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Charlieparkernacht

Charlie Parker (so erzählen die Biographen) verbrachte seine Nächte oft in der New Yorker Subway, ziellos herumfahrend; allein. Mit 15 Jahren drogensüchtig, für einen Dollar pro Nacht von 9 Uhr abends bis 6 Uhr morgens spielend, in Garagen übernachtet, doch "das Schlimmste war, daß niemand meine Musik verstand"; doch auf den Bühnen der Clubs in den goldenen Jahren hinterfragte niemand ihn mehr, wenn er mit falschem englischen Akzent den Beat anzählte, ein rostiges Saxophon aus dem Leihhaus an den Lippen, es sang wie ein Vogel und hinter ihm biß sich ein gewisser Miles Davis, Musikschul-college-dropout, vor Nervosität die Lippen wund, bis Bird ihn nach vorne winkte ("if you ever hit the wrong note", flüstert er ihm zu, und Miles versinkt in seinem Anzug, "just hit it again - and they'll think it's intentional"). Ein zerquältes Leben, verpfändet, verjagt von überall, schreiende Verzweiflung, die wie die Perle einer Muschel sich glänzend offenbart, Resultat eines Todeskampfs. Und dann die vielen verlorenen Tage, verlorene Wochen hier und da, biographisch nicht aufzufüllen; niemand weiß und wird es je wissen, wo er war. Mit 34 starb er (die Ärzte, die ihn obduzierten, meinten "er hätte auch 54 sein können"): Genug Jahre immerhin für viele Nächte, Charlieparkernächte - in New York und überall, wo man unter Menschen allein ist und nachts von der Metrobank Gesichter ein- und aussteigen sieht, hinter dem Fenster die vorbeitreibenden Lichter und das Leben der anderen, Schattenrisse hinter Gardinen, Pantomimen im Licht einer Wohnzimmerlampe, bis hinter den müden Schläfen endlich eine Melodie zu beben beginnt, sich leise bäumt und vorüberflattert, durch eine unsichtbare Partitur.