Blanka Beirut - Tagebuchstaben (38)

Wochenkolumne

Autor:
Andrea Karimé
 

Wochenkolumne

Konsonantenausfall und Innenministereien/ 38/ tamania u talatin/ November

oben auf dem dach / hoch hinaus von unten betrachtet
hat man den besten blick / bebildertes wort
auf den baum / verwurzeltes heimats-scham-schlamassel

(Swantje Lichtenstein)

In der Oper gibt es ewige Ruhe, die von Verdi in dieser Woche. Ein bisschen was davon schwebt anscheinend in Blanka Beiruts Handtasche, denn der Nymphensittich schläft dort die ganze Zeit. Ewig ist unheimlich, findet Blanka und vertauscht Buchstaben und
ewige eweig weige wedelt die Handtasche auch noch im Wiegeschritt.

Kusch, ruft sie, kusch, mein Vogel. Doch da ermahnt sie ein Mann hinter ihr. Blanka dreht sich um und weiß nicht, ob sie in ein Gesicht schaut, oder in einen Kontinent. Ruhe, sagt der Kontinent, und: Der Vogel soll erst mal Deutsch lernen. Ach so, der Kontinent heißt Friedrich und nicht Friedlich, geschweige denn Requiem und ist Vogelfeind. Ein Kontinent, der keine Zeitung iiest und keine Ahnung hat, dass der Vogel erstmal seine Muttersprache lernen muss. Wie er selbst. Blankas Vogel raunt weiter auf Kusch und aus seiner Herberge heraus. Er träumt von wolkengroßen Federn. Die herabfallen und sich an ihn heften. Für weite Flüge mit Blanka, zumindest durch den Deutschschungel. Blanka gibt ihr bestes, aber sie ist nun mal nicht die Mutter.

Wegen Psst und Deutsch und dem Kontinent verlässt sie die Novemberoper mit Vogel und geht aufs Dach. Dort hält sie ihre Gedanken in den Wind. Der meint es nicht gut und schubst Blanka, dass auch noch Konsonanten unruhig werden und schließlich ausfallen wie Zähne aus dem Mund. Mitläutendes Aufprallgeräusch wie getrocknete Kichererbsen auf Teppich. Di-es-i-rae, schwingt mit das Dach.