Montag, 16. April 2012

Keinen Bock

Lehrer, die die Tage bis zur ihrer Pensionierung zählen und dies den Schülern regelmäßig mitteilen. Lehrer, die offen äußern: "Heute hab ich keine Lust. Geht in die Mensa, wenn Ihr wollt."
Gibt es nicht? Offenbar doch...

Dienstag, 6. März 2012

Chuzpe

Biologie-Leistungskurs, wenige Wochen vor dem Abitur, zehn Minuten nach Beginn der Abi-Vorklausur:

"Ach, übrigens, ihr wisst ja: nächsten Freitag Exkursion. Die ist jetzt genehmigt."

Verwirrung, Schweigen, die mühsam gerafften Gedanken purzeln vom Tisch. Dann: "Wohin denn?"

"Neandertal"

"Und wie kommen wir dahin?"

"Ihr schafft das schon. Ihr seid doch alle 18?"

"Nee, nicht alle." (G8 lässt grüßen, völlig neu für den aufstrebenden Pädagogen J., mittlerweile unter Schülern dafür bekannt, dass er nach 60 Min. einer Doppelstunde bekennt, mit seinem Unterrichtsstoff eigentlich durch zu sein)

"Ja, wer denn nicht?" Drei Meldungen. - "Na dann schreiben Eure Eltern eben eine Bescheinigung."

"Worüber?"

"Na, halt irgendwas."

Da stockt mir der Atem. Nicht, weil ich ein besonders timider Erziehungsberechtigter bin. Sondern ob der Chuzpe und Ignoranz mit der hier die organisatorischen Aufgaben der Schule einfach an ihre Auftraggeber zurückdelegiert werden. In der Wirtschaft wäre hier der erste schwarze Reiter auf der Personalakte fällig - mit Fähnchen!

Übrigens: Das Neandertal ist ungefähr 36 Streckenkilometer von der Schule entfernt. Dazwischen liegt eine mittlere Großstadt, nämlich Düsseldorf, der Wechsel über mehrere Verkehrsbetriebe und vor allem eine bis Ostern gesperrte Autobahn, verkehrstechnische Schlagader des Rheinlandes - das macht dann aktuell 49 km. Wie soll da jemand unterhalb gefühlter drei Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln ans Ziel kommen? Nicht, dass ich mich scheue, meiner Tochter und einigen Klassenkameraden deshalb mein Auto anzuvertrauen, doch mich wurmt dieser unverfrorene Zugriff auf private Ressourcen schon - zumal der eher Regel denn Ausnahme ist.

Nachtrag:

Am nächsten Tag schleppt J. einen Ausdruck der Museumsseite an mit den richtigen Verkehrsverbindungen (darunter: per Flugzeug) - "Ihr könnt Euch ja aufschreiben, was ihr braucht."

Ich habe den Verdacht, die Leiterin des ebenfalls anreisenden Grundkurses hat ihm den Ausdruck in die Hand gedrückt...

Mein Entsetzen steigert sich.

Samstag, 25. Februar 2012

Die Pest

Ich liebe Schulbücher. Wer auch immer für sie verantwortlich ist, gehört mit seinen eigenen Texten vollgestopft, bis ihm schlecht wird. Ein beliebiges Zitat mag diesen "Ausbruch" begründen:

"Die meisten Ansätze Interkultureller Erziehung haben, bei aller Verschiedenheit in ihren jeweiligen Akzentuierungen und in ihrer unterschiedlichen Orientierung an verschiedenen Weltanschauungen und Paradigmen für die Konzeptualisierungen pädagogischen Handelns, einen gemeinsamen Kern: Interkulturelle Erziehung wird verstanden als die notwendige Antwort auf entstandene und dauerhaft bestehen bleibende Gesellschaft mit Zuwanderern aus anderen Kulturen sowie mit daraus entstehenden oder schon vorher existierenden ethnischen Minoritäten, d.h. als Antwort auf eine als dauerhaft zu akzeptierende multi-ethnische oder multikulturelle Gesellschaft." (Kursbuch Erziehungswissenschaft, Cornelsen S. 461)

Ich wünsche dem Autor die Pest auf den Hals...

Montag, 30. Januar 2012

Zensur

Ich finde, unser Grundgesetz ist eine lohnende Lektüre. Das meine ich nicht ironisch, sondern weil ich es wirklich für ein gelungenes Stück Literatur halte - vor allem im Vergleich zu fast allen anderen Gesetzen. In für jeden verständlicher Sprache stehen dort viele Sätze, die an Eindeutigkeit und Klarheit kaum zu überbieten sind. "Eine Zensur findet nicht statt" zum Beispiel. Oder: "Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei"*.

Denkste! sagt die KMK. Da wollte ein niederländischer (!) Forscher die frei zugänglichen Daten der Pisa-Studien auswerten. Darf er. Doch die Ergebnisse, nämlich etwa eine Tabelle zu den Leistungen von Kindern ohne Migrationshintergrund in den einzelnen Bundesländern und den Schweizer Kantonen darf er - strafbewehrt - nicht veröffentlichen, lese ich in heute in der Süddeutschen Zeitung. Da sei die KMK vor! Es könnte ja herauskommen, dass die schlechten Ergebnisse mancher Bundesländer nicht am hohen Migrationsanteil liegen. Und das könnte dem selbstverliebten Gerangel um die vorderen Plätze im Mittelklassebus der deutschen Bildung Abbruch tun.

"Ja, wo leben wir denn?" denkt man sofort. Die bisher furchtsame Reaktion der wissenschaftlichen Öffentlichkeit lässt Schlimmes befürchten. Selbst ein sonst um starke Worte nie verlegener Mann wie Ludger Wößmann hält dies nur für "einer offenen Gesellschaft nicht würdig". Da spürt man schon die Furcht, lukrative staatliche Aufträge zu gefährden.

Da würde ich deutlich weiter gehen. Ich will ehrenwerten Ministern nicht unterstellen, hier Druck ausgeübt zu haben (warum eigentlich nicht, frage ich mich gleichzeitig). Aber ich bin überzeugt, dass dem ausführenden beamteten Abteilungsleiter (der ja in Paragraphen lebt) bewusst sein muss, dass er mit seinem Handeln die Verfassung bricht. Vielleicht fände der Radikalenerlass von 1972, gälte er noch, hier eine Anwendung.

Alles in Allem ist das für mich wieder ein Beispiel dafür, dass die Zerstückelung der deutschen Schulbildung in Duodezfürstentümer nur Unheil schafft. Ich denke: Kommt endlich in der Wirklichkeit an und schafft die anachronistische Bildungshoheit der Länder ab! Ein dröhnender Seufzer der Erleichterung ginge durchs Land.

*Die Zitate aus dem Grundgesetz lassen sich im Zusammenhang übrigens nachlesen auf der Internetseite der KMK...

Montag, 2. Januar 2012

Neujahrsgrüße

Gerade im Briefkasten gefunden:

Ein Neujahrsgruß an unseren Sechstklässler: Foto des Sprösslings, individueller Gruß der beiden Klassenlehrer mit dem Wunsch, sich weiterhin mit seinen Stärken in die Klassengemeinschaft einzubringen, persönliche und nicht nur gedruckte Unterschrift. Der Brief wurde nicht verschickt, sondern wohl bei jedem Adressaten eingeworfen.

Das finde ich gut! Lehrer, von denen sich andere eine Scheibe abschneiden können. Noch ist nicht alles verloren.

Montag, 26. Dezember 2011

Kaltschnäuzigkeit II

Weihnachtlicher Nachtrag zum Drama:

Nach einem Gespräch mit der stellvertretenden Schulleitung wurde verfügt: Wer besagte Klausur (die mit der Verteilung der Hausarbeiten) wiederholen möchte, könne dies wegen eines Formfehlers tun. Oops, wenn das kein schlechtes Gewissen ist... Bleibt nur zu fragen, ob die Freiwilligkeit der Wiederholung nicht schon wieder ein Formfehler ist.

Anfang des Jahres wird ein Gespräch mit der Schulleitung und der Fachlehrerin stattfinden - zur Erläuterung, vermutlich der Note "ungenügend". Nachdem ich ein wenig in den einschlägigen Richtlinien geblättert habe, hat sich mein Eindruck verstärkt. Ein Schüler, der bisher weder methodisch noch inhaltlich fortgesetzt negativ aufgefallen ist, kann schlechterdings keine Sechs in einer Klausur bekommen - es sei denn, er habe unter geistiger Umnachtung gelitten. Da mir keine derartigen pathologischen Ausfälle bekannt sind, bin ich sicher, dass die Fachlehrerin ihre liebe Not mit der Erläuterung haben wird. Ich bin jedenfalls gespannt.

Freitag, 16. Dezember 2011

Kaltschnäutzigkeit

Heute erfuhr ich eine Geschichte aus dem Bekanntenkreis. Ein junger Mensch, Sohn eines Kollegen, steht kurz vor dem Abitur. Im Fach Deutsch bewegt er sich, intelligent und aufmerksam, aber kein Überflieger, um die Zwei herum. Kürzlich schrieb er eine Klausur, in der es um eine Literaturinterpretation ging. Nun kann man Literatur durchaus unterschiedlich interpretieren - er jedenfalls (wie ein erstaunter Großteil seiner Klasse) - tat dies anders als seine Lehrerin. Das Ergebnis der (abiturrelevanten) Klausur: ungenügend.

Schon hier bleibt einem die Luft weg ob der Chuzpe der Lehrerin. "Meine" Schulleiterin, die ich ob ihres nüchternen Urteils schätze, meinte nur verkürzend: "Schon wenn der Mensch das Datum richtig schreibt, hat er doch mindestens eine Fünf." Ohne es in den Schulvorschriften nachgeprüft zu haben, behaupte ich: In einem interpretierbaren Fach darf es keine "richtige" oder "falsche" Lösung geben, sondern höchsten eine "angemessene", "nachvollziehbare", "realistische", "gut argumentierte" usw. All das würde ich einem Zweier-Schüler zutrauen. Doch hier ging es offensichtlich um Hopp oder Topp.

Doch es ging noch weiter: Bei der nächsten Klausur fand es die Lehrerin offensichtlich opportun, während die Schüler sich auf die Aufgaben konzentrierten, eine benotete Hausarbeit zurückzugeben. Also schritt sie durch die Reihen, um jedem mit laut hörbarem Schweigen sein jeweiliges Ergebnis um die Ohren zu hauen. Der besagte Schüler hatte eine Fünf. Wenn das kein Lehrbuchbeispiel für Motivation ist.

Der Vater des Delinquenten hat darob eine schlaflose Nacht verbracht - was ich verstehen kann und ihm meine vollste Sympathie einbringt. Man kann ihm nur dringend raten, sich einzumischen. Seinem Sohn kann er offensichtlich nicht mehr damit schaden (obwohl schon diese Überlegung ein bezeichnendes Licht auf die Situation Einzelner angesichts übermächtiger Systeme wirft). Schlimm genug: die Worte "Klage" und "Verwaltungsgericht" werden vermutlich Wunder wirken.

Allerdings nur bezogen auf die Notengebung., denn nur die könnte justiziabel sein. Was ich aber als Ausdruck vorsätzlicher Kaltschnäuzigkeit empfinde, ist die gezielte und perfide Demotivation im zweiten Fall. Bei allem Wohlwollen ist dies für einen Pädagogen absolut inakzeptabel. Die Lehrerin hat sich damit als grundsätzlich ungeeignet für ihren Job erwiesen - schon weil ihr ein Menschenbild zu eigen ist, dass sich mit modernen, aufgeklärten Gesellschaften absolut nicht verträgt. Und zwar indiskutabel. In einem Unternehmen würde sie damit zu einem Sozialfall. Das staatliche System Schule jedoch wird seine schützende Hand noch lange über sie halten, bis eine wirkliche Katastrophe passiert.

Die Vorsehung beschütze uns vor solchen Lehrern. Oder, wie im wundervollen Film von Reinhard Kahl (Treibhäuser der Zukunft) der Leiter den Bodensee-Schule sagt: "Die Lehrer sind schon das Problem"...