"Wie man Dinge repariert" ist ein Text über Dich. Ja, Du sollst dich angesprochen fühlen. So ist die Form des Buches. Es geht um Dich und ein Ich, das sich im Aufschreiben der zu reparierenden Dinge förmlich zerfleischt, zerfleischt bildlich gesprochen. "Metaphern sind Monster, man kann ihnen nicht trauen." (58) Konkret zerbiert sich das Ich vielmehr. Und es zermartert sich von Beginn an. Denn allein die Frage "Wie beginnen?" wirft schon jede Menge Schwierigkeiten und Möglichkeiten auf. "Ich könnte mit allem anfangen, aber kein Anfang wäre richtig. Kein Anfang würde stimmen. Auch die Reihenfolge ist egal, weil es keine Chronologie gibt." (S. 9)
Das ist ein erfrischendes Auftakt-Eingeständnis, das eingehalten wird. Keine Geschichte von A nach B also, auch keine Geschichte zwischen A und B, vielmehr eine Geschichte durchs ganze Ex-Freundinnen-Alphabet zwischen dem Elternhaus im Waldviertel, Wales, Klagenfurt, Slowenien, der leider nicht am Meer liegenden Stadt Zagreb und Wien, die immer wieder zurück zu Dir führt. Eine Geschichte, die ohne Dich nicht zu erzählen ist. Du füllst die Lücken auf, die Lektorin erinnert ans Fertigmachen des Romans. Ja, der Text erlaubt sich auch postmoderne Spielchen. Mit der Lektorin wird ein entspanntes Verhältnis gepflegt. Den Schreibprozess sichtbar zu machen, ist dem Text genauso wichtig, wie mit Fiktion und Autobiografie zu spielen und die Grenzen unkenntlich zu machen. Fast könnte man sagen, das Ich will nur spielen. Nur hat das Ich das Spielen irgendwann durch Sex ersetzt. Seither wird nichts einfacher. Aber wen interessiert schon Einfaches und Durchschnitt. Das Ich will nur Dich - immer wieder. Ja, "Das ist das letzte Mal" ist im Augenblick des Aussprechens halt auch immer wahr.
Beziehungsstatus
Manchmal wird das Du und Ich zum Wir. Dann gibt's vermeintlich nichts zum Feiern. Das Wir trägt vorübergehend und gaukelt heile Beziehungswelt vor, die der nächste Beziehungsstatus allerdings gleich wieder bricht. Die Beziehungsstatus-Meldungen im Buch haben eine Trennfunktion. Sie sind ein Gliederungselement und den Kapiteln zwischengeschaltet. Alleine dass es so viele davon gibt, zeigt schon, wie schwierig die Beziehungen sind.
"Wie man Dinge repariert" ist eine Geschichte vom Ich, das vom Du nicht loskommt und gern ein Wir wär, einstweilen aber mehr Bier ist. Denn getrunken wurde vom Ich und seiner Umgebung immer schon viel: Männlichkeit, Angst, Tränen - alles passt in ein Schnapsglas und lässt sich exen aber die Trostlosigkeit von 78 leeren Bierflaschen passt in kein Herz. Apropos Herz: das Ich kann auch melancholische Watschen austeilen, die ihm mehr weh tun als Dir und die mehr im Herzen als auf der Wange brennen. "Schau, ich schreibe noch immer über dich. Und schau, mittlerweile weiß ich, was uns gefehlt hat: eine Anleitung, wie man Dinge repariert." (S. 29)
Aber einen Lebensbauplan gibt es ebenso wenig wie einen Beziehungsbeipackzettel und wenn wer wüsste, wie kränkelnde Beziehungen zu kurieren und kaputte Wirs zu reparieren wären, schriebe sie oder er einen Lebensratgeber mit 100.000 Exemplaren Startauflage. Martin Peichl aber hat ein Buch über Beziehungen aller Art - zur Heimat, zur Familie, zu Menschen, die einen mal kürzer mal länger begleiten - geschrieben, Beziehungen mit all ihren Freuden und Tücken: "seit Jahren finde ich den Schlüssel nicht" (S. 103).
Von Mama kommentiertes Fotoalbum
"Wie man Dinge repariert" ist ein Buch voll Sehnsucht und Leidenschaft, voll Poesie und Trennungsschmerz, voll Tiefgründigkeit und formaler Verspieltheit, voll Witz und Waldviertel, voll bitter-süßer Erinnerung und bissiger Gegenwartsanalyse, voll Verlust und mit diversen Getränken vorübergehend aufgefüllten Leerstellen, voll Sex und was war da noch? Ach ja, Sucht. "Wie man Dinge repariert" ist ein verklärend von Mama kommentiertes Fotoalbum aus Kindheitstagen und ein selbsthass-verliebt geführter Instagram-Account, ist ein Katalog von immens wichtigen Kleinigkeiten, eine Intimitäts-Inventurliste, ein Sex-Manual, eine gemeinsame Geschichtsschreibung durch Geschichtsvariation. Denn: Wer verliebt ist, darf alles.
"(...) ganz ehrlich: Ich erzähle unsere Geschichte lieber immer wieder vom Anfang an und jedes Mal ein wenig anders, als tatsächlich auszuprobieren, wie sie hätte ausgehen können." (S. 73) Ist das feig? Nein, originell und jedes Mal ein wenig anders schön. Und zum Schluss: kein Ende aber immer wieder Rückfälle.
MARTIN PEICHL. WIE MAN DINGE REPARIERT. Edition Atelier. 2019. ISBN 978-3-99065-006-6.