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Autorenbuch Manuel Falcão Malzbender Cäsaren – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Manuel Falcão Malzbender

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Cäsaren


Rom ist überall, alle Wege führen dorthin - mal liegt es am Potomac River, mal am Tigris: Caligula zum Beispiel - der die Götter herausfordert, aber bei Gewittern unter sein Bett kriecht - veranstaltet Gelage, deren Zeremoniell ihn nicht von den Verhören abhält, die er im Angesicht der Gäste fortführt; die Schreie der Gefolterten übertönen das Geklirr der goldenen Teller und Becher; bald ißt nur noch er selbst. Am nächsten Morgen betritt er als Gott gekleidet den Senat, oft auch als Göttin - wer seiner spottet, wird von Hunden zerrissen. Das Grab Alexanders des Großen läßt er schänden, um vor den Römern den Panzer des Weltbeherrschers zu tragen; von seinen "Schlachten" in Germanien, bei denen er sich in einer Sänfte die Grenze entlangtragen läßt, kehrt er im wohlinszenierten Triumphzug heim; die Überläufer der anderen Seite - Halbblüter und längst latinisierte Germanen - müssen sich dafür die Haare blond färben und fremdklingende Namen annehmen; im silbernen Panzer, auf dem die Edelsteine einer gemeuchelten Senatorenfamilie schimmern, zieht er mit Pomp durch die Straßen, wieder und wieder; dann verordnet er den Römern "Kur" (wie er sich ausdrückt) und schließt die Kornspeicher, Woche um Woche verhungert das "geliebte Volk" und bricht auf den Strassen zusammen, die Leichen säumen den Weg bis zum Kapitol; dann wieder Festspiele, Tanz und Gesangswettbewerbe, Hinrichtungen vor den Augen der Familie; der Kaiser tanzt selbst und läßt die tanzende Konkurrenz beseitigen. Eines Nachts läßt er zwei Offiziere in den Palast rufen; zwei altgediente Soldaten, denen nun der Schweiß unter den Rüstungen hervorrinnt, sie erwarten einen grausamen Tod; in Briefen haben sie Abschied genommen, die sie beim Hinausgehen ihren Sklaven überreichen, draußen am Tor wartet der Bote des Kaisers; im verdunkelten Palast säumen Kerzen die Gänge, wortlos geleitet man sie bis an die Tür eines weitläufigen Gemachs, dessen Fenster verhängt sind; zwei Stühle stehen vor einer flachen Bühne, man bedeutet ihnen Platz zu nehmen und hinter ihnen fällt die Tür schallend ins Schloß; Momente vergehen, Schweiß rinnt von der Stirn in die Augen, doch die Hand zu heben wagt keiner von beiden, bis plötzlich unter Schellengerassel Caligula im Tänzergewand auf die Bühne gleitet und aus dem Dunkel hinter ihm eine leise Flötenmelodie erklingt; wortlos vollführt er mit ernster Miene seinen Tanz, beugt sich huldvoll, schwenkt die Arme im zitternden Licht der Kerzen, um schließlich nach minutenlanger Darbietung von der Bühne wieder ins Dunkle zu gleiten. Das Schauspiel ist vorüber, man öffnet die Tür und begleitet die Offiziere schweigend nach draußen; auf der Schwelle des Palastes bricht einer von beiden unter der Erregung zusammen.
Dann Tiberius, dessen "abgestumpfte Sinnlichkeit nach besonderen Stimulanzien verlangte" - von seinen Vorlieben wollen wir lieber nicht reden. Schließlich Claudius: Verantwortungslosigkeit wechselt mit Unverantwortlichkeit ab; Grausamkeit auch hier, doch vor allem die Grausamkeit der Schwäche; der "zerstreute Kaiser" wie er genannt wird, der sich beschimpfen läßt und in den Gerichtsverhandlungen sein Urteil über Tage hinauszögert, um zuletzt zu schliessen: "Ich stimme für die Partei, welche die Wahrheit gesprochen hat"; bebende, sich duckende Angst auf jedem Schritt, überall die Vorzeichen eines baldigen Endes, überall Verschwörer; wer den leisesten Verdacht auf sich zieht, stirbt hier und jetzt einen schnellen Tod; Frauen, Kinder und Greise werden Leibesvisitationen unterzogen; keine Schreibgeräte dürfen im Raum sein, wenn der Kaiser Audienz hält, die Federn könnten zu Dolchen werden; tags darauf im Senat bejammert er wortreich sein Los.
Dann Nero, der seinem Onkel (Caligula) alle Ehre macht, Nero der Künstler: Wenn der Kaiser singt, verläßt keiner das Theater; weder die Schwangeren, die auf den Rängen gebären, noch die Greise, die unter der Hitze das Bewußtsein verlieren, denn nur die Bühne des Kaisers liegt im Schatten; die Klügeren stellen sich tot, werden hinausgetragen und entfliehen so den stundenlangen Darbietungen; Nero der Sänger, der den Senatoren seine handgeschriebenen Todesurteile auf Zetteln überreicht, um seine Stimme zu schonen; Nero der Ästhet: Rom soll schöner werden, dieses Haus, diese Straße, dieses Viertel müssen verschwinden; vom Mäcenasturm schaut er der Feuerbrunst zu, den schwarzen Mantel um sich geschlagen, neben sich zwei Sklaven, die dem Imperator schneegekühlte Eisgetränke reichen, bald hierhin, bald dorthin wendet er seinen Blick, wie einer, der ein Gemälde betrachtet, während unten die schlafenden Familien in ihren Häusern verbrennen; tagelang lodert die Stadt und der Wind weht die Asche und den Geruch verbrannten Fleisches durch die Strassen. Dann bricht die neue Zeit an, Prachtbauten entstehen, die den Kaiser verherrlichen - die "Goldene Halle", anderthalb Kilometer lang, in dessen Eingang eine 35m hohe Nero-Statue Platz findet; alles Geld fließt in die Visionen, mit denen der "Vaters des Volkes" seine Untergebenen beschenkt; das Volk selbst verhungert und auch die Aristokraten schweigen, um den Hinrichtungen zu entgehen, deren Anlässe immer beliebiger werden: einem Senator läßt der Kaiser auf einem Gelage vor aller Augen die Adern öffnen, sein langsames Verbluten soll die Gäste unterhalten; einem erkrankten Gardepräfekten schickt er ein Gift statt des versprochenen Heilmittels, wie ein Kind erfreut ihn der gelungene Streich; ein zögerlich ausgesprochenes Lob, ein zweideutiger Vers genügen, um in der Arena einem blutigen Spektakel geopfert zu werden; selbst Agrippina, seine Mutter, geht diesen Weg, in ihren letzten Worten verflucht sie den eigenen Sohn; als er stirbt, tanzen die Römer auf den Strassen.
Und zuletzt (doch nicht als Letzter) Domitian, der aus Angst vor Verschwörern alle Hallen des Palastes mit silbernen Spiegeln auskleiden läßt, jede im Augenwinkel wahrgenommene Bewegung, während er mit beschleunigtem Schritt durch die Gänge rauscht, jeder Schatten läßt ihn zusammenfahren - doch es ist nur er selbst, Domitian überall, Domitian in allen Spiegeln - und so geht das Blutbad an den Menschen weiter, da die Schatten nicht zu töten sind; als man sein Ende verkündet, stürzt das rasende Volk seine Statuen zu Boden und zerschlägt mit Meisseln seinen Namenszug.
"Mögest du ein gutes Gewissen haben, wenn die letzte Stunde an dich herantritt" (Marc Aurel) - "Solange ich lebe, mische Erd' und Feuer sich" (Nero): Zwei Sätze, zwei Universen: Der Autor des letzteren trank auf der Flucht das Wasser einer Pfütze, bevor er sich einen Dolch in den Hals stieß; er hinterließ nichts. Der Autor des ersteren starb an der Pest im Zeltlager der Zehnten Legion; er hinterließ ein Buch.

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