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Autorenbuch Peter Berg Manchmal kehren sie wieder – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Peter Berg

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Manchmal kehren sie wieder

Manchmal kehren sie wieder


Zu den großen Mysterien des Alltags gehören kleine Dinge, die verschwinden. Meine Mütze etwa, die ist ständig weg und das macht mich wahnsinnig, denn als Kahlkopf braucht man seine Mütze! Und ein Feuerzeug brauche ich auch. Nichts ist schlimmer als die Zigarette schon im Mund zu haben und dann, nach einer Rasterfahndung durch sämtliche Taschen, nur auf Nichtraucher zu treffen. Aber bei Feuerzeugen ist das eigentlich kein Geheimnis. Wer seines sucht, der ist vermutlich meiner Nachbarin begegnet, die auf solche Sachen wie ein Magnet wirkt. Geld verschwindet gelegentlich auch, hat aber fast ausschließlich mit einem gewissen Alkoholpegel und damit einhergehender Rechenschwäche zu tun. Neulich aber, da hätte ich beinahe Geld gefunden! Lag einfach unter meiner Couch, doch ich sage „beinahe“, denn: Flupp! verschwand es, genau in dem Augenblick, als ich es bemerkte. Zuerst fünfzig Cent und dann noch mal: Flupp, Flupp! Drei Euro. Mein Staubsauger hat wirklich Kraft! Dann, bedauerlicherweise, machte es „Ratsch“, und das könnte entweder eine größere Banknote gewesen sein oder das Foto meiner Ex-Freundin. Bisher hab ich mich jedoch nicht getraut, den Staubbeutel zu öffnen. Manche Dinge behält man besser in guter Erinnerung, anstatt Dreck aufzuwühlen.

Aber wie auch immer, Dinge gehen verloren, und Freundinnen, leider, entschwinden wie Socken in der Waschmaschine. Damit muss man leben als erwachsener Mensch, obwohl nach meiner Erfahrung beides nichts mit Waschmaschinen zu tun hat. Aber dass sie abhanden kommen, ist tatsächlich so. Nur kann es unter Umständen schlimmer sein, wenn sie wieder auftauchen. Ich erinnere mich, dass ich eines Abends nach dem Duschen wieder in meine Sachen schlüpfte. Sie lagen genau so da, wie ich sie kurz zuvor ausgezogen hatte: die Unterhose also in den Jeans, T-Shirt und Hemd noch in der Fleece-Jacke. Das hat den Vorteil, dass man sie nicht einzeln überstreifen muss, sondern sich mit peristaltischen Bewegungen innerhalb von Sekunden hineinschlängeln kann. Sehr praktisch, wenn man es eilig hat! Ich jedenfalls hatte es eilig, denn die Party, zu der ich eingeladen war, hatte längst schon begonnen. Allerdings fehlten irgendwie die Socken. Eben waren sie noch da, jetzt waren sie weg! Ziehe ich eben neue an, nicht so schlimm, dachte ich.

Später dann, inmitten eines tiefsinnigen Gesprächs über seltsame Namen, über Leute, die „Torben“ heißen, „Sören“ oder „Helmine“, da bemerkte ich, „Rosette!“, an dem Bein, das ich lässig über das andere geschlagen hatte, etwas Seltsames aus der Hose kriechen: Ein monströser, schlaffer Wurm, der gerade, an meinem Schuh vorbei, zur Erde hüpfen wollte! In letzter Sekunde, jedoch nicht ohne Lachanfall meiner plötzlich entschwindenden Gesprächspartnerin, konnte ich die verschollen geglaubte Socke packen. Mistvieh! Auch das Gegenstück fand ich, glücklicherweise. Aber ich gebe zu, es mag seltsam ausgesehen haben, wie ich bis zu den Knien in meiner halb offenen Hose herumhantierte, um dann, vor Leuten, die nun meinen Namen wissen wollten, einen Strumpf hervorzupulen.

 

Das ist irgendwie peinlich, oder?, wenn ich das jetzt so erzähle. Aber ich kann das preisgeben, denn mir wurde von einer ähnlichen, jedoch noch schlimmeren Begebenheit berichtet. Sie handelt von einem Mann, den ich jetzt mal „Lebrecht“ nenne. Oder nein, nennen wir ihn „Gotthilf“! Dieser ahnt allerdings nicht, dass irgendjemand davon weiß, seine Frau hat es, im Vertrauen, nur ihrer Freundin erzählt und jene, bleibt zu hoffen, nur mir. Wenn ich jetzt also darüber schreibe, dann bleibt das doch unter uns, nicht wahr?

 

Also: Nach einer ereignisreichen Urlaubsnacht im Hotelzimmer streift sich das Pärchen schnell nur jene Sachen über, die auf Anhieb gefunden werden können, denn Frühstück gibt es bloß bis elf und nach einem kleinen Imbiss wird man sich sofort wieder ins Bett kuscheln und, nun ja, schauen, was dann passiert. Allerdings: Wie wir inzwischen wissen, sollte man etwas mehr Zeit in die Suche verschollen geglaubter Kleidungsstücke investieren, denn als beim Frühstücksei der Blick durch den Speisesaal wandert, scheint es, als läge da, unweit des Buffets, etwas Bekanntes, etwas Weißes. Das wird doch nicht…? GOTTHILF! Doch niemand half. Am Buffet lag die Unterhose und gerade eben wurde sie von Neuankömmlingen aufgehoben, wohl, weil sie den Feinripp für ein heruntergefallenes Tischdeckchen oder eine besonders edle Serviette hielten. Jetzt freilich war es zu spät, die Situation zu retten. Es roch nach Ärger, zumal recht lautstark und irgendwie ungehalten die Frage aufkam, welcher Rüpel hier den Gästen den Appetit verderben wolle. „Hallo, vermisst hier vielleicht jemand seinen Eierbecher?“

Nun ja, manche Dinge muss man dann einfach abschreiben. Pillepalle. Kinkerlitzchen. Allerdings frage ich mich, wenn solch unbedeutende, kleine Sachen bei ihrer Wiederkehr schon ein solches Aufsehen erregen, wie es dann wohl wäre, tauchte die Ex-Freundin wieder auf. Ich meine, die war auch sehr klein, aber durchaus präsent. Und noch etwas frage ich mich: Hat vielleicht jemand meine Mütze gesehen?

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