Blanka Beirut - Tagebuchstaben (30)

Wochenkolumne

Autor:
Andrea Karimé
 

Wochenkolumne

Äon des Nymphensittichs und Rachemantel / 30/ talatin/ September

Sie wollte nicht mein Blut und hüllte rettend
In eine Wolke mich

(Iphigenie)

Wie lebt es sich als türkisch Kleingeld in Köln? Kurusch kehrt heim in Blanka Beiruts Wohnung, nicht sie selbst unter Wolkenkontinente. Die Verpflichtungen möchten ihr Blut. Irgendeine Allahfigur schickt sie deshalb auf eine Wolke, mit viereckiger Müdigkeit. Und dort
wartet Blanka, dass die Nacht sich über die Erde senkt, wie ein Augenlid. Doch die Erde hat ein zweites Lid, genau wie ein Uhu, ein durchsichtiges, und deshalb bleibt der Tag so lange wie er will. Nur in Ägypten ist den ganzen Tag Nacht und in Israel, und die türkischen Sirenen singen von Minusvernunft. Allein Rache zählt. Kleidung und Lebensinhalt einer ganzen Region. Blanka kotzt von der Wolke runter. Ägyptisch Kleingeld wird das und heißt Hirsch und röhrt zu leise. Vor allem weil man für 10 Kurusch schon 33 Hirsche zahlen muss. Meine Güte. Blanka weiß warum sich alle aufregen: Das sind nur ein Drittel Cent. In den Ländern der Rächer ist das eigentlich schon was. Eine Drittel Bohnenfrikadelle zum Beispiel. Hierzulande: Nichts, aber auch rein gar nichts, da zählt nur der Euro und der hat Schwindsucht. Dort gibt’s stattdessen Rache. Und die wird einfach ehrenamtlich ausgeübt. Blanka ist trüb, knabbert die Zeit an, wie Keks und eine Salzfatima spielt auf dem Himmelsklavier. Atmender Mantel und knirschendes Haar. Das hört der Nymphensittich und kommt Blanka abholen. Schön und steif wie geschlagene grüne Sahne und ohne Kleingeldkrankheit. Der weiß einfach wie man lebt. Rein ins Äon und ab in den Erdbach, der Lächeln lehrt. Trotz harscher Nessel vor Blütentüll. Regenkommentare unter den Achseln.