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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Kritik

Ein lyrischer Ausflug ins Nachbarland

Einen lyrischen Ausflug ins Nachbarland bringt die von Verlegerin Julietta Fix herausgegebene Anthologie „Brennpunkte. Lyrik aus der Schweiz“: Gedichte von sechs Schweizer Autorinnen zeigen vor allem, dass man auf den ersten Blick das Herkunftsland gar nicht herauslesen könnte, stünde es nicht auf dem Cover (oder tauchte es nicht hier und da in Ortsbestimmungen innerhalb der Gedichte auf).

Das Schweizer Ensemble hat den von der Hamburger Künstlerin Judith Sombray illustrierten Band kürzlich auch in Zürich vorgestellt. Wie bei Fixpoetry üblich kam im Theater am Neumarkt nicht lediglich eine dröge Lesung auf die Bühne. So wie das Buch  in sechs Kapitel eingeteilt ist, wurde es hier inmitten eines kunstvollen Bühnenbildes in sechs Akten präsentiert – untermalt von der extra hierfür eingespielten Musik  von Thomas Lebioda und Liz Hanley.

Das Vorwort hat Beat Brechbühl beigesteuert. Er sinniert darin über seine Erfahrungen mit Zeitgenossen, die dem Hochdeutsch mehr abgewinnen können als den Dialekten – und zugegeben: Schweitzerdeutsch ist wirklich nicht allgemein verständlich, während andere Dialekte oft bloß ein etwas genaueres Hinhören erfordern. Worum es aber eigentlich geht: „Brennpunkte“ enthält keine Mundartlyrik. Die Sprache der Gedichte kann im Mund der Dichterinnen zu Mundart werden, und vielleicht auch im Kopf des Lesers, den in seinen jeweils eigenen Dialekt übersetzt. Doch davon abgesehen hat Lyrik nicht selten eine zentrale Eigenschaft lokaler Dialekte: Ihre Sprache erschließt sich dem nicht ortskundigen nicht auf Anhieb.

Während beispielsweise Irène Bourquin leichte Verse schreibt, die sich unmittelbar verstehen lassen – egal ob man nun Lyrikleser ist oder nicht -, sieht es bei Elisabeth Wandeler-Deck schon anders aus. Ihre Poeme wirken auf den ersten Blick wie ein Wortgemetzel, ein Arrangement, das sich nicht scheut, auch mit Lauten zu arbeiten, Konsonantkonstrukten, die den Leser  durch Auslassungen zusätzlich verwirren. Das ist nichts zum Nebenbei-Weglesen. In Nathalie Schmids „berührtem material“ hingegen fließen die Verse ineinander, das Wort berührt die Bedeutung, den Klang. Eine sehr innerliche Lyrik, die mit ihren melancholischen Sprachspielen Bilder heraufbeschwört.

„Die Gedichte sind nicht unbedingt so geordnet, dass sie miteinander korrespondieren oder gar ein gemeinsames Thema finden. Das Konzept ist, Lyrik aus der Schweiz zusammenzubinden zu einer Sammlung gelungener Gedichte“, schreibt Herausgeberin Julietta Fix über die Anthologie. Um noch genauer zu sein: weibliche Lyrik aus der Schweiz. Das ist gelungen. Wie bei Anthologien üblich, wird auch hier jeder Leser Gedichte finden, die ihm besser oder weniger gefallen. Interessant ist der kleine lyrische Ausflug ins Nachbarland allemal, und durch die zarten Illustrationen von Judith Sombray ist er auch höchst sehenswert.

Irène Bourquin · Brigitte Fuchs · Svenja Herrmann · Elisabeth Wandeler-Deck · Marianne Rieter · Nathalie Schmid · Julietta Fix (Hg.)
Brennpunkte
Lyrik aus der Schweiz
Vorwort: Beat Brechbühl, Artwork: Judith Sombray
Fixpoetry Verlag bei Horlemann
2011 · 70 Seiten · 12,00 Euro
ISBN:
978-3-942890052

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