Protest gegen Gesetzesentwurf, der Unterstützung für Migranten ohne Papiere kriminalisieren würde
Spaniens konservative Regierung plant den Kurs gegen illegale Einwanderung weiter zu verschärfen. Nachdem im Herbst 2012 die Gesundheitsversorgung für Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus in den meisten Regionen abgeschafft wurde, sollen nun jene, die illegalen Migranten helfen, kriminalisiert werden, wie die linke Onlinezeitung Público berichtet.
Der Vorentwurf einer Strafgesetzbuch-Reform lässt nicht nur Flüchtlingshilfsorganisationen sorgenvoll auf den geplanten Artikel 318 blicken: "Wer vorsätzlich einer Person Hilfe leistet, die nicht aus einem EU-Mitgliedsstaat stammt, um in einen anderen einzureisen oder sich in einem fortzubewegen (...) dem droht eine Geldstrafe von drei bis zwölf Monaten (Tagsätze, Anm.) oder sechs bis 24 Monate Haft."
Um von Justizminister Alberto Ruiz Gallardón die Korrektur des Artikels 318 einzufordern, startete die Plattform "Retten wir die Gastfreundschaft", bestehend aus Juristen, NGO-Mitarbeitern, Priestern und Universitätsprofessoren, jüngst eine Unterschriftenkampagne. Der Artikel sei derart "unglücklich wie schwammig" formuliert, dass jeder, der den "Sin Papeles" ("ohne Papiere") Obdach, Nahrungsmittel oder Kleidung zur Verfügung stellt, sich strafbar macht, argumentieren sie.
Unpräzise Formulierung
Eine "präzisere Formulierung" der Gesetzeszeilen fordert auch der Oberste Richterrat (CGPJ) und Joaquim Bosch, der Sprecher des Verbands " Richter für die Demokratie". Er erachtet die geplante Gesetzesänderung als "neuerlichen Fehlschuss", diesmal in puncto Migrationspolitik. "Die Regierung will soziales Verhalten kriminalisieren", beklagt Bosch.
Anders sieht das indes das Justizministerium: Die Reform ziele vornehmlich gegen den Menschenhandel, argumentiert man hier. Die Generalstaatsanwaltschaft könne "bei humanitären Hilfsleistungen von Sanktionen absehen", wird betont.
"Binnen zwei Dekaden ist die Zuwanderung von einem Prozent im Vergleich zur Gesamtbevölkerung auf zwölf Prozent gestiegen, die 'Sin Papeles' gar nicht mitgerechnet", sagt Tomás Calvo Buezas, emeritierter Professor für Sozialanthropologie an der Madrider Universidad Complutense und Gründer des Studienzentrums für Migration und Rassismus: "Rassistische Gewalttaten stiegen in der Zeit lediglich um fünf Prozent." Doch Calvo Buezas warnt: "Die Krise schafft ein immer gefährlicheres Klima".
Wie die Goldene Morgenröte Griechenlands würden Neofaschisten und -Nazis sich in Spanien an der Mittel- und Unterschicht nähren, indem sie einen Konkurrenzkampf um Jobs mit Migranten vorgaukeln. (Jan Marot, DER STANDARD, 4.1.2012)