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Autorenbuch Michael Arenz Noch nicht ganz aber fast Verlassene Schwester, verlorene Geschwister – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Michael Arenz

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Verlassene Schwester, verlorene Geschwister


Vorletzten Mai sind wir in Berlin
und fahren raus nach Tegel, dann
weiter nach Stansdorf zum Südwest
friedhof, den wir bewandern,
lange, lange, lange, verdschungeltes
Reich der Toten, lesen, was ihnen auf
ihren Grabsteinen nachgerufen wird,
trotzig, verzweifelt, wenn einer von
denen, dem die Seele von links auf
rechts gezogen worden ist, von innen
zusammenbricht, aber weitersteht,
weitersteht in vorschriftsmäßiger
Bekleidung steif und gerade.
Kurz vor Mittag kommen wir zur
Kapelle, ein aufgebockter Sarg vor
dem Altar, aber niemand ist da.
Das ist hier öfter so, sagt uns der
Aufseher, die haben keine Familie
mehr, zu alt, die anderen längst alle
tot, manchmal, oder die Angehörigen
wollen einfach nicht, der Mann wippt
zu einer unhörbaren Melodie entspannt
auf seinen Zehen, und wir schauen betroffen
der Pfarrerin nach, die gerade aufbrechen
will, jetzt zögert, kurz stehenbleibt und
zu uns hersieht; in Berlin sind sie
schnell, aber sie steht lange genug da,
wir schauen zurück, dann öffnet sie die
Wagentür und ist verschwunden,
wir schweigen weiter und stehen immer
noch da, haben nicht den Arm gehoben,
haben es einfach zugelassen, verkommen,
wie wir sind.
 

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