An „Brutalität grenzende Jovialität”
Einer bekannten Metastudie im Bereich der Verhaltensforschung zufolge sehen Forscher in Affen, was ihrer eigenen Sozialisation entspricht, sodaß der Affe als kleiner Deutscher oder Amerikaner eben die Tugenden ausdrückt, welche der Nation des Forschers entsprechen: Deutsche Affen sind Denker, amerikanische Pragmatiker. Was also liegt zugleich näher und ferner, als über sein Land zu schreiben, etwa über Österreich, wenn man selber einer seiner Bewohner ist..? Aber genau dieser Falle entgeht Alfred Goubran in seinem lesenswerten Essay durch eine Doppelstrategie: Er kritisiert, ohne zu denunzieren, und er lobt – meist indirekt –, ohne zu verklären, was Österreich sei; es ist ein Glaube ans Mögliche, der den Blick fürs Reale schärft, dem Goubran nicht einfach zuzuschlagen ist.
So wird das Kopflose, das sich be-haupten will, aber in einem anderen Sinne auch müßte, geschildert, das Unbestimmte, das bestimmt wird, weil es sich nicht be-stimmt; das systemstabilisierende Klagen und Raunzen wird dargestellt, worin sich letztlich folgenlos entlädt, was es zur Kritik nicht brachte. Die Würdigung geschehenen, also möglichen und gegebenenfalls unterlassenen Widerstandes ist dabei wesentlich kritischer als das Verharren im negativen Stereotyp, das erkannte der darob denunzierte Karl-Markus Gauß schon vor Jahren, und verteidigte das Verfahren in seinem Protokoll, betitelt: Ich gestehe, in diese Tradition reiht sich Goubran ein, indem er die Posse der schrecklichen Gegend, die das schöne Land sei, und darin das bescheidene „Meinen” und andere Fatalismen eben von zwei Seiten in die Zange nimmt.
Zu kritisieren gibt es dabei einiges, so den Stolz auf Österreich, eine Kritik, die man ausgeweitet zu einer Kritik des Nationalstolzes überhaupt noch lieber läse; auch leistet Goubran eine Kritik des Erfolges austriakischer Prägung; des Bäurischen, das Brutalität und Unsicherheit zum Substrat hat; der Postmoderne, die in ihrer österreichischen Version einen Ausverkauf der Prinzipien meint – daß Heinz Fischer gegen Wiesenthal agitierte, aber, als es opportun war, das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich überreichte; der Globalisierung, die Nivellierung und also Provinzialisierung nicht nur in Österreich gegenwärtig oft ist; der Wiedergutmachung als „Bauernopfer”; und der Kultur hierzulande, die man, was sie denn auch als Unkultur ausweist, „besitzt”. Nein, die Banalität des Bösen ist es nicht, die in Österreich regiert, das ahnt man längst. „Das Böse ist nicht banal. Es ist böse.” Immerhin ist Österreich böse genug, das Banale zu wollen, fast hoffend auf die Bosheit des Banalen, die es ja denn doch gibt.
So schaut es aus, felix Austria, hoffnungslos, aber nicht ernst, um eine bekannte Verdrehung zu gebrauchen, doch Goubran will genau dies richtigstellen: Ernst und Hoffnung beseelen sein Buch, so gewitzt es sich dem Österreichischen abtrotzt. Eine Lektüre, die Österreich und seinen Menschen zu empfehlen ist – Anfang einer dringlichen Therapie.
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