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Kritik

Drei besinnliche Ziernähte am Handrücken

Hamburg

Einer der Schlüsselromane Mishimas ist bei Kein & Aber in einer vorzüglichen Neuübersetzung erschienen, die Bekenntnisse einer Maske. Im Original 1949 heraus gekommen, handelt es sich um Yukio Mishimas autobiographische Beichte eines (seines) schmerzvollen Daseins und Aufwachsens als wegen seiner (Homo-) Sexualität Unterdrücktem. Das gilt für die Gesellschaft in der er aufwächst, das Vorkriegs-Japan und jenes im Krieg, und für seine Familie sowie ihn selbst, der sich aus einem gespielten Erhaltungsimpuls eine Rolle angewöhnt, die des Heteros, und die er nicht loswird, der er folgt bis in die Ehe. Bis heute wird das nach außen, von Mishimas Ehefrau/ Erben etc. so verteidigt, gesehen und jegliches andere bestritten. Dass Mishima schwer nach rechts gedriftet ist, politisch, für nukleare Aufrüstung Japans eintrat und 1970 mit einer Privatarmee putschte, sich selbst entleibte (durchstrich?), gefilmt von seinem Liebhaber, alles um nach Reinheit aus Tradition, oder wie auch immer er es selbst nannte, zu streben, könnte aus einem seiner Romane stammen, ist aber die Übernahme der Fiktion durch Fakt und überschattet, auch bis heute, dieses enorm produktive, kurze revolutionäre Künstlerleben, dessen frühe Frucht, Bekenntnisse einer Maske, wie ein schöner Fluch in der Welt steht. Unbedingt lesenswert in seiner weichen, minimalistischen Selbstanalyse aus Gewalt- und Erosphantasien. Alles unter dem Licht, seiner Geschichte und Abglanz, seiner Veränderung und vielleicht tatsächlich unter der Wahrnehmung von Licht als Schatten der Geschwindigkeit. So rastlos Mishimas Biographie, so beruhigend (beunruhigend der Inhalt) der Stil dieses Romans. Von Kindheit, genauer von Geburt an, die der Protagonist Kochan schon zu erinnern meint, benennt Mishima jede Schwäche, jede Neigung, jedes Glücksmoment, schämt sich und kann nicht anders. Beständig mit Märchen und Mythen einer klassischen westlichen Bildung konfrontiert – nach Öffnung der Meiji-Ära – von Proust bis Huysmans, Andersen bis Guido Reni verliert sich der, isoliert durch Normierung, zur Affirmation verurteilte Kochan in Hl. Sebastian-Phantasien, in Blut und Körpergrapheme und driftet durch Wertesysteme. Haltlos, zur Erfahrung verdammt.

Aber ich fand an dieser Freiheit kein großes Vergnügen. Ich fühlte mich gehemmt wie ein Kranker, der nach seiner Genesung die ersten Schritte tut, es war, als nötigte mich eine unsichtbare Pflicht. Ich vermisste die trägen Stunden im Bett. Außerdem verlangte man hier stillschweigend von mir, mich wie ein Junge zu verhalten. Die ungewollte Maskerade nahm ihren Anfang. In jener Zeit begann ich dunkel den Mechanismus zu begreifen, dass das, was sich in den Augen meiner Mitmenschen als Schauspiel reflektierte, für mich von dem Verlangen zeugte, zu meinem wahren Selbst zurückzukehren, während das, was sich in ihren Augen als mein natürliches Ich darstellte, für mich gespielt war.

Diese ungewollte Maskerade führte eines Tages dazu, dass ich sagte: "Lasst uns Krieg spielen."

Kochan verliebt sich zu Grundschulzeiten in Omi, einen älteren "Raufbold".

Auf der Grundlage dessen erfolgte ein Auswahlprinzip, ein System der Vorlieben und Abneigungen. Seinetwegen konnte ich keine intellektuellen Menschen lieben. Seinetwegen fühlte ich mich von Brillenträgern nicht angezogen. Seinetwegen fing ich an, Körperkraft zu lieben, die Empfindung schäumenden Bluts, Unwissen, grobe Gesten, eine ungehobelte Ausdrucksweise und all die körperliche, ungezähmte Schwermut, die noch nicht vom Intellekt verdorben ist.

Nach nur knapp 200 Seiten versandet das Geständnis wie in einem Jetzt angekommen. Ohne Aussichten. Es sei denn..

Lesen!

Yukio Mishima
Bekenntnisse einer Maske
Übersetzung:
Nora Bierich
Kein & Aber
2018 · 224 Seiten · 20,00 Euro
ISBN:
978-3-0369-5784-5

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