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Autorenbuch Hannes Bajohr WOCHENENDE – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Hannes Bajohr

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WOCHENENDE


Vielleicht ein Dorf im Sommer, ein Flecken nahe der Ostsee, mit Kopfsteinpflaster und Kirchturm, hier und da bricht Unkraut aus dem Gehweg, an den Bäcker und Kaufladen und Kiosk gereiht sind, es ist heiß in der flirrenden Luft, vielleicht geht stoßweise eine Brise, für Sekunden langerwartet, und verwirbelt die Schlieren, die sich über den Motorhauben der stehenden Autos abzeichnen, deren Nummernschilder auf andere Städte hinweisen und auf Urlauber und Ortsfremde, die vielleicht hinter den mit Blumenkästen bestückten Fenstern der kleinen Häuschen Quartier bezogen haben, für den Sommer, der vielleicht ist.

Auch ein Auto, manchmal, befährt die Straße, nach langer oder kurzer Reise, mit Erholung erwartenden Insassen, auch ein rotes, dessen Surren die vom Rauschen der Pappeln umrahmte Stille des Mittags durchrollt, auch eines, das nicht halt macht vor einem der Häuschen, sondern, nun verlangsamt, sich auf dem als Achse das Dorf befestigenden Weg weiterbewegt, bis beinah an sein Ende, bis beinah ins Feld und vor die letzte Abzweigung, auch eines, das dort einbiegt, auf den Kiesweg, dessen Belag dünn geworden ist und kaum die staubige Erde zudeckt, kaum knirscht und kaum am Blech des Unterbodens klingt.

Bestimmt steigt ein Fahrer aus dem Auto aus, bestimmt eine Beifahrerin, die aus ihrer Tasche einen Schlüssel hervorsucht und das Gartentor des Hauses aufschließt, das bestimmt durch das Feld vom Dorf getrennt liegt, bestimmt bleiben sie, bestimmt haben sie geplant zu bleiben, den Sommer, der vielleicht ist, bestimmt haben sie Lebensmittel mitgebracht, die der Fahrer aus dem Kofferraum wuchtet, nachdem er eine erste Runde durch den Garten und die Beifahrerin auf das große Fenster aufmerksam gemacht hat, durch das man bestimmt das Meer sehen kann, bestimmt bleiben sie doch nur ein Wochenende.

Einmal ein Ausflug, mit Mückenstichen auf den Waden, die sich auf den Pedalen ruhend träge über den sandigen Waldweg schieben, einmal eine Fahrt mit dem Ruderboot im nahegelegen See, der nur durch einen schmalen, kaum von spinnwebdünnen Gräsern bewachsenen Damm vom Meer getrennt liegt und dessen Wasser trüb und grünlich ist, einmal ein Heckenschneiden vor Langeweile, mit der armlangen Schere, auf deren Blätter braune Flecken Landkarten gemalt haben, einmal ein Einkaufen, mit dem früher bunten Beutel aus Kunststoff, einmal ein Grillen, mit angetrockneten Senfresten auf den Papptellern im Müllsack am nächsten Morgen, einmal ein Unkrautjäten, mit den Knien in der trockenen Erde, die weich und luftig die Wurzeln nicht zurückhält, einmal ein Schlauchflicken, mit den Knien auf den unebenen in Netze zersprengten Betonplatten, einmal ein Gespräch, einmal ein Schweigen, einmal die feuchten Laken, einmal die leere Stelle im Bett.

Und er sagt es ist alle und sie sagt mach es voll und er sagt wollen wir und sie sagt man müsste und er sagt eigentlich und sie sagt mal wieder und er sagt morgen und sie sagt morgen und er sagt nichts mehr.

Am Morgen Sachensuchen und Müllverpacken, am Morgen Rolladenrollen und Stühleschleppen, am Morgen Müllwegbringen und Taschentragen, am Morgen Türzusperren und Torzusperren, am Morgen Zündschlossstecken und Motorstarten, am Morgen Wagenlenken, am Morgen, am Mittag Pflasterfahren und Fortsein, Nichtweiterwissen und Hintersichlassen, am Morgen, am Mittag, im Sommer.

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