Im Eingedenken
Hab Geduld mit mir
Sie sind nicht hier, um zu singen
Sie wollten nicht singen
So heißt es im Vorsatz. Es ist mir ein Anliegen auf dieses Buch oder besser auf dieses Projekt zu verweisen. Im letzten Jahr ist im Verlag Luxbooks ein Buch erschienen, welches vollkommen unterzugehen droht, was ein Desaster wäre. Und es scheint mir schon merkwürdig, dass ein solches Werk in Deutschland so wenig Aufmerksamkeit findet. Es handelt sich um das lange Gedicht Darkling von Anna Rabinowitz, welches die textliche Grundlage für die gleichnamige Oper des Komponisten Stefan Weisman ist. Eine Aufnahme dieses Werkes liegt dem Buch als CD bei.
Gleich in zweierlei Hinsicht scheint mir das Projekt herausragend: Einerseits in der akrostischen Anlage des Textes und andererseits im gleichzeitig behutsamen, aber auch fordernden Zugriff der Musik. Eine dritte Ebene, die es zu erwähnen gilt, ist die ausgezeichnete Übersetzung des Textes durch Barbara Tax.
Das Gedicht erzählt die Geschichte zweier jüdischer Familien, die im Holocaust ermordet worden sind. Entwickelt wird die Erzählung anhand von Habseligkeiten, die sich auf einem Dachboden finden. Aus dem Gefundenen heraus wird das Leben der ehemaligen Besitzer rekonstruiert. Es ist also gleichermaßen die Geschichte einer Vergegenwärtigung Hier im Bewahrenden zeigt sich das besondere Potenzial des langen Erzählgedichts, und es erinnert gleichzeitig an seine Herkunft als Trauerrede.
Späte Zufluchten zwischen ausgefransten Echos,
Überblendungen aus einer Reihe von Schatten –
ich muss einen Weg finden durch diese unfassbare Dunkelheit, die darauf besteht, dass wir
uns ihren unermüdlichen Annäherungen hingeben.
Sogar wenn wir entgegen aller Hoffnung auf Gnade hoffen –
endlich einmal Trost.
So heißt es in einer poetologischen Passage des Textes. Solche Reflexionen wechseln sich mit Narrationen ab und geben am Ende ein fragmentiertes Bild der Geschichte.
Die Musik der Oper setzt mit einer elegischen Streicherpassage ein, die sich in minmalistischen Sequenzen, die mit leichten Variationen wiederholt werden, zu einer Art Klagelied steigern. Dann beginnt eine Sprechstimmeden Text zu deklamieren. Im Hintergrund breiten die Streicher weiter das musikalische Material aus, das vom Gesang aufgenommen wird. Später kommen Gesangssolisten dazu. Diese zugleich einfache und eindringliche Anlage eröffnet einen Trauer- und Resonanzraum. Im Fortgang verfährt die Musik ähnlich wie der Text. Wie mit Fundstücken arbeitet sie mit historischem Material, ohne über dessen Versehrtheit hinwegzugehen. Es ist gleichzeitig Darstellung des Verlustes, aber auch eine Rekonstruktion eines Lebens vor seiner Vernichtung.
Auf Youtube finden sich Ausschnitte einer Inszenierung der Oper, die wie Text und Musik auch mit visuellen Plateaus arbeitet.
Es wären dem Stück und uns, dem Publikum, unbedingt Aufführungen auch hierzulande zu wünschen, gerade um das vergangene Wagnerjahr schnell in den Hintergrund zu drängen. Solang können wir uns an Buch und CDs halten.
Fixpoetry 2014
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