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Das Meer und der Norden     Streifzüge von Küste zu Küste     von Charlotte Ueckert
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Das Meer und der Norden     Streifzüge von Küste zu Küste     von Charlotte Ueckert
Kritik

Die Wahrheit ist nun mal was Großes, nichts für ’nen Opel Kadett

Bernd Cailloux schreibt sanft ironisch vom Haschischrauchen
Hamburg

Das waren noch Zeiten. Da gab es noch "Gammler", lange Haare bei Männern erregten Aufsehen und Missfallen, und Haschisch war noch eine Teufelsdroge. Es dauerte noch ein halbes Jahrhundert, bis ein amerikanischer Präsident gestand, er habe geraucht - wenn auch "nicht inhaliert". Für die Jugend gehörte es damals, in den sechziger Jahren, zu den Verweigerungsstrategien: "Am Morgen ein Joint, und der Tag ist dein Freund", hieß es, und eine der linksradikalen Gruppen in Berlin nannte sich "umherschweifende Haschrebellen". Und gefährlich war es auch, denn die Polizei verfolgte Haschischdealer oft noch wie Großkriminelle.

Von dieser wilden und rauschhaften Zeit erzählt der Berliner Schriftsteller Bernd Cailloux in seinem neuen Buch "Surabaya Gold" mit dem Untertitel "Haschischgeschichten". In kurzen Erzählungen wirft er ein subjektives Licht auf diese längst untergegangene Welt, in der es ab und zu auch noch pathetisch zuging:

Es ging uns um die Suche nach dem Eigentlichen in der Existenz

sagt der schon ältere Ich-Erzähler in der Reha-Klinik. Und sein ebenso alter Gesprächspartner, mit dem er sich auf der etwas abseits stehenden Parkbank einen Joint teilt, fragt:

Und dafür brauchten Sie diesen Jungen mit seinem Bentley?

Natürlich:

Die Wahrheit ist nun mal was Großes, nichts für ’nen Opel Kadett.

Der Junge mit dem Bentley ist einer von ihnen: Micha, ein

milchbubigesichtiger Schlaks

mit

bis zu den Schultern herunterwallender Mähne.

Er kurvt mit seinem Angeberauto durch Frankfurt und versucht, durch den Handel mit Haschisch reich zu werden. Aber als er dann LSD-Trips für eine Million Mark besorgen soll, gerät er in der Autobahnraststätte an Rauschgiftfahnder, die ihm eine Falle gestellt haben. Etwas mehr Glück hat ein Jugendlicher aus dem Harz, der mit seinem Freund von der Handelsmarine zwölf Kilo Gras der Marke „Surabaya Gold“ an Polizei und Zoll vorbeischmuggelt. Ein anderer wird sein ganzes Geld los, als er einer Geschäftsfrau einige tausend Mark leiht, und sie nach Amerika verschwindet, wo sie sich erst einen Flughafen kauft und dann einen Hanfplantage anlegt - natürlich wird auch sie verhaftet.

Ja, das waren noch Zeiten … Sprachlich elegant, mit leisem Humor und feiner Ironie, beschreibt Bernd Cailloux die Kiffer und die Szene, in der es immer irgendwo ein Sofa gab, wo man rumhängen konnte und wo es immer einen Joint gab. Mit wenigen Worten gelingt es ihm, die Menschen zu charakterisieren, vor allem ihre Naivität. Cailloux verklärt und romantisiert sie nicht, diese Zeit, er malt mit einer schönen Skizzenhaftigkeit die oft komplizierten und verwirrten Beziehungen. Und er hat ein genaues Gespür für die innewohnende Komik der Zeit, die er mit Ironie aufspießt:

Im Sommer des Jahres 1967 kam ein Fernsehreporter ins Düsseldorfer Künstlerlokal Creamcheese und fragte, von Gerüchten aufgeschreckt, ob hier vielleicht Haschisch, Gras oder sonstiges Rauschgift vorhanden wäre. Der diensthabende Barmann, Big Martin, zog an seinem lässig in der Hand gehaltenen, dicken Joint, blies den Rauch in Millionen Tagesschau-Gesichter und sagte: 'Nö, nicht dass ich wüsste' ...  

Ob das Haschischrauchen damals wirklich etwas mit Subversivität und Revolte zu tun hatte, lässt Cailloux offen. Man meint aber zu spüren, dass er den Aufbruchsgeist der damaligen Zeit nicht immer ganz ernst nimmt, weil er auch die lächerlichen Seiten der "Jugendkultur" zeigt. Am Schluss schreibt er noch ein flammendes Plädoyer für das Verbot - auch da weiß man nicht, ob er es wirklich ernst meint: "Haschischrauchen ist Abenteuer", sagt er, deshalb muss es verboten bleiben.

Bekanntlich entwickelten die Hippies ein anderes als das von Staat und Gesellschaft dies- und jenseits des Atlantiks bestimmtes Leistungskonzept. Geld und Karriere interessierten sie erst mal gar nicht, abhängige Lohnarbeit ebenso wenig, den wirtschaftswunderbaren Konsum verweigerten sie glatt (ausgenommen Stereoanlagen und ein paar andere Kleinigkeiten).

Und wenn der Kapitalismus jetzt auch noch Cannabis legalisieren und mit Mehrwertsteuer belegen würde, wäre der Hauch von Auflehnung durch das Haschischrauchen auch noch dahin. Wie sollte man das nicht ironisch verstehen? Oder?

Reglementierungen aber widersprechen dem Geist der Droge. Haschisch hat seine Riten und damit eine ganz eigene, unberechenbare Aura.

 

 

 

Bernd Cailloux
Surabaya Gold
Haschischgeschichten
Suhrkamp
2016 · 139 Seiten · 10,00 Euro
ISBN:
978-3518466728

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