eingekreist - die Monatskolumne Oktober 2011

Monatskolumne

Autor:
Christian Kreis
 

Monatskolumne

Ferien auf Hiddensee

Aber wozu schreibe ich das alles. Um mich an den Tag heranzuschreiben, an dem wir das uns aus früheren Besuchen liebgewordene Hiddenseeer Heimatmuseum besuchten. Doch nein! Wo waren sie, die liebevoll zusammengetragenen, im Raum verstreuten Alltagsgegenstände, an der Decke schwebenden Schiffsmodelle, Reusen, Netze, Kleidungsstücke. Alles entfernt. Der Raum war mit klinisch weißen Schau-, vielmehr Lesetafeln vollgestellt, per Kopfhörer konnte man sich langatmige Zitate anhören. Das ist moderne Museumskonzeption. Wo war er, der Museumsdesigner, um ihn, nach altem Schifffahrtsritus, weit draußen auf See in einem Beiboot auszusetzen. Statt der Heimatgeschichte diente über ein Drittel der Stellfläche jetzt dazu, möglichst alle Künstler und Literaten zu erwähnen, die irgendwann mal ihren Urlaub auf Hiddensee verbracht haben. Daß Gerhart Hauptmann eine Tafel gekriegt hat, ist ja ok, er hat dort gelebt und liegt auf dem Inselfriedhof. Aber für Gottfried Benn eine riesige Tafel, mit diesem typisch mürrischen Gottfried Benn Kopf der Fünfziger Jahre darauf, und sonst nichts weiter als der Hinweis, er sei vom 13. bis 18. Juli 1913 auf Hiddensee gewesen. Ich möchte Gottfried Benn nicht in einem Heimatmuseum sehen. Gottfried Benn ist heimatmuseumsuntauglich. Oder wer möchte irgendwann eine Schautafel erblicken müssen, auf der zu lesen steht: Der Kolumnist Kreis besuchte im Sommer 2011 Hiddensee. Im Anschluß schrieb er eine Kolumne über seinen Penis und einige Berliner Altlesben. Die Nacktaufnahmen seines Unterleibs stellte freundlicherweise das Deutsche Literaturarchiv Marbach zur Verfügung.   

Diesem Heimatmuseum möchte ich auch noch folgendes Gedicht anempfehlen. Das können sie dann auf die Schautafel drucken lassen.  
 

Hiddensee Impression


Ganz oben im Dornbusch auf Hiddensee
kann ich mich gar nicht erwehren
des Eindrucks, fast alles, was ich dort seh,
ist vollbehangen mit Beeren.

Mit rötlichen Beeren, unmöglichen Beeren
und Beeren ganz in Orange.
Ich könnte mich nur von Beeren ernähren,
im Bauch eine Beerenmelange.

Die Beeren dürften auch Namen haben,
doch bin ich kein Beerenbestimmer.
Im Kuchen müssen sie Damen laben,
im Schnaps ist die Wirkung meist schlimmer.

Denn Hiddensee ist ja neben den Beeren
auch voll mit seebärigen Damen,
die gerne intim mit dem Meere verkehren,
ganz nackt und ohne Erbarmen.
 

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