Blanka Beirut - Tagebuchstaben (45)

Wochenkolumne

Autor:
Andrea Karimé
 

Wochenkolumne

Wörtmüsikler - Wortklavier und Tagebuchstaben vom Bosporus 1

Ich könnte von einer anderen Reise, einer Reise in anderer Richtung berichten, oder nein, nur nicht berichten müssen.
Vielleicht schneit es in China, wie hier. Schräg treiben größere Flocken.

(Erica Pedretti)

 

Blanka Beiruts Jahr hat feucht und nymphensittichgrau begonnen. Und mit dem Gefühl, dass Hier immer woanders ist. Und mit Dort zusammenwohnt.
Sie reist an die Boase.
So wird der Bosporus auf Türkisch genannt.

Mit Koffer und Vogelkind und Wörterkegel ist Blanka unterwegs. Der Nymphensittich muss die ganze Zeit artig bleiben und in der Handtasche. Außerdem regnet es in einer Tür und welcher Vogel hat schon eine Regenjacke?

Dann wird eingezogen. Ins Buchstabenhaus. Da steht ein Tastenetwas. Ein Klavier, nur das keine Töne sondern Buchstaben herausgespielt werden. Die Ihrerseits wieder Wörter ergeben. Leider hört Blanka sofort dass es verstimmt es. Kein brauchbares Material dabei! Nur gut, dass sie den Nymphensittich bei sich hat. Der macht zwei-, dreimal Federkosen mit den Tasten und schon spuckt es hüben wieder vernünftig.

Zum Beispiel Tüllbanane und yakında. Letzteres vornehm mit i Ohne Tüpfelchen. Im Haus gegenüber, drüben, steht ein Mann auf seinem Balköngschen und raucht ohne Hosen. Ob auch die Unterhose fehlt weiß Blanka nicht, und sie will es auch gar nicht herausbekommen. Deshalb reißt sie den Blick schleunigst von Drüben nach Hüben über das verbindende Stromkabel. Ihr Blick stolpert, denn über das Kabel gehängt, mitten über der Straße: Turnschuhe. Eisig die Luft, aus der der Blick nun steigt. Vielleicht schneit es gleich schräge große Flocken, denkt sie, hüben wie drüben.