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Kolumne
Ohne Titel / März / neun / tisaa‘
„Mein Freiverslein, wohin mit uns jetzt?
Die Stadt schwarz in tausend Echos verreimt.“
Amanda Aizpuriete
Mit Worten im Mund, Freiversen, gischtigen, wird Blanka Beirut wieder einmal nachts wach. Sie findet nichts zum Schreiben. Wieder wird die Hälfte verschwinden, denkt sie, verdunsten in der Schlafwüste. Die Reste wird sie, wenn sie Glück hat irgendwann aus sich rausklauben können. Doch am Morgen flattert ihr Leib zum Telefon. Im unerwünschten Gespräch ertrinken die Wortreste der Nacht kläglich. Schlechte Nachrichten. Eine Literaturagentin möchte, dass der Libanon märchenhafter beschrieben wird. Eine Welt aus Glanz und Kuppel. Nicht Schall und Blut und Graurauch! Exotik ist das Stichwort. Kontostandsuntergang, antwortet Blanka und denkt an die Gewissenlosen in Libyen. Da hilft auch kein Kaffeesuff und Fenster putzen, muss sie feststellen.
In dem Moment haut der Nymphensittich seinen Schnabel gegen die frischgeputzte Scheibe und bittet um Einlass in die Handtasche. Blanka gewährt. Als Protestaktion gegen die aufdringliche Märzensonne schmeißt sie kurze Zeit später ihren Schirm in den Papierkorb. Wo kämen wir denn da hin? Wetter wie im Orient? Kein Wunder, dass so viele Flüchtlinge kommen wollen. Die Sonne muss weg, weg, weg mit der. Weg weg. Die Sonne wabbelt wie ein Pudding, und hält den Finger in die Putzstreifenwunde, Schleifspuren des Schwamms. Zwischen Pfefferminz und Buchstaben versteckt sich Blanka vor der Wahrheit und schickt ihre Gedanken wie ein Telegramm in die Handtasche. Dort hustet ihnen der Nymphensittich etwas Kleines aus Gold, so zumindest meint es Blanka zu erkennen. Doch der winkt ab, das sei kein Gold was da glänzt, sondern ein Strahl Radioaktion in seinem Auge. Noch nichts von Japan gehört, Blanka?, kreischt er ungnädig.
Sogleich stürzen deren Buchstaben entsetzt in den Abgrund. Auf einem steilen Schrecknishang, der aus Tsunami, Erbeben und Atomgau besteht.
Kotzenbetenkotzenbeten
Wie soll da noch die Sonne untergehen? Sie tut es. Jetzt erst recht. Trotz sauberem Optimistminister mit Porzellankopf und Atomfürsorge. Und dort, wo die Angst vor den Strahlen immer größer wird, versinkt die Sonne in rauchenden Reimen. Und geht so bald nicht mehr auf.