Kolumne
Burka
Ein Pamphlet
In Frankreich soll die Burka verboten werden, in Belgien wurde sie es. Mir scheint: ein Schritt in die falsche Richtung! Sollten wir uns nicht vielmehr Gedanken über die Gründe machen, warum die Muslima eine Burka trägt? Was sind das für Wesen dahinter? Zumindest das kann man von Außen leicht erkennen, oft sehr dickliche. Dürfen wir ihnen zumuten, sich unverhüllt unserer westlichen Sicht auszusetzen? Und wir sollten auch fragen, ob wir uns das zumuten wollen?
Ich war immer der Meinung, daß die Burka auch vielen französischen und deutschen Frauen gut zu Gesicht stehen würde. Für manche wäre sogar eine Burkapflicht geboten. Die Männer möchte ich davon selbstverständlich nicht ausnehmen. Werden also mit dem Burkaverbot nicht die eigentlichen Probleme verschleiert?
Ist es denn nicht viel dringlicher, ein Jogginghosenverbot einzuführen für Männer, die offensichtlich seit Jahren schon nicht mehr oder überhaupt noch nicht gejoggt haben? Wir kennen doch alle das sommerliche Problem, wenn er, vierzig Jahre und älter, mit seinen kurzen Hosen und bestrumpften Füßen in Sandalen jegliche Rücksicht auf unsere abendländische Kultur vermissen läßt. Zumindest in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln sollte das unter Strafe gestellt sein. Kein Burka-, ein Bermudahosenverbot tut uns not.
Wie schön und schlicht, im existentialistischen Schwarz gehalten, ist dagegen die Burka. Haben wir uns schon mal überlegt, wie viele Menschen, Männer und Frauen gleichermaßen, sich durch das Tragen der Burka kostspielige und, nicht zuletzt, risikoreiche Schönheitsoperationen ersparen könnten? Die Problemzonen würden vollständig verdeckt werden. Fettabsaugen wäre überflüssig. Das Gitternetz vor dem Gesicht ersetzte so manche Nasenkorrektur und Lippenaufspritzung.
Die Politiker behaupten immer nur, hinter der Burka verberge sich Rückständigkeit und grausamer Traditionalismus. Verbirgt sich dahinter nicht vielmehr ein häßlicher Mensch, der ein Recht darauf hat, nicht begafft zu werden. Ein Mensch mit einem Makel im Gesicht, einer unförmigen Figur. Dürfen wir ihn den viel eher als grausam zu bezeichnenden ästhetischen Urteilen unserer Hochglanzblätter ausliefern. Ist die Burka nicht reine Selbstverteidigung gegen unsere Modeschöpfer, die schon so viele magersüchtige Mädchen auf dem Gewissen haben. Ungestraft darf Karl Lagerfeld seine Haßpredigten vom Laufsteg unter das Volk bringen. Hinter dunklen Brillengläsern verbirgt er seinen zu keiner Milde mehr fähigen Blick. Den Magersüchtigen dieser Welt wäre geholfen, wenn wir diesen Mann endlich nach Guantanamo abschieben könnten, bevor es geschlossen wird.
Der 11. September hat nur ein Bruchteil so viele Menschen auf dem Gewissen wie das westliche Modediktat. Unvorstellbar das Elend in den Konfektionsfabriken in China und Afrika, wo von Jahr zu Jahr in einem sinnlosen Kreislauf die Frühjahrs-, Sommer-, Herbst-, und Wintermode produziert wird. Eine Verschwendung von Rohstoffen, Energie und Menschenleben. Trüge die Menschheit bescheiden Burka, wie leicht hätte unsere Bekleidungsindustrie nicht nur eine hervorragende Umweltbilanz vorzuweisen, sondern auch weniger Gewinn. Was könnte jeder einzelne mit dem eingesparten Profit, der nichts Geringeres als bewahrte Zeit ist, nicht Sinnvolles tun? Mal wieder ein gutes Buch in die Hand nehmen oder sein Glied und still in seinem Zimmer lesen, anstatt bei H&M zu shoppen. Wie viele Seelenmassaker bei den sonnabendlichen Diskothekbesuchen blieben uns erspart. Und erspart blieben uns die Milliarden von Krankenkassenausgaben, um diese Menschen durch Psychologen von den Gedanken abbringen zu lassen, daß sie, erstens, fett und häßlich sind, daß sie, zweitens, nie geliebt werden können, daß sie sich, drittens, augenblicklich von einer Brücke stürzen sollten, weil sie die Konfektionsgröße 34, zumindest in diesem Leben, niemals erreichen.
Die Welt wäre ein bißchen besser, wenn alle die Burka trügen. Ziehen wir sie an und am besten nie mehr aus. Wir würden nicht mehr von Äußerlichkeiten abgelenkt werden. Durch das Gitternetz hindurch bekämen wir wieder eine freie Sicht auf das Wesentliche. Vielleicht wäre es uns möglich, auch wieder zu lieben, wenn wir nicht so genau sehen müßten, wen wir lieben sollen. Endlich wäre wieder Raum für Phantasie und nicht für jede Falte im Gesicht der Geliebten. Darum sage ich Euch: kauft ein paar Meter schwarzen Stoff, sucht den orientalischen Schneider Eures Vertrauens und vergeßt nicht, den Beischlafschlitz
hineinschneidern zu lassen.
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ist die Losung der französischen Revolution gewesen. Nun ist es der Orient, der uns durch die Burka wieder vor Augen führt, was Gleichheit bedeuten kann. Das Streben nach Schönheit und Reichtum hat uns ungleich gemacht. Brüderlichkeit ist jedoch nur möglich, wenn der andere so aussieht, wie wir selbst. Weil wir Andersartigkeit unter uns Menschen nun mal nicht ertragen können und darauf mit Unverständnis oder einem Progrom reagieren müssen. Was letztlich unsere freiheitliche Grundordnung gefährdet. Erst unter der Burka sind wir vor dem Gesetz gleich und vogelfrei!
Christian Kreis für Fixpoetry, Mai 2010