Notiz
Preis der Leipziger Buchmesse am 14. März 2013
14.03.2013 | Hamburg
Noch 10 Minuten bis zur Preisverleihung, noch fünf Minuten, noch 20 Sekunden … Wir bitten Sie, Ihre Plätze einzunehmen!
Wo haben sie sich das nur abgeguckt, bei der Oscar-Verleihung vielleicht? Ich sitze also schon mehr als zehn Minuten in der Glashalle der Leipziger Messe, aufgeputscht von dem Countdown und schaue mich um. Mein Blick wird von einem fünf oder sieben Meter langen Kamera-Arm gestört, der unablässig auf- und niederschwebt, geführt von dem Mann am Ende des Krans mit vielen Hebeln. Der Dauermessekrach in dieser Glashaube, auf der teilweise noch der Schnee von gestern liegt, wird nicht abebben, sogar Knaller sind zu hören, die aber anderen Höhepunkten zugedacht sind. Der Blick auf die Bühne, wo Hubert Winkels als Juryleiter spricht, wird immer wieder auf pop-bunte und dralle Popos von Mangamädchen abgelenkt, die auf den Treppen posieren.
Ja, so eine Preisverleihung ist eigentlich langweilig – bis auf den Moment, wenn ein Prominenter die Mappe öffnet, um den jeweiligen Preisträger der drei Kategorien vorzulesen: Übersetzer, Sachbuch und Belletristik. Winkels macht keinen Hehl daraus, dass Belletristik die Königsdisziplin ist. Ich verhehle meine Freude nicht, dass mein Favorit David Wagner den Preis für sein „LEBEN“ bekommt. Ehrlicherweise muss ich zugeben, nur zwei der fünf nominierten Bücher gelesen zu haben.
Man wird der Jury möglicherweise eine Neigung zu sozialen Beweggründen vorwerfen. Eva Hesse, die den Übersetzerpreis für Ezra Pound „Die Cantos“ bekam, erschien aus Alters- und Krankheitsgründen nicht zur Preisverleihung. Götz Aly bekam den Preis nicht, aber in der Kurzbeschreibung seines nominierten Buches „Die Belasteten“, in dem es um Euthanasie 1939 bis 1945 geht, wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass er selbst ein behindertes Kind hat. Und David Wagner hat eine Lebertransplantation, um die es in seinem Buch geht, selbst durchgemacht.
Das wird für die „Gesunden“, noch nicht so alten und ohne behinderte Angehörige Nominierten bitter sein, dass ein solches „Alleinstellungsmerkmal“, hier schon fast ein Rührfaktor, doch eine so dominante Rolle im Denken der Jury spielt.
Das Publikum hatte, online, bereits vor ein paar Tagen anders entscheiden. Ich sah Lisa Kränzler, zweite des Online-Votings, deren Buch ich unbedingt lesen will, nach der Verleihung mit ihren großen Augen verloren zwischen den stummen schwarzgekleideten Leuten vom „Verbrecherverlag“ herumstehen. Anna Weidenholzer – Siegerin des Online-Votings, muss ich auch noch lesen – habe ich nicht entdeckt. Wie Birk Meinhardt und Ralph Dormann.
David Wagner bedankt sich bei der Preisverleihung bei seinen Mitnominierten für die schönen vergangenen gemeinsamen Lesungen. Die Gemeinschaft wird er jetzt sicher vermissen. Jetzt steht er vor den Kameras, die ihn gnadenlos, wenige Minuten nach Bekanntgabe des Preises, in den Fokus nehmen, allein, ja, denn nur einer kann den Preis bekommen.