Blanka Beirut - Tagebuchstaben (16)

Wochenkolumne

Autor:
Andrea Karimé
 

Wochenkolumne

Birkenkindertod / Mai / 16 / sitaasch

ich habe von diesem körper geträumt
schwarzer bambus, fünf stockwerke hoch

(Carl Christian Elze)

Ein gigantischer Dill steht vor Blankas Beiruts Haus. Es ist die Weide, die geschüttelt wird vom Lärm grausamer Dacharbeiten gegenüber. Kurz vorher war alles still nur die Tauben wieder, sie spielten Gespenst, bis auch das Dach wach.

Über Blanka Schreibblatt huschen Wolken aus Krähenschatten. So ist der Morgen, nachdem die im arabischen Kingkongfernsehen wieder gemordet, gemartert und gemetzelt wurde und die jungen Birken im Lande vergeblich gehofft haben. Überall stehen sie entrückt, ohne Wurzel und dem Tod geweiht. Man macht sich lustig, mit bunten Papieren, die man in ihr Laub hängt. Körper kommen. Titten ticken nicht richtig, denkt Blanka Beirut und macht sich lang wie schwarzer Bambus. Hängt sich über die Brüstung wie Handtuch. Den Birkenkindern zu Ehren.

Da geht ja jedes frische ü flüchten, denkt Blanka, die diesen Umlaut sammelt wie Briefmarken. Musadaa! Und was heißt das?, will der Nymphensittich wissen, bebend, mit mickriger Vermutung. Seine Federn sind gelb vom Blütenstaub und Lüxüsmüsik der Baumkronen, und er kehrt gerade zurück von einem Morgenplausch mit Grüngeflügel über der Weide und Sehnsucht nach der Handtasche.

Ich erinnere mich nicht, sagt Blanka. Obwohl sie weiß, dass die Antwort aus Papier ist und in dem kleinen Kästchen namens Herz eingeschlossen. Doch da kommt sie nicht dran. Der Nymphensittich fliegt unverrichteter Dinge zurück zu seiner kleinen Maiplauderei, und Blanka fegt den April vom Boden in alles Weißlichtige.