Büro-Organisation Was der Schreibtisch über uns verrät
Wie Mitarbeiter ihr Büro gestalten, verrät viel über sie. Doch der feste Arbeitsplatz mit eigenem Schreibtisch wird zum Auslaufmodell. Die Zukunft gehört dem Großraumbüro.
Kein privater Nippes auf dem Schreibtisch, keine turmhohen Papierstapel und nach Feierabend alles picobello aufräumen: Für den Chef des mittelständischen Designbüros aus Pune in Indien ist die Marschroute eindeutig. In seinem Unternehmen habe eine kühle, erfolgsorientierte Atmosphäre zu herrschen. Weshalb er nicht nur das Umsatzziel für 2011 – 25 Millionen Dollar – groß an die gelbe Wand pinseln ließ. Sondern auch Wert legt auf eine militärisch-penible Bürokultur, an die sich, so die Überzeugung des Chefs, auch seine Mitarbeiter halten.
Der Blick auf die Schreibtische aber zeigt: Die meisten Mitarbeiter sind meilenweit entfernt vom angelsächsisch-protestantisch geprägten Schreibtisch-Ideal ihres Chefs. Windschief zusammengeschobene Aktenstapel finden sich neben zu Stiftboxen umfunktionierten Kaffeetassen. Auf den Regalen reihen sich Plüschbälle neben Einkaufstüten, Schachteln mit Kopfschmerztabletten und leeren Wasserflaschen. Mit zwei Heiligenfiguren aus Holz verwandelte ein Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz in einen Ersatz-Schrein. Und kritzelte Notizen schon mal direkt auf seine Schranktüren.
Chaos schlägt Ordnung
Indien? Ist näher, als Sie denken. Denn so wie auf den Schreibtischen der Designer aus Pune sieht es in vielen Unternehmen weltweit aus. Ob Nürnberg oder New York, Berlin oder Barcelona, Rosenheim oder Rio – auf fast allen Schreibtischen regiert das Chaos: Hier liegt ein Stapel Papier, da drei offene Ordner. Der Bildschirm ist umrahmt von Klebezetteln mit der Durchwahl der Kollegin aus dem Vertrieb, Passwörtern und hingekritzelten Arbeitsaufträgen ("wichtig"). Neben dem Telefon steht die ungespülte Kaffeetasse vom Vortag. An der Wand hängen Fotos vom gerade geborenen Patenkind, Urlaubspostkarten von Freunden und der Flyer vom Pizzaservice. Penible Ordnung? Offenbar pures Wunschdenken in den Chefetagen dieser Welt. Im Alltag siegt das Chaos über das Ideal vom stets aufgeräumten Schreibtisch.
Zu diesem Ergebnis kommt auch eine aufwendige Feldstudie der Köln International School of Design (KISD). Sechs Monate ließen die KISD-Design-Professoren Uta Brandes und Michael Erlhoff in elf Ländern auf fünf Kontinenten knapp 700 Schreibtische fotografieren – von Deutschland bis Brasilien, von Ägypten bis Taiwan, von Neuseeland bis New York. Von Mitarbeitern aller Hierarchiestufen in öffentlichen Verwaltungen, Designstudios, Callcentern, Banken und Versicherungen, von Frauen und Männern. Im Schnitt fanden sich auf jedem Desk mehr als ein Dutzend privater Objekte, die nichts mit dem Job zu tun hatten. "Schreibtische sind die Spiegel der eigenen Seele und der Gesellschaft, in der ich lebe", sagen die Design-Professoren Brandes und Erlhoff. "Gerade in unserer schnelllebigen Arbeitswelt suchen wir die Möglichkeit, auch im Büro die eigene Individualität auszuleben und unser Territorium zu markieren."
Kein Wunder, schließlich halten wir uns an keinem anderen Ort so lange auf wie an unserem Arbeitsplatz. Lediglich geschlafen wird mehr als gearbeitet, statistisch gesehen verbringen wir sieben Jahre unseres Lebens im Büro – und das meist am eigenen Schreibtisch.
- Datum 23.11.2011 - 14:41 Uhr
- Seite 1 | 2 | 3 | 4 | Auf einer Seite lesen
- Quelle WirtschaftsWoche
- Kommentare 22
- Versenden E-Mail verschicken
- Empfehlen Facebook, Twitter, Google+
- Artikel Drucken Druckversion | PDF
-
Artikel-Tools präsentiert von:
Wird nichts daran ändern, dass Großraumbüros krank machen, wie irgendwelche klugen Menschen herausgefunden haben. Das Wort "Optimierung" in diesem Zusammenhang sagt schon alles.
Erinnert mich an die digitale Akte: zu unübersichtlich, die Realität sieht so aus, dass alles Wichtige - und das ist ja das Meiste - ausgedruckt wird.
...alles submodern ! Und wie sieht die Realität aus ? Da werden Bürostühle Marke "Lendenwirbelstaucher" für Leute bis 1,72m in Hunderschaften bestellt, weil sie so schön günstig sind. Trennwände von 140cm Höhe, damit jeder jederzeit sehen kann, was du gerade machst. Telefone in Gruppenstrukturen aufgeteilt, so dass du eine Geräuschkulisse wie auf dem Hbf hast...oh ja, das machen die ganz toll. Welcher Betrieb gibt schon die Unsummen für seine Angestzellten aus, wie oben beschrieben ?
Dass die Möbelhersteller und Architekten davon träumen, das glaube ich gerne!
dem papierlosen Büro gehören.
Das hat wohl alles echt noch Zeit mit diesen Zukünften.
.. und sage: Wer meinen Schreibtisch anfasst, der stirbt.
gehört die Zukunft - wo es doch anscheinend gut erwiesen ist, dass diese Art von Räumlichkeit krank macht (http://www.welt.de/gesund...) ?
Ich hab Zweifel, dass dies zur "Durchoptimierung des Arbeitsplatzes" langfristig etwas beiträgt.
Ich finde diese Großraumbüros eine Horrovision.
Ich finde es ganz schön, wenn ich jeden Tag am gleichen Schreibtisch sitzen kann und nicht jedes Mal alle Büromaterialien und sonstiges dahin schleppen und organisieren muss, bis ich zu arbeiten anfangen kann.
Und durchsichtige Türen und Wände sind ebenso unsinnig - man will sich doch konzentrieren, ohne alle zwei Minuten irgendwen grüßen zu müssen, der vorbei läuft.
Schwachsinnsidee...
Ich hoffe dass ich, wenn ich erstmal über die Studentenjobs raus bin einen Arbeitsplatz finde, an dem man konzentriert arbeiten kann. Für Teamarbeit kann man immernoch in den Konferenzraum gehen... den gibt es überall. Da muss ich keine Bänke im Flur für haben...
Im Großraumbüro gehen wir in Konferenzräume, um alleine Arbeiten zu können...
Seitdem ich an einer anderen Stelle aber wieder ein Einzelbüro habe, lasse ich dort immer die Türe offen, damit ich wenigstens etwas Leben von draußen abbekomme :) Man gewöhnt sich folglich an alles.
Aber ich schließe mich El Hafer an: Der eigene Schreibtisch ist das mindeste. Die dauernde Rumräumerei kostet jeden Werktag eine halbe Stunde.
Im Großraumbüro gehen wir in Konferenzräume, um alleine Arbeiten zu können...
Seitdem ich an einer anderen Stelle aber wieder ein Einzelbüro habe, lasse ich dort immer die Türe offen, damit ich wenigstens etwas Leben von draußen abbekomme :) Man gewöhnt sich folglich an alles.
Aber ich schließe mich El Hafer an: Der eigene Schreibtisch ist das mindeste. Die dauernde Rumräumerei kostet jeden Werktag eine halbe Stunde.
Wenn ich mir jeden Tag einen von 500 Arbeitsplätzen aussuchen kann wird das für neue Mitarbeiter auch kein Zuckerschlecken Anschluss zu finden. Wenn man sich nicht gerade hasst, dann gibt es ja auch sowas wie einen Teamzusammenhalt oder eine Teamidentität.
Wenn man jeden Tag andere Menschen um mich herum hat, dann wird es wohl lange dauern bis man für eine kleine Aufmerksamkeit im Team sammelt, wenn jemand Geburtstag habe.
Auch sind mir meine Kollegen wichtig, um den alltäglichen Scheiß, den ich so erlebe, zu verarbeiten. Wenn ich mal einen miesen Tag habe verkrieche ich mich aber lieber in Arbeit und rede so wenig wie möglich. Bei einer so anonymen Bürostruktur wird der soziale Aspekt hintan gestellt. Alle haben zu funktionieren, gut gelaunt, hochmotiviert und gesund zu sein. Aber vielleicht rede ich auch nur Unsinn. Scheinbar sind ja alle, die so arbeiten, ganz begeistert.
Im Großraumbüro gehen wir in Konferenzräume, um alleine Arbeiten zu können...
Seitdem ich an einer anderen Stelle aber wieder ein Einzelbüro habe, lasse ich dort immer die Türe offen, damit ich wenigstens etwas Leben von draußen abbekomme :) Man gewöhnt sich folglich an alles.
Aber ich schließe mich El Hafer an: Der eigene Schreibtisch ist das mindeste. Die dauernde Rumräumerei kostet jeden Werktag eine halbe Stunde.
Bitte melden Sie sich an, um zu kommentieren