Blanka Beirut - Tagebuchstaben (10)

Kolumne

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Kolumne

Weißes Geflügel ohne Kopf / März/ zehn/ aschra

Hoffnung ist eine leere Schiefertafel
Auf der Dichter ihr Herz in Worte fügen

Thobile Masondo

Blanka hört Schüsse. Gegen die Kingkongs. Das heißt Krieg, meint der Nymphensittich, der endlich wieder nach Australien will, doch dazu müsste er Todes- und Strahlenzonen überfliegen. Die Deutschen machen da nicht mit. Weils sie nichts von Krieg halten. Kein Wunder, denn lassen leiber schießen. Von den arabischen Kingkongs. Auf ihr eigenes Volk In ganz Nahost. Mit deutschen Gewehren. Und deutschem Gewissen. Auf Blanka Beiruts Herzhälfte Zeder schießen die ja auch. Pah, man kann auch mit halbem Herzen leben, und: Beschossen heißt noch lang nicht tot. Außerdem: Ist es nun besser, wenn Europa auf Kingkong schießt? Wenn Blanka das bloß wüsste. Jedenfalls die Deutschen haben weiße Westen.

Ratten Brocken Mondvolk. Blankas Herz Angelegenheiten werden unübersichtlicher, denn zusätzlich ist die Welt am Untergehen, und zwar so sehr, dass sich ein Zeitungsblatt zur Birkenkrone vor Calla Minarett aufschwingt und wie Handtuch über einen Ast legt. Das ist der Ausblick. Hier gibt es ihn noch. Am Boden die Seuche und großes weißes Geflügel ohne Kopf auf dem Weiher, kreideweiß wie die Luft, fliehendes Papiermaterial. Bar jeder Metapher. Aber hier ist nicht Japan, Blanka, sagt der gestreifte Nachbar, der nie Zeitung liest und die Maläsen seines blonden Pudels bejammert. Und auch nicht Libyen oder Saudi Arabien oder oder.. Woher will er das wissen? Immerhin ist sogar die Erdachse verschoben. Von den Erdechsen ganz zu schweigen. Blanka weint mit der Erde Untergangsintervalle. Der Nymphensittich ist damit nicht einverstanden. Wenigstens die arabische Prime könnte es sein. Wem nützt denn das Gejammer?
Schnell kratzt Blanka ein Gedicht in die Schiefertafel, das mit Hoffnung beginnen soll.  Wegen dem Schlingbaum Angst. Doch nur noch Purzen klüngeln über die Schreibfläche, eine Wolke Zukunft weggeregnet, und gestohlene Aussichten.

Genauso schändlich zertrümmert die Frauenärztin später Blankas Goldworte für die ultrabeschallte Korallengegend im Inneren ihrer Brüste, Wellen, Planzen, Unterwasserkino. Drüsengewebe, Fettgewebe und Milchgänge, meint die Frau Doktor. Und zwischen den kleinen Wasserfedern schwämmen keine auberginenförmigen Miniboote, nein, schlicht Wasserbläschen. Immerhin keine Knoten. Immerhin keine Strahlung! Mit Beutelklammern verriegelt Blanka ihr Brusthemd wieder, als wäre sie eine Briefsendung, die man zu Prüfzwecken geöffnet hatte. Zeit blüht gegen Brust, denkt sie und windet trotz Kühlungserfolgen und wider alle Vernunft in die instabile Abendzeit.