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Werkstattgespräch
Dietmar Sous und sein neuer Roman "Sweet About Me" nun bei Knaus – ein Werkstattgespräch
"Vater, Mutter, Tochter Maya, ein Häuschen vor der Stadt, Familienurlaub an der Nordsee. Mehr Normalität war nie. Doch dann trifft Maya einmal zu oft den wunden Punkt des Vaters, und eine heile Welt zerbricht", heißt es im Klappentext. Überdies treffend herausgestellt der "tragikomische Blick, angereichert mit viel Musik, in die Abgründe eines kleinbürgerlichen Lebens".
Die Rede ist von "Sweet About Me" (192 Seiten, 16,99 €; ISBN 978-3-8135-0455-2), seit wenigen Tagen präsente Roman-Novität von Dietmar Sous. Der in Stolberg bei Aachen 1954 geborene und heute wieder – nach langem Aufenthalt in Belgien – dort lebende Schriftsteller erweist sich mit seinem vorläufigen Gesamtwerk als richtungsweisender neuer Heimat-Archäologe. In zuvor einem Dutzend auflagestarker Bücher offeriert Sous, Chroniken gleich, Aura und Aroma der Ex-Marx-und-Coca-Cola-Generation. Abseits von notorischer Folklore, ohne verkopftes Pathos. Statt dessen Lakonisches, Jargon und Ambiente aus erster Hand.
Dies ebenso Sache in "Sweet About Me", womit der Autor im zur Random-House-Gruppe gehörenden Knaus Verlag seinen Einstand gibt (alle vorherigen D.S.-Titel erschienen bei Rotbuch und Rowohlt). Grund für ein Werkstatt-Gespräch – Jochen Arlt stellt Fragen zum Thema, Dietmar Sous gibt Auskünfte.
Jochen Arlt: Ein druckfrisches Buch in einem für Sie neuen Verlagshaus, lieber Dietmar Sous, ist bekanntlich mit etlichen Pflichten verbunden. Stellvertretend genannt die Präsentation des Romans "Sweet About Me". Wie bereiten Sie sich auf die anstehende Lesungstour vor?
Dietmar Sous: Morgengymnastik bei offenem Fenster, viel frisches Obst und Gemüse. Carl Philipp Emanuel Bach, vor allem das Flötenzeug.
Längst haben Sie etliche Lesereisen durch die Republik absolviert. Was wünschen Sie sich grundsätzlich von Ihrem Auditorium? Sicher sind da Erwartungen, wie das Publikum Sie auf- respektive annehmen wird ...
Nur ein Wunsch: dass es ein Publikum gibt. Alles andere ist mir ziemlich egal.
Prinzipiell: Kolleginnen wie Kollegen aus dem belletristischen Genre berichteten mir wiederholt, dass sie satte zehn Stunden pro Tag am Computer sitzen und im Zwei-Finger-Rhythmus ihre jeweiligen Texte tippen würden.Wie schaute es in Ihrer Werkstatt während der "Sweet About Me"-Arbeit aus?
Werkstatt? Aber zu Ihrer Frage, Herr Arlt: hungrige 4 bis 5 Stunden. Maximal. Ich bin 58. Man will ja auch noch was haben vom Leben.
"Sweet About Me" ist Ihr immerhin dreizehnter Prosatitel. Was hat sich verändert seit 1981, seit "Glasdreck", Ihrem Debütroman um den gedemütigten Bruno Mölldärs? Zunächst einmal mit dem Schriftsteller Dietmar Sous. Außerdem in und mit seiner unmittelbaren beruflichen und sozialen Umwelt?
Verzeihen Sie, aber darüber möchte ich gar nicht erst nachdenken.
In welcher Form halten Sie Fakten fest – sind Sie ein akribischer Rechercheur mit Zettelkästen in Walter-Kempowski-Manier?
Kein Notizbuch, schon gar kein Zettelkasten. Ein bisschen Gekritzel auf Fahrscheinen oder Tempo-Tüchern, sonst nur der Kopf. Wenn ich was vergesse, war es die Sache wohl auch nicht wert.
Nun haben Sie ein wenig von Ihrem Über-Bücher-Schreiben offenbart. Was passiert zwischenzeitlich, wenn Sie keine Bücher verfassen? Lesen Sie dann Prosa? Beispielsweise von T.C. Boyle oder Annie Proulx, von Krausser, Meinecke oder Ortheil?
Jein.
Wie gefällt übrigens im Hause Sous der Vergleich eines Rezensenten, der Sie als deutschen Nick Hornby hochjubelte?
Gut. Vielleicht gefällt im Hause Hornby der Vergleich ja auch.
Musik und Fußball indes, abseits meiner Sous-Hausbibel "Vormittag eines Rock'n'Roll-Beraters", gehören unüberlesbar seit jeher zu den dominierenden oder wenigstens flankierenden Themenwurzeln Ihrer Kurz-/Geschichten ... Kommen in diesen Zusammenhängen Gedanken über anhaltende Kritikerfragen auf, ob Sie nun die U- oder E-Literatur-Gemeinde bedient haben?
Nein.
Ob Romane, ob Erzählungen: von "B-Film" über "Gagarin" bis "Abschied vom Mittelstürmer", "Schöne Frauen" oder "Das Haus am Bahndamm" oder "Sweet About Me" – Ihr vorläufiges Gesamtwerk einer sich fortsetzenden Heimat-Chronik der deutschen Nachkriegsgeneration gleich. Habe ich dies richtig lesend verfolgt seit den frühen 1980-er Jahren?
Chapeau, Herr Arlt!
Ihnen scheint per authentisch-leichtfüßiger Form und ebensolchen Plots nichts ferner, als der teutonischen Selbstzerknirschung ein weiteres Viertelpfund hinzuzufügen. Trotzdem streben Sie mit Themen wie Inhalten an, Zeitsymptome zu vergegenwärtigen und aufzulegen – oder gar zu bewältigen?
Wenn Sie es sagen…
Den durchgehenden roten Faden seit der Adenauer-Republik bis zur Gegenwart in Ihren versammelten Stoffen aber gibt es!
Okay, okay!
Womit wir zurück sind bei "Sweet About Me": Wie repräsentativ ist diese aufwühlende Vater-Mutter-Teenagertochter-Melange für die längst eingebürgerten heute rund 50-Jährigen?
Repräsentativ? Woher soll ich das wissen? Bin doch kein verdammtes Meinungsforschungsinstitut!
Ihre Lesergemeinde darf davon ausgehen, dass Sie weiterhin auf den Fährten unserer Altersschwestern und -brüder bleiben, ja? Mit dem verbliebenen Übermut plus Größenwahn, all jener Chaos-der-Gefühle-Melancholie und Schwerfälligkeit, mit den immer wieder neuen Niederlagen, Abschieden und privaten wie allgemeinen Problemen ...
Herr Arlt, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Copyright Jochen Arlt