellner

Go deeper and beyond

to the beardless Alexander in a blast furnace
who would raise his brow here once more
conqueror of grinning cuttlefish

to Leonardo with snorkel and screwdriver
lurking on enemy ships outside the harbor
surrounded by hunchbacked fishermen

past the leather-covered caisson
whose divers bleed gently from the ears

to the automatic eels, to the oilheads, chlorine gas and
all men pressed into the sheath of war.

On bare feet only
in the garden of waves
in the sprawling spray
step and let
the log sink:                Silence


(Poem translated by Zane Johnson, USA, 2017,
who is finishing his Bachelor’s at the University of Colorado Denver and plans on studying in Germany in the coming year through a Fulbright.)

—————————————

Tiefer gehn und vorüber

am bartlosen Alexander in einer Glocke, der auch
hier einmal die Stirn erheben wollte, Erobrer
von grinsenden Sepien

an Leonardo mit Schnorchel und Schraubenbohrer
der draußen im Hafen auf Feindschiffe lauert, von
buckligen Anglern umringt

vorbei auch am ledergedeckten Senkkasten
dessen Paddler sanft aus den Ohren bluten

am automatischen Aal, an Ölköpfen, Chlorgasen und
all den ins Futteral des Krieges gepressten Mannen.

Auf bloßen Füßen nur
in den Garten der Brandung
in die wuchernde Gischt
treten und das Log
sinken lassen:                         Silence.

(Karin Fellner, 2014)

28. Juni 2017 07:01










Karin Fellner

Woman, caught in a fever

you climb up to the nest and grow
out of your dark plumage.

This is your muff amidst
Nordic cuisine. Your

t(ang)le and your ang(st)el
live here in your handpalm.

See how all the windows warp
when you crack your knuckles.

The mustardy light still carries
things like lace:
a confused honey bee—
Confucian clouds—
then your mother with
arms rowing in a
dusky pink sari—then
a BMW 1500
with a rusty underbody.

You are a dust mouse lying
in an empty tub. Mummy-dry. So:
go out like a little candle. A spontaneous
dust formation in an operetta.
A wave pattern would be left behind.
Something broken, thin as a fuse.
A God particle or supper for
a silverfish—

(Poem translated by Zane Johnson, USA, 2017,
who is finishing his Bachelor’s at the University of Colorado Denver and plans on studying in Germany in the coming year through a Fulbright.)

——–

Frau, ins Fieber verstrickt
steigst du ins Nest und wächst
dich aus zum dunklen Gefieder.

Dies ist dein Muff inmitten
nordischer Kost. Hier wohnen
dein Angerl und dein Engstel
in der Handpalme. Schau,
wenn du knöchelknackst,
dehnen sich alle Fenster.

Schon trägt das Senflicht Dinge
wie an Schnüren vorüber:
eine konfuse Hummel –
konfuzianische Wolken –
dann deine Mutter mit
rudernden Armen im
altrosa Sari – dann
ein BMW 1500
mit rostigem Unterboden.

Ein Zusel bist du, zu legen
in eine leere Wanne. Mumientrocken. So
ausgehn wiara Keazal. In einer Operetka
spontaner Staubwerdung.
Ein Wedeln bliebe zurück.
Ein Dreck, so dünn wie Zündschnur.
Ein Higgsteil oder Fresschen für
einen Zuckergast –

(Karin Fellner, 2014)

19. Juni 2017 08:52










Karin Fellner

Protuberanzen

/

mit offenen Pulsen gehst: Girlande aus Lichtschädeln,

an Zerspelltem vorbei, schwingende Kinder und Beutel,

durch das Klingeln gehst, verschlissen, nicht

abschließbar

/

auf Fluchtwegen kommst du vor, unter anderen,

sehenden Auges die glanzvollen Blutungen,

jüngst, heißt es, hat oder wird

man Dokumente beenden

/

durch die Strahlung, das ist: ins Verflochtene

gehst, durch knackende Hundezähne,

sagst, im Wissen der Löschung:

alle Wesen sind schön

/

jetzt steht die Ameise auf,

entflammt diese Spezies

10. Juni 2017 13:17










Karin Fellner

zwei Flügel. sie tönen. sie ähneln Ahornzwickern, sind schwarz, ihr Singsang erinnert an portable Radios, sie schwingen ein und auf, mit oder ohne Pedal, leise hängen sie an der Autorotation, an mehreren Füßen, pendeln, die Tastsinne werden gedrückt in embryonale Falten, Portieren, sie öffnen sich, spreizen die Haut, buchten aus, Halteren schwingen im Gegentakt, halten sie? hängen aneinander, lassen per Taste sich einklinken ins Gerüst, bewegen sich paarweise, unabhängig, sie knicken nicht ein à la Rabenbein, zur Seite orientiert, an die Fersen geheftet, hegetōr oneirōn, rauschen sie ohne Masse mit Gruppengeschwindigkeit vorbei an Faltenwürfen in die nächste Sequenz –

28. März 2017 06:42










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