Anzeige
Heimat verhandeln V&R böhlau
x
Heimat verhandeln V&R böhlau
Kritik

Wenn Kapitänen ein Licht aufgeht …

21.10.2014 | Heinrich Heine Preis 2014 der Stadt Düsseldorf für Alexander Kluge
Hamburg

Was Theorie nicht vermag, das vermag mitunter Literatur – und so ist Alexander Kluges Werk nicht nur für sich höchst beeindruckend, sondern auf intrikate Weise zugleich das Komplement der Philosophie Adornos. Das zeigt sich gerade, wo er nun seinerseits eine Theorie entfaltet, sehr deutlich: Im Wechselspiel von Begriffsbildung und ästhetischen Verfahrensweisen erwacht in diesen Texten, teils geschrieben (booklet), teils vorgetragen (DVD), etwas zum Leben.

Dabei zeigt sich immer wieder die Resistenz des Realen wider die Begriffe, etwa, wenn von manipulierten Leuchttürmen die Rede ist, mit deren Hilfe man einst bei Sylt Schiffe gerade zum Auflaufen auf Riffe verleitete. Wessen Begriffe verwenden wir, wenn wir durch das Dasein manövrieren? Zugleich ist das Subjektive – und sein Recht – so stark wie das Objektive, das ja nur ein verordnetes Subjektives unter anderen sein mag.

Diese Dichotomien läßt Kluge sich entfalten, wobei er genau hierin, im Entgehen, eine Tugend ahnen läßt. Ist das Sein (politisch oder metaphysisch) schier totalitär, dann „ist die Nacht die Tugend.” Ist nur „in den Höhlen des Harzes” noch etwas zu verbergen, „ist das die Tugend.”

So geht es um Fiktion als einen – realen – „Kokon” wider das Allzuwirkliche. Eine fiktive Liebesgeschichte muß, um das zu sein, der Ideologie entgehen, und zwar, indem ihr auch Liebesunfähigkeit, Zögern oder „die künftige Abtreibung” eingeschrieben wird; indem sie aber dennoch wider die Ideologie, die im Realen sich kristallisiert, bestehen bleibt, Liebe ohne deren leichtfertige Begrifflichkeiten sozusagen.

All das ist von frappanter Qualität, ergibt eine Theorie des Erzählens und der Erzählung, die diese verortet – oder: gerade nicht verortet, sondern zeigt, wie Topiken sich entwickeln und das Erzählen, um das es ginge, dies sichtbar machte: und indirekt das Reale, dessen Lockungen schon irreal sein mögen.

Alexander Kluge
Theorie der Erzählung
Frankfurter Poetikvorlesungen 2012
+ Booklet 60 Seiten
Suhrkamp Filmedition
2013 · 360 Minuten · 29,90 Euro
ISBN:
978-3-518-13534-1

Fixpoetry 2013
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Fixpoetry.com und der Urheber
Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen den Artikel jedoch gerne verlinken. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Letzte Feuilleton-Beiträge